Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
  
516 
Kirche (Kirchengemeinde) 
  
die Bestellung der Pfarrer in der Form des sog. 
votum negativum (§5 325, 339) und vor allem 
durch die Anerkennung der Gem als Eigentums- 
subjekt des KVermögens (§ 160). Eine Orga- 
nisation der Gem enthält das Adsn#jedoch 
nicht. Maßgebend hierfür wurde vielmehr die 
rheinisch-westfälische Kirchenord- 
nung von 1835. Zwar hatten bereits ältere 
Gesetzgebungen die Organisation der Gem in pres- 
byterial-synodaler Form unternommen, so zuerst 
die bayerische (das sog. Protestantenedikt von 1818, 
publiziert als Anhang zur 2. Beil. der Vll. dem 
Religionsedikt), jedoch in völlig unzureichender 
Weise, einmal wegen der rechtlichen Bedeutungs- 
losigkeit der höheren Synodalorgane, welche erst in 
neuerer Zeit notdürftig verbessert wurden (V v. 
1. 8. 81), sodann und insbesondere wegen der Auf- 
rechterhaltung der bürgerlichen K Verwal= 
tungen als der Organe der Verwaltuna des K Ver- 
mögens neben den rein kirchlichen K Vorständen, 
wodurch letztere wegen Mangels des wichtigsten 
Stückes der ihnen gebührenden Kompetenz zu- 
gunsten eines Organes rein bürgerlicher Kommu- 
nalverwaltung so gut wie bedeutungslos geblieben 
sind (V v. 6. 3. 17; vglI. E. Mayer, Koheitsrechte 
161). Den richtigen Weg beschritt zuerst die 
rheinisch-westfälische KO, deren Vorbild alsdann 
von sämtlichen neueren Gesetzgebungen, insbeson- 
dere der altpreußischen seit 1873, nachgeahmt 
wurde. Danach ist die Gemeinde in ver- 
schiedenen Stufen organisiert, 
und zwar als Einzelgemeinde, 
Kreisgemeinde, Provinzialge- 
meinde, wozu durch die Gesetzgebung von 1876 
noch die gemeindliche Organisation 
der gesamten Landeskirche der 9 
älteren Provinzen der Monarchie kamz in fast allen 
deutschen Staaten sind in den letzten Jahrzehnten 
organisatorische Maßnahmen ähnlicher Art, jeden- 
falls auf dem nämlichen Grundgedanken beruhend, 
zur Durchführung gelangt (das gesamte Material 
esammelt von Friedberg, Die geltenden Verfas- 
Langsgesete der evang. deutschen Landes K, 1885, 
nebst 4 Erg.-Bd. 88, 90, 92, 04). Ueber die 
juristische Konstruktion der Einzel Gem besteht im 
wesentlichen Einverständnis in Theorie und Praxis; 
nicht in gleicher Weise darüber, daß auch für den 
kirchlichen Kreis, die K Provinz, die Landes K der 
juristische Begriff der Gem die Grundlage bilden 
muß (hierüber Zorn, KR N 24, jetzt auch Fried- 
berg, Das geltende Verfassungsrecht der evang. 
Landes K S 289 ff, 382, 395; Schön, KR 1 524). 
III. Die Organisation der KGem nach dem 
eltenden Rechte für die 9 älteren Provinzen 
Preuhens ist die nachstehende (I Gu SO v. 10. 9. 
73, GSOlv. 20. 1. 76, Staats G v. 25. 5. 74, 3. 
6. 76, V v. 9. 9. 76). Für die übrigen Rechisge- 
biete kann hier nur auf das am Schlusse gegebene 
Quellenmaterial verwiesen werden, sowie auf S 
(Württemberg), 548 (Hessen), 551 (Elsaß-Loth- 
ringen), 552 ff. 
5* 4. Einzelgemeinde. Als ihre Organe fungie- 
ren Gemeindekirchenrat und Ge- 
meindevertretung. 
1. Der Gemeindekirchenrat besteht aus 
dem oder den Pfarrern der Gem, deren ältester 
den Vorsitz führt, und 4—12 gewählten Acltesten; 
dazu kommt in Patronats Gem der Patron oder 
  
  
dessen Vertreter. Die Wahlperiode ist 6 Jahre, so 
jedoch, daß alle 3 Jahre die Hälfte der Mitglieder 
ausscheidet, aber mit Wiederwählbarkeit. Der 
Gem KRat gilt juristisch als öffentliche Behörde 
und tritt regelmäßig einmal monatlich zusammen 
zu nicht öffentlicher Sitzung; beschlußfähig ist er 
bei Anwesenheit der Mehrheit der Mitglieder, die 
Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefaßt; 
für K Zucht, Seelsorge und andere vertrauliche 
Angelegenheiten besteht Amtsgeheimnis. Die 
Wahl der Aeltesten erfolgt durch die sämtlichen 
evangelischen, männlichen, selbständigen, in der 
Gem seit mindestens einem Jahre domizilierten, 
in das Stimmregister der Gem eingetragenen Mit- 
glieder, welche das 24. Lebensjahr zurückgelegt 
haben und nicht nach Maßgabe des StG#B von den 
bürgerlichen Ehrenrechten oder eines KGesetzes 
vom kirchlichen Wahlrecht ausgeschlossen sind (vgl. 
die Trauungs O v. 27. 7. 80 und die Disziplinar O 
v. 30. 6. 80), auch mit kirchlichen Abgaben sich 
nicht länger als ein Jahr in Rückstand befinden; 
ausgeschlossen sind auch solche Personen, welche 
durch Verachtung des göttlichen Wortes oder un- 
ehrbaren Lebenswandel ein öffentliches, noch nicht 
durch nachhaltige Besserung gefühntes Aergernis 
egeben haben (SO 34). Wählbar sind Per- 
jeen welche obigen Voraussetzungen genügen, 
nur ist das Alter auf 30 Jahre erhöht und die kirch- 
liche Qualifikation strenger dahin gefaßt, daß der 
Kandidat nicht „durch beharrliche Fernhaltung 
vom öffentlichen Gottesdienste und von der Teil- 
nahme an den Sakramenten die kirchliche Gemein- 
schaft zu betätigen aufgehört hat" (SO s# 35). 
Nach zurückgelegtem 60. Lebensjahre, sowie nach 
sechsjähriger Amtsperiode und aus anderen erheb- 
lichen Gründen ist Niederlegung des Amtes bzw. 
Ablehnung gestattet. Ueber die Wahl selbst sind 
genaue Vorschriften gegeben, Einsprüche entschei- 
det der Gem KRat, in höherer Instanz der Kreis- 
synodalvorstand. Die bis zur Entlassung gehende 
Disziplinargewalt über die Aeltesten 
übt der Kreissynodalvorstand, in höherer Instanz 
das Konsistorium nach Anhörung des Provinzial- 
Synodalvorstandes. 
Die Funktionen des Gem KRates sind: 
Unterstützung des geistlichen Amtes in bezug auf 
den religiösen und sittlichen Aufbau der Gem, ins- 
besondere durch bestimmt geordnete Mitwirkung 
bei Ausübung der KZucht; Ausübung der Auto- 
nomie der Gem, besonders Erlaß von Gem Sta- 
tuten unter Zustimmung der Gem Vertretung und 
Bestätigung des Konsistoriums und des Reg Präsi- 
denten; Beförderung der christlichen Liebestätig- 
keit, Aufsicht über den Kultus, die Sonntags- 
heiligung, die religiöse Unterweisung der Ingend; 
Anordnung der Wahlen; Ernennung der niederen 
KDiener und Disziplin über sie; Vertretung der 
Gemgegenüber den Kirchen= und Staatsbehörden; 
Verwaltung des KVermögens INI, insbesondere 
526 f. 535, 536 (Bayern), 538 (Sachsen), 543 « 
Aufstellung des Etats und der Jahresrechnung. 
Alle wichtigeren Akte der Vermögensver- 
waltung bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Zu- 
stimmung der Gem Vertretung sowie der Geneh- 
migung des Konsistoriums als der kirchlichen und 
kdes Reg Präsidenten als der staatlichen Aufsichts- 
behörde, in Patronatsem auch des Patrons; in 
besonders wichtigen Fällen fungieren teils der 
Oberpräsident, teils der Kultus Min als Aufsichts- 
behörde. Hierüber sind sehr detaillierte Einzelbe-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.