Kirche (Kirchenhoheit)
andere Religionsgesellschaften bestehen. Es bedarf
in jedem Falle eines besonderen Rechtstitels, um #
solche Verpflichtungen zu begründen. Solche
Rechtstitel können durch Patronatrechte, Ansprüche
dinglicher Natur, frühere Kirchenmitgliedschaft u. a.
begründet sein. Der Hauptanwendungsfall aber
ist das kirchliche Simultaneumnmn, d. h.
das Verhältnis des gemeinschaftlichen Gebrauches
eines und desselben Kultusgegenstandes, nament-
lich von Kirchengebäuden und Kirchhöfen durch
mehrere Konfessionen. Solche Gemeinschaftsver-
hältnisse sind in der Zeit der Reformation und
Gegenreformation zwischen Protestanten und
Katholiken aus lokalen Notständen vielfach er-
wachsen. Hauptsächlich ist (neben Schlesien) der
Westen (Rheinprovinz, Westfalen, Pfalz, Elsaß-
Lothringen) und Südwesten (rechtsrh. Bayern,
Hessen) des Deutschen Reiches daran beteiligt. U
und für sich ist das Simultancum nach Inhalt und
Wesen rein privatrechtlicher Natur. Es hat aber
notwendig Beziehungen zum öffentlichen Recht
entwickelt. Es wurde unvermeidlich eine Quelle
von Gefährdungen oder Störungen des konfessio-
nellen Friedens. Unter diesem Gesichtspunkt ist
die staatliche Paritätspflege vermittelnd einge-
treten und hat von den Regeln des Privatrechts
teilweise abweichende Bestimmungen über Be-
gründung und Wirkung dieses Gemeinschaftsver-
hältnisses sowie über den Austrag von Streitig-
keiten getroffen. Eine zusammenhängende gesetz-
liche Regelung hat das Simultanverhältnis fast
gleichlautend für Preußen durch das ALR
TI. II Tit. 11 &¾ 309—317 und für Bayern
durch das Rel.-Ed. §390—97 erfahren (vgl. oben
S 557).
Für alles hier Gesagte bedarf es endlich noch eines
gemeingültigen Vorbehaltes. Zweck und Aufgabe der
staatlichen Paritätspflege ist lediglich die Durchführung der
Gerechtigkeit und die Erhaltung des äußeren Rechtsfriedens
unter den Konsessionen. Dagegen kann die Aufrechterhal-
tung der innerkirchlichen dogmatischen und
rechtlichen Gegensätze von Staats wegen nicht
auszuschließen sein. Ihre Ueberwindung steht unter anderen
und höheren Bedingungen als dem Zwang des Rechts.
Jene innerkirchlichen Gegensätze gehören vom Standpunkt
Wjeder einzelnen Kirche zu ihrem Besitztum von racra Interna.
An ihnen hat, wie die KO überhaupt, so auch die Paritäts=
pflege des Staats eine begrifsfsmäßige und notwendige
Schranke ihres Rechts und ihrer Macht.
Ouellen und Literatur: Vorbemerkung: Der
vorstehende Artikel umfaßt in gedrängtester Kürze nahezu
das ganze Gebiet des gegenwärtig geltenden Rechtsverhält-
nisses von Staat und nirche. Dies bedingt eine notwendige
Beschränkung in Angabe der nach vielen Hunderten zählen-
den Rechtsquellen und der fast unübersehbaren Literatur.
Die Auswahl der Quellen ist nachfolgend so getrossen,
daß sie für die Einzel staaten nur die grundlegenden
Verfassungsbestimmungen mit den wichtigsten Ergänzungs-
gesetzen umfaßt, während der staatskirchenrechtliche Inhalt
der Reichsgesetzg bung, der sich sonst nirgends zu-
sammengestellt findet, insoweit tunlichst erschöpfend beige-
gogen ist, als er sich auf die vorstehend berührten Gebicte der
Kirchenhoheit bezieht. Die Literatur angabe
verweist neben einzelnen Monographien auf die systemati-
schen Darstellungen, in denen nähere Quellen- und Literatur-
nachweise zu finden sind.
Ouellen: 1. Einzelstaatsgesetzgebung.
Preußen: Zu v. 31. 1. 50 a 12 ff. Kirchenpolitische 1
v. Stengel- Fleischmann, Wörterbuch 2. Aufl.
Gv. 11., 12., 13., 14. 5. 73 nebst Revisions G v. 14. 7. 80,
31. 5. 82, 11. 7. 83, 21. 5. 86, 29. 4. 87. ALK v. 1794,
Tl. II Tit. 11 vb. TlI. II Tit. 2. G v. 4. 7. 75 betr. die
Rechte der altkathol. Kirchengemeinden. — Bayern:
Vuv. 26. 5. 1818 /8 4, 5, 9, 10. Zu 549 „Edikt über die äuße-
ren Rechtsverhältnisse usw. in bezug auf Religion u. kirchl.
Gesellschaften“ (sog. Religionsedikt) II. Vers Beilage. Für
die Rechtsverhältnisse der Alikatholiken Min E v. 15. 3. 90.
— Sachsen: Vu v. 4. 9. 31. G v. 1. 11. 36 üb. Misch-
ehen u. rel. Kindererziehung; G v. 20. 6. 70 5# 20 ff, Aus-
tritt aus einer Religionsgesellschaft, relig. Erziehung von
Dissidentenkindern, Aufnahme neuer Rel. Gesellschaften u.
Umsang ihrer Rechte; Gv. 10. 9. 70 betr. Sonn u. Fest-
tagsseier; G v. 23. 8. 76 betr. die Ausübung des staatlichen
Oberaussichtsrechts über die kathol. Kirche. — Würt-
temberg: AUn v. 25. 9. 1819 21, 27, 71—83. G v.
30. 1. 62 betr. die Regelung des Verhältnisses der Staats-
gewalt zur kath. Kirche. — Baden: Vu v. 22. 8. 1818
39 18 sf. Fünf G v. 9. 10. 60 üb. die interkonfessionelle
Regelung der Beziehungen des Staats zu den Kirchen und
Religionsgesellschaften; das Hauptgesetz üb. „die rechtliche
Stellung der Kirchen u. kirchlichen Vereine im Staat“;
Aenderung dieses Hauptgesetzes durch G v. 19. 2. 74, 5.
3. 80, 5. 7. 88. Dotations G f. d. Kirchen v. 25. 8. 76, 15.
5. 82, 5. 4. 86. Ordens G v. 2. 4. 72. Ueber die Rechts-
verh. d. Altkathol. G v. 15. 6. 74. — Hessen: Vuv.
17. 12. 20 a 20, 21, 22, 39, 411—44. Kirchenpolit. G v. 23.
4. 75 betr. „die rechtliche Stellung der Kirchen u. Reli-
gionsgemeinschaften im Staate“, „den Mißbrauch der
geistl. Amtsgewalt“, „die Vorbildung u. Anstellung der
Geistlichen“, „die religiösen Orden u. ordensähnlichen
Kongregationen“, „das Besteuerungerecht der Kirchen u.
Religionsgemeinschaften". Für die Altkatholiken Min E v.
23. 12. 73.
2. Reichsgesetzgebung: R v. 3. 7. 69 üb. die
Gleichberechtigung der Konsessionen in bürg. u. staatsbürg.
Beziehung Ste v. 15. 5.71 16 130 a, 155, 100—16 8, 174,
181, 196, 243, 304, 306, 338, 366. R G v. 4. 7. 72 betr. Orden.
d. Gesellschaft Jesu vb. RG v. 8. 3. 04 betr. d. Aushebung
d. 5 2 d. Jesuiten G(# Il4. RMilG v. 2. 5. 74 65, Wassendienst
v. Kirchenbeamten G v. 11. 2. 88 und 8. 2. 0 (betr.
d. Wehrpflicht römisch-kath. Geistl. Re v. 6. 2. 75 üb. die
Säkularisierung des kirchlichen Eberechts dhierin ersetzt
durch BG#, s. u.). G v. 27. 1. 77-17. 5. 98, 5# 15,
34, 51, 85. 8 PL v. 30. 1. 77/ 17. 5. 98 4# 47, 216, 222,
363, 385, 481, 184, 606—639, 761, 811, 850, 9010. Et PO
v. 1. 2. 77 1# 3, 52, 62, 64, 248, 486. RG v. 1. 6. 91 betr.
Abänderung d. Gew O (Arbeiterschutz) 85 41 a, b, 41
55 a, 105 —105 i, 146 a: Beschäftigung von Arbeitern an
Sonn-- und Feiertagen, 1#/ 127, 1146: religiöse Erziehung d.
Lehrlinge; 3 136, 146: religiöse Erziehung der jugendlichen
Fabrikarbeiter; #58. 137, 138 a, 146: Beschaftigung von Ar-
beiterinnen an Vorabenden von Festtagen, vb. a 13 der
Novelle v. 30. 6. O0. BGG#B v. 18. 8. 96: 1. Kirchen-
hoheit: a) Landesrechtliches Resormationsrecht a 84
E#, Vorbehalt für landesgesetzt. Vorschr. über den Erwerb
der Rechtofähigkeit durch Religions= u. geistliche Gesell-
schaften. v) Aufsichtsrecht, 1# 43, 44, 61: religiöse
Vereine; ## 31, 80: Haftung v. Körperschaften, Stiftungen
u. Anstalten d. öff. Rechts; 1 1315;: landesr. Vorbehalt f.
Eheschließung v. Geistlichen; à 1784: landesr. Borbehalt
d. Erlaubdnis zur Ucbernahme v. Vormundschaften für Re-
ligionsdiener vb. 1 1888 c) Schutßrecht, 1 618: religiöse
Fürsorgepflicht des Dienstberechtigten; # 193: Berücksichti-
gung der Sonn= u. Feiertage; § 570: Kündigungsrecht der
Geistlichen. Zum Gedankenkreis der staatl. Advokatie auch
a 35 u. 1338 EG. 2. Erwerbs fähigkeit: a 86 E#:
Vorbehalt der landesrechtlichen Amortisationsgesetze II: a# 8#7:
landesrechtl. Vorbehalte für Schenkungen u. letztwillige
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