Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

Konkordate 
bildet, ist zur Olkupation eines Landes keineswegs sie als Staats= resp. 
die militärische Besetzung jedes einzelnen 
mathematischen Punktes der betreffenden Erd- 
oberfläche nötig. Es genügt vielmehr die Ent- 
waffnung des Gegners, der animus possidendi 
und die Herstellung eines Zustandes, welcher es 
ermöglicht, die aufgerichtete Herrschaft jederzeit 
und überall geltend zu machen. Diese Möglichkeit 
aber besteht, nachdem durch das Plebiszit von 1870 
und ein darauf ergangenes Kgl. Dekret v. 9. 10. 71 
die Inkorporation der Stadt Rom und der römi- 
historische Bedeutung. 
schen Provinzen — ohne Abzug — verfügt wor- 
den, für die heutige italienische Regierung in 
vollem Maße. Daß sie hinsichtlich eines Palastes 
die gewonnenc Position bisher nicht ausgenutzt, 
ja durch das Garantiegesetz (vgl. folgenden Absatz) 
sich dieserhalb sogar eine Selbstbeschränkung auf- 
erlegt hat, kann an der Tatsache der Okkupation 
nichts ändern. 
Andererseits hat der Papst als Oberhaupt 
der katholischen Kirche (mit dem pri- 
matus jurisdictionis über alle Katholiken der Welt) 
niemals die Position eines Souveräns im Sinne 
des europäischen Völkerrechts eingenommen. Denn 
die völkerrechtliche Souveränität setzt Staats- 
gewalt resp. einen Staat voraus. Die 
katholische Kirche aber bildet keinen Staat, weil 
ihr alle Momente des Staatsbegriffes fehlen. Sie 
ist weder auf ein bestimmtes Gebiet konfiniert, 
noch besitzt sie äußere Zwangsgewalt 
(potestas externa), welche Land und Leute einem 
obersten Willen unterwirft. Im Mittelalter hat 
sie solche Gewalt in Anspruch genommen, und der 
Syllabus (Thes. 24) hält kraft göttlichen Rechts 
daran unentwegt fest. Aber kein europäischer 
Staat gibt diesem Anspruche heute mehr nach. 
Aeußerer Zwang eignet nur noch der Staatsge- 
walt. Auch das italienische Garantic- 
gesetz v. 13. ö. 71 (Fleischmann, Völkerrechts- 
quellen 107) bietet keine hinreichende Unterlage, um 
dem Papste die Prärogative eines internationalen 
Rechtssubjekts zuzuerkennen. Denn dasselbe hat 
von Haus aus einen rein staat srechtlichen 
Charakter und Inhalt: es ist kein völkerrecht- 
licher, sondern nur der einseitige Willensakt eines 
einzelnen Staates. Es regelt ferner nur 
die Stellung, welche der Papst in dem neuen 
Königreiche Jtalien einnehmen soll, betrifft 
also nur eine causa domestica Italiens. Für eine 
europäische Festsetzung fehlte es der italieni- 
schen Gesetzgebung an jeder Zuständigkeit. Das 
Garantiegesetz hat aber auch nachträglich 
keine internationale Bedeutung erhalten. Aner- 
kanntermaßen ist es von den europäischen Mächten 
weder sanktioniert noch garantiert worden. Im 
übrigen gesteht das Gesetz dem Papste zwar 
souveräne Ehren zu, aber es gewährt ihm keine 
volle Souveränität: nur vereinzelten Rechten 
derselben ist Ausdruck gegeben. Nicht einmal eine 
volle Exterritorialität (| wird dem 
Papste zugebilligt, nur eine Unverletzlichkeit seiner 
Person und seiner Wohnung ist zugesichert. Daß 
er namentlich auch von jeder Gerichtsbarkeit frei 
sein solle, ist nirgends hervorgehoben. 
Nach alledem kann der Pavst nicht mehr als 
Subjekt des Völkerrechts angesehen werden. Da- 
mit entfällt die Möglichkeit zu einer Konstruktion 
der K. als Staatsverträgec. Ihre Rechts- 
lichen Charakter. 
  
verbindlichkeit beruht heute lediglich darauf, daß 
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Kirchengesetze 
ordnungsmäßig zustande gekommen sind und auf- 
recht erhalten werden. 
§* 4. Die deutschen Konkordate. 
I. Die älteren deutschen K. haben heute nur noch 
Dahin gehören: 
1. Das Wormser K. von 1122 (Concord. Caliz- 
tinum), geschlossen zwischen Papst Calixtus II. und Kaiser 
Heinrich V zur Beilegung des Investiturstreits. [Nach 
Schäfer (Zur Beurt. d. W. K. 1005) sollte das K. mit 
dem Tode von Kaiser Heinrich erlöschen. Dagegen mit 
auten Gründen Hauck, Kirchengesch. 3, 1047; Bern- 
heim. W. K. 1906; Rudorff, Zur Erklär. d. W. K. 
. 
2. Das Konstanzer K. von 1118, geschlossen zwi- 
schen Papst Martin V und der Natio Germanica, d. h. den 
zum deutschen Fraktionsverbande gehörigen Prälaten auf 
dem Konstanzer Konzil, behufs Ausführung der vom Konzil 
deplanten reformatio in capite. Es hat einen rein kirch- 
Die Staatsgewalt war an seinem Ab- 
schluß nicht beteiligt. (Hübler, Die Konst. Reform. und 
d. K. von 1408. 1807.) 
3. Die sog. Concordata Natlonis Ger- 
manlegse, eine Kollektivbezeichnung für die Fürsten- 
konkordate von 1447, geschlossen zwischen Papst 
Eugen IV. und den deutschen Reichsständen wegen Aner- 
kennung der Baseler Reformdekrete, und das dazu gehörige 
Wiener K. von 1418, geschlossen zwischen Papst Niko- 
laus V. und Kaiser Friedrich III. wegen Wiederherstellung 
der auf das Pfründewesen bezüglichen päpstlichen Reservat- 
rechte. 
II. Im Gegensatze zu diesen älteren Abkommen, 
welche sich auf die Regelung von einzelnen kirch- 
lichen Fragen beschränken, suchen die neueren 
deutschen K. das Verhältnis zwischen Staat und 
Kirche in allen wesentlichen Berührungspunkten zu 
regeln. Dahin gehört: 
4. Das bayerische K. v. 5. 6. 1817, ge- 
schlossen zwischen Papst Pius VII. und König 
Max Josef I. Dasselbe ordnet eine neue Diözesan- 
einteilung an, regelt die Kapitelsverfassung, setzt 
die Dotationen für die neuen kirchlichen Einrichtun- 
gen fest und enthält folgende staatskirchenrechtliche 
Grundsätze: 1. Die römisch-katholische Kirche ge- 
nießt in Bayern alle Rechte und Prärogativen, 
welche ihr nach göttlicher Anordnung 
und nach kanonischen Satzungen zu- 
kommen (a 1). 2. Den Bischöfen gebührt die 
volle, freie Leitung ihrer kirchlichen Semi- 
narc. Sie ernennen und entfernen die Vorsteher 
und Lehrer an denselben und überwachen hinsicht- 
lich der Glaubens- und Sittenlehren auch die 
öffentlichen Schulen (a5). 3. Für die 
Zwecke des Jugendunterrichts, der Seelsorge und 
der Krankenpflege sollen einige Klöster (aliqua 
cocnobia) wieder hergestellt werden (a 7). 4. Der 
kirchliche Güterbesitz ist dem staatlichen 
Verfügungsrecht entzogen, auch hat die Kirche das 
Recht zu neuen Erwerbungen (a 8). 5. Dem 
Könige steht das Nominationsrecht zu 
für die erhbischöflichen und bischöflichen Stühle, 
für die Domdechancien sowic für die Kanonikate 
in den ungleichen Monaten (J Domkapitel und 
Stifter oben Band l S. 6031. Dagegen werden die 
Dompropsteien vom Papste, die Kanonikate in den 
gleichen Monaten teils von den Bischöfen, teils 
von den Kapiteln besetzt (a 9, 10). 6. Niedere 
Benefizien, namentlich Pfarreien, welche in das 
freie Besetzungsrecht der Bischöfe fallen, dürfen
	        
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