Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Recht des Simultaneums vorliegt, halte ich für 
eine zivilistische (A. M. Hinschius 4, 365). 
Die Ausübung dieses Rechts 
aber führt in die publizistische 
Sphäre und bestimmt sich nach 
öffentlichem Recht. Ist dem so, dann 
müssen Streitigkeiten der ersteren Art vor die bür- 
erlichen Gerichte gehören, die anderen dagegen 
Verwaltungssache bleiben. In der Tat hat das 
AL#k II 11 K 311 ff und die II. Beilage der bayer. 
Vu 92 f (vgl. auch den franz. Direktorialbeschluß 
v. 26. 4. 43; Dursy 2, 465) eine solche Normie- 
rung beliebt. Aus der Verwaltungssache wurde 
sodann neuestens eine Verwaltungsstreitsache. 
Bgl. z. B. bayer. VGHG Art. 10 Z. 11. 
Weiter: Köhler, Die Simultankirchen im Großherzog- 
tum Hessen, ihre Geschichte und Rechtsverhältnisse, 1889 
(dazu der Fall in Z f. KR 3, 396); Krais, Simultan- 
verhältnisse, insbesondere nach bayer. Recht, 1890; Men- 
rer, in Krit. Viertelischr. N. F. 14, 133 ff; Krais a. a. O. 
16, 143; Sehling, Ueber kirchl. Simultanverhältnisse 
1891 (Arch Oessfz 7, 1892); Seydel, Bayer. StR 3, 532 ff 
Lauter, Die Entstehung der Kirchen-Simultaneen, 1894; 
Stolz, Das Simultaneum in Repperndorf, 1905; Jos. 
Schmitt, Simultankirchenrecht i. Großh. Baden; Schöbi, 
Die kirchl. Simultanverhältnisse in d. Schweiz, 1905; dazu 
Friedberg in Z f. KR 17, 448 f); Begründung des Entw 
einer bayer. KGO 295 ff. 
II. Die Nirchenglochen 
l#8. Rechtliche Natur. Beschaffung. Das Recht 
des Glockengeläutes ist ein Zeichen der öffentlichen 
Religionsübung. In der katholischen Kirche wer- 
den die KGl besonders benediziert und so selbstän- 
dige res sacrae; der Bischof kann das Läuten 
mit nicht geweihten Glocken verbieten, wie andern- 
teils die ausschließlich für weltliche Zwecke be- 
stimmten Glocken nicht benediziert werden. 
Die Glocken gehören seit dem 9. Jahrhundert zu 
der regelmäßigen Ausstattung der Kirchen; sie ha- 
ben den Charakter einer notwendigen oder wesent- 
lichen Pertinenz. Daraus folgt, daß die Beschaf- 
fungs- und Reparaturpflicht im allgemeinen dem- 
jenigen obliegt, welcher die Kirchenbau-; 
last (M trägt. Die Beschaffung selbst und Sorge 
für die Reparatur gehört zur Geschäftsführung des 
Eigentümers resp. der Vermögensverwaltung. 
Eine Mitwirkung der Staatsbehörden findet nur 
insoweit statt, als ihre Anteilnahme an der Ver- 
mögensverwaltung dieselbe fordert resp. zuläßt 
oder baupolizeiliche Erwägungen Platz greifen. 
Das gilt auch nach französischem Recht (Hin- 
schius 4, 416; Geigel, 39 f). 
Das Geläute einer Kirche kann von der Nach- 
barschaft störend empfunden werden (Glockenpro- 
ß in Neustadt am Rennweg 1903). Man wird 
sagen können: diese Störung liegt in der Einrich- 
tung selbst, die vom Staat erlaubt worden ist. Nur 
bei Störungen, die auch bei Glocken als ungewöhn- 
lich bezeichnet werden müssen, gibt es eine Klage 
nach BGB’ l 906. 
5*a9. Kirchlicher Gebrauch. Als heilige Sachen 
IX sind die Glocken dem profanen Gebrauch ent- 
zogen und der Disposition der geistlichen Behörde 
unterstellt; selbst wenn sich die Dedikanten das 
Eigentumsrecht vorbehalten haben, steht die Ver- 
fügung dem rector ecclesiae, nicht der Ver- 
mögensverwaltung zu. (Arch 32, 445 f. Entsch 
  
  
Kirche (Kirchenglocken) 
des hessischen Oberkonsistoriums v. 19. 11. 80, 
Köhler, 477; für Bayern Weber 3, 618 ff. 
Vgl. weiter VGH 9, 427). 
Die Zweckbestimmung der Glocken ist nicht so 
eng gefaßt als diejenige der anderen heiligen 
Sachen, die ja auch zum Gottesdienst in einer viel 
näheren Beziehung stehen. Die Glocken dienen 
auch nichtgottesdienstlichen Zwecken: es wird ge- 
läutet beim Einzug des Bischofs und Pfarrers, 
bei Synoden und während des Gewitters, 
schließlich auch bei Feuer= und Wasserge- 
fahr. Der gottesdienstliche und sonstige kirchliche 
Gebrauch der Glocken wird, soweit er nicht schon 
durch die Ritualbücher geregelt ist, durch die Ordi- 
narien resp. Konsistorien geordnet. Innerhalb die- 
ser Grenzen ist der rector ecclesiae kompetent. 
Dem Vermögensverwaltungsorgan ist die Zu- 
ständigkeit im allgemeinen abzusprechen. Die 
letztere kann nur durch ein Vermögensinteresse be- 
gründet sein. 
Die staatliche Mitwirkung ist lediglich polizeili- 
cher Naturz und die diesbezüglichen Verordnungen, 
welche in Bayern ihre verfassungsmäßige Begrün- 
dung in RelEd ss 76, 78 haben (so auch Seydel 
3, 526), wollen wirklichen Gefahren, Aufregungen 
und Belästigungen vorbeugen, ohne dadurch die 
notwendige kirchliche Benutzung zu erschweren. 
Wie überall auf staatskirchenrechtlichem Gebiet, so“ 
ist auch hier das bayerische Verordnungsrecht am 
detailliertesten. 
Vor allem macht das bayerische Recht in Uebereinstim- 
mung mit anderen Rechten Front gegen das Wetter- 
läuten. (Bgl. die vielen bald schärferen, bald milderen 
Berordnungen bei Döllinger 8, 1145—1158.) Damit Auf- 
regungen vermieden werden, kann die Ortspolizei 
das Geläute für Sterbende oder Verstorbene, wenn sie es 
für schädlich hält, z. B. bei epidemischen Krankheiten, auf 
unbestimmte Zeit ganz verbleten (Döllinger 1147). Ebenso 
ist mit Ausnahme des Geläutes zur Christmette (AE v. 9. 
12. 1825: Döll. 8, 1109) und des Chorgeläutes der Klöster 
(Min E v. 11. 12. 40: Döll. 23, 361), sowie bei außerordent- 
lichen Notsällen (B v. 14. 2. 1807: Döll. 8, 1147, Weber 
1, 124) das Läuten zur Nachtzeit verboten. Diese des öfte- 
ren wiederkehrende Bestimmung will die Bevölkerung vor 
unnötigen Belästigungen bewahren. Beim Ableben 
des Papstes darf ein einstündiges eigentliches Trauerge- 
läute, wie ein solches schon durch die Trauer O v. 20. 7. 
resp. 1. 8. 1827 (Weber 2, 387) für die Landesherrschaft 
angeordnet war (Neufassung 1912), nicht stattfinden, da- 
gegen ist das bei solchen Kirchenfeierlichkeiten übliche 
Geläute, insofern es den Charakter eines Gebetszeichens. 
trägt, gestattet (Min E v. 8. 2. 78: Weber 12, 224). Bei 
Todesfällen der Bischöfe hat alles zu unterbleiben, was 
eine Landestrauer bezeichnen könnte; doch ist ein Trauer- 
geläute zugelassen, das der Würde des Verlebten und den 
übrigen Beerdigungsfeierlichkeiten angemessen ist (Min E v. 
31. 5. 1803 und 10. 10. 1819: Weber 1, 63). Es handelt sich 
hier überall um Pol Verordnungen im Sinn des RelEd #178. 
Abgesehen von diesen polizeilichen Verboten ist 
die Geistlichkeit in der Frage des gottesdienstlichen 
Geläutes selbständig und unbehindert. 
Auf einem prinzipiell anderen Standpunkte steht 
das französische (elsaßlothringische) Recht: Organ. 
Artikel 48. 
* 10. Fremdlkirchlicher Gebrauch. Jede In- 
dienststellung für andere Konfessionen erfordert 
einen besonderen Titel: Gesetz oder Rechtsgeschäft. 
1. Ein gesetzliches Mitbenutzungsrecht be- 
steht, abgesehen vom Kirchensimultaneum (oben 
 
	        
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