Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
  
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Kirche (Kirchenzucht) 
  
narentscheidungen im Wege der Staatsverwaltung 
findet nur dann statt, wenn dieselben vom Ober- 
präsidenten nach erfolgter Prüfung der Sache für 
vollstreckbar erklärt worden sind. 
II. Sachsen. G v. 23. 8. 76 §# 7—12 schließt 
sich dem preußischen Recht, insbesondere dem Ver- 
bot unter A. 1 und 2 an. Im einzelnen bestimmt 
es: 1. Von den kirchlichen Straf= oder Zucht- 
mitteln darf niemals zu dem Zwecke Gebrauch ge- 
macht werden, die Befolgung der Staatsge- 
setze oder der auf Grund derselben von den zu- 
ständigen Behörden erlassenen Anordnun- 
gen, oder die freie Ausübung staatsbürger- 
licher Rechte zu hindern. 2. Gegen Ver- 
letzung eines Staatsgesetzes durch Mißbrauch der 
kirchlichen Straf= und Zuchtgewalt hat die Staats- 
regierung von Amts wegen einzuschreiten. 
3. Die K darf zur Vollziehung ihrer Straf= oder 
Zuchtmittel niemals äußeren Zwang an- 
wenden. 4. Von den Staatsbehörden dürfen 
Disziplinarstrafen wider Geistliche oder andere 
KDiener vollstreckt werden, wenn die Strafe 
von der zuständigen inländischen Behörde erkannt 
worden, dem Erkenntnis ein geordnetes Verfahren 
vorausgegangen und die Strafe vom staatlichen 
Gesichtspunkte nicht zu beanstanden ist. Jede auf 
Entfernung aus dem Amte lautende Disziplinar- 
entscheidung ist der Staatsregierung sofort unter 
abschriftlicher Mitteilung des Erkenntnisses nebst 
Gründen anzuzeigen. 5. Zur Führung kirchlicher 
Disziplinaruntersuchungen dürfen Staatsbehörden 
mitwirken, wenn im gegebenen Falle vom 
saatlichen Gesichtspunkte kein Bedenken begrün- 
et ist. 
III. In Württemberg enthält das G, betr. die 
Regelung des Verhältnisses der Staatsgewalt zur 
kath. K, v. 30. 1. 62, über die KZucht gegen 
Laien keine näheren Bestimmungen. Dagegen 
dürfen gemäß a 6—10 Disziplinarstrafen gegen 
kath. Kirchendiener wegen Verfehlungen 
im Wandel oder in Führung ihres kirchlichen Amts 
1. nur auf Grund eines geordneten, pro- 
zessualischen Verfahrens verhängt 
werden. 2. Eine Freiheitsentziehung 
als Disziplinarstrafe ist unzulässig. 3. Geld- 
bußen dürfen den Betrag von 40 fl., Einbe- 
rufungen in das Besserungshaus der 
Diözese die Dauer von 6 Wochen nicht übersteigen. 
4. Von jedem auf eine Geldbuße von mehr als 
15 fl., auf Einberufung in das Besserungshaus 
für mehr als 14 Tage, ferner auf Suspension, 
Versetzung, Zurücksetzung oder Entlassung lauten- 
den Straferkenntnisse ist der Staatsbehörde als- 
bald Mitteilung zu machen. 5. Ver- 
fügungen und Erkenntnisse der K Gewalt können 
gegen die Person oder das Vermögen eines Ange- 
hörigen der kath. K wider dessen Willen nur von 
der Staatsgewalt vollzogen werden. Die Staats- 
behörde ist jedoch nur dann befugt, ihre Mitwirkung 
hierzu eintreten zu lassen, wenn der Bischof ihr 
zuvor über den Fall die erforderlichen Auf- 
klärungen gegeben und sie hiernach die Ver- 
fügung oder das Erkenntnis weder in formeller 
Hinsicht, noch auch vom staatlichen Gesichtspunkt 
aus in materieller Beziehung zu beanstanden ge- 
funden hat. Auch für die Führung einer kirch- 
lichen Untersuchung darf die Staatsbehörde auf 
Ersuchen der Behörde nur unter derselben 
Voraussctzung mitwirken. 6. Disziplinarstraf- 
  
sachen endlich dürfen auch im Instanzenzuge nicht 
vor ein außerdeutsches kirchliches Gericht 
gezogen werden. 
IV. In dem großh. hessischen G v. 23. 4. 75 (2) 
über den Mißbrauch der geistlichen Amtsgewalt, 
3—11, kehren die Vorschriften der beiden 
preußischen Gesetze unter A. 1—2 und B. 1—5 
wieder. Es enthält aber außerdem noch folgende, 
mit einzelnen Abweichungen gleichfalls dem preu- 
ßhischen Vorbilde entnommenen Bestimmungen, 
welche dort infolge der neueren Revisionsnovellen 
hinweggefallen sind: 1. Die Verhängung der 
zulässigen Straf= und Zuchtmittel darf nicht 
öffentlich bekannt gemacht werden. 
Eine auf die Gemeindemitglieder be- 
schränkte Mitteilung ist nicht ausgeschlossen. Die 
Vollziehung oder die Verkündigung derartiger 
Straf= oder Zuchtmittel darf auch nicht in einer 
beschimpfenden Weise erfolgen. 2. Die kirchliche 
Disziplinargewalt über KDiener darf nur von 
deutschen kirchlichen Behörden ausgeübt 
werden., 3. Die zulässigen Straf= und Zucht- 
mittel dürfen nicht angedroht, verhängt, verkündet 
oder vollzogen werden: a) wegen Vornahme einer 
Handlung, zu welcher die Staatsgesetze oder die 
von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit er- 
lassenen Anordnungen verpflichten; b) we- 
gen Unterlassung einer Handlung, welche die 
Staatsgesetze oder die von der Obrigkeit innerhalb 
ihrer Zuständigkeit erlassenen Anordnungen ver- 
bieten; c) wegen Ausübung oder Nichtaus- 
übung öffentlicher Stimmrechte; d) 
wegen einer Beschwerde über Mißbrauch der 
Amtsgewalt;e) um einen Beamten zur Vor- 
nahme oder Unterlassung einer Amtshandlung zu 
bestimmen. 4. Eine wider den Willen des Be- 
teiligten verfügte Entfernung aus dem kirchlichen 
Amt bewirkt den Verlust des mit der Stelle ver- 
bundenen Diensteinkommens nur dann, 
wenn das Min Inn nach Prüfung der Akten aner- 
kennt, daß das erforderliche prozessualische Ver- 
fahren stattgefunden hat und die getroffene Maß- 
regel weder Gesetze des Staates noch allgemeine 
Rechtsgrundsätze verletzt. 
  
Quellen: Abdruck der kirchenpolit. Gesetze für Preu- 
ßen bei Hinschius, Preuß. K G, Kommentar, 2 Bände 
und 3 Nachtragshefte, 1873—1887;: Kleinsorgen, 
Kirchenpolitische Gesetze Preußens, 1887! Rintelen, 
Die kirchenpolit. Gesetze Preußens und des deutschen Reiches, 
1903. — Für Sachsen bei v. Seydewift, Die neueren 
K für das Königr. Sachsen, 1877;— für Württemberg 
und Hessen bei Zorn, pirchenstaatsrechtl. Gesetze, 1876. 
Literatur: Außer den Lehr- und Handbüchern des 
KRechts: Kober, Die Euspension, 1862; Der KBann, 
18603; Die Deposition und Degradation, 186°7; München, 
Das kanon. Gerichtsverfahren" II, 1874;: J. F. Schulte, 
K Strafen, 1872; Droste, Kirchl. Disziplinar- und Straf- 
verfahren gegen Geistliche, 1882; Heiner, Die Kzen- 
#b furen, 1884; Hollweck, Die kirchl. Strafgesetze, 1899; 
Köck, Die kirchlichen Zensuren latae sent., 1902; von 
Scheurl, Ueber Wiederherstellung der Kzucht (in den 
Flieg. Blättern für kirchl. Fragen der Gegenwart 3) 1857; 
Galli, luther. und calvin. K Strasen gegen Laien, 1879; 
Meurer, Begriff des kirchl. Strafvergehens in den 
Quellen des Augsburger Bekenntnisses, 1883; Uhlhorn, 
Die Kaucht. Nach den Grundsätzen der luth. K, 1001; 
Bachmann, Geschichte der KzZucht in Kurhessen, 1912. 
Hübler (1).
	        
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