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nur an personae Regi gratee ver-
liehen werden (a 11). 7. Bei Leitung ihrer Diö-
zesen dürfen die Kirchenoberen alles tun, wozu
sie nach dem kanonischen Rechte und der
vigens ecclesiae disciplina befugt
sind, insbesondere für die kirchliche Verwaltung
Gehilfen und Vertreter bestellen, Kandidaten in
den geistlichen Stand aufnehmen, Eheprozesse und
andere geistliche Rechtssachen, mit Ausnahme der
rein bürgerlichen Angelegenheiten von Klerikern,
entscheiden, gegen letztere im Disziplinarwege
Zensuren verhängen, mit dem heiligen Stuhle, wie
mit den ihnen Untergebenen direkt und frei ver-
kehren (a 12). 8. Gegen die Verbreitung von
Druckschriften, welche die Bischöfe als gegen
den Glauben, die Sitten und das Recht der Kirche
verstoßend bezeichnen, hat die Staatsregierung
einzuschreiten (a 13). 9. Die Bischöfe und Erz-
bischöfe sind gehalten, dem Könige den Eid der
Treue zu leisten (a 15). 10. Für alle kirchlichen
Angelegenheiten, welche in dem K. nicht besonders
geregelt sind, entscheidet das kanonische
Recht und die vigens disciplina
ecclesiae, vorbehaltlich anderweiter gütlicher
Vereinbarung (a 17). Ueber die 3B unten F 7.
Publiziert ist das bayer. K. am 26.
5. 1818 als Staatsgesetz, aber nur als
Anhang I zu §5 103 der II. VBeil. (des sog. Reli-
gionsedikts) und deshalb nur in beschränkter
Weise. Denn das Religionsedikt, welches dem K.
vorgeht, steht mit ihm an mehrfachen Punkten in
Widerspruch; es wahrt überall das oberhoheitliche
Aufsichtsrecht des Staates und konserviert z. B.
das staatliche Plazet (JNls, ja sogar den Re-
cursus ab abusulCl. Inwieweit hierdurch
den Verabredungen zuwidergehandelt worden,
darüber besteht ein bis heute noch nicht gelöster
Streit (v. Sicherer, Staat und Kirche in Bayern,
1874. Systematische Zusammenstellung der Ver-
handl. d. bayer. Episkopats m. d. bayer. Staats-
regierung, 1905).
5. Das württembergische K. v. 8. 4.
1857, geschlossen zwischen Papst Pius IX. und König
Wilhelm I.
6. Das badische K. v. 28. 6. 59, geschlossen
zwischen Papst Pius IX. und dem Großherzoge
Friedrich.
Diese beiden, nach österreichischem Muster (K.
v. 18. 8. 55) abgefaßten und unter österreichischem
Einflusse zustande gekommenen Konuventionen
wurden zwar durch päpstliche Bullen und landes-
herrliche Verordnungen genehmigt, sind aber in-
folge Reklamation der Kammern niemals ausge-
führt und staatsseitig ganz außer Wirksamkeit ge-
setzt worden. An ihre Stelle trat für Württem-
berg das Staats G v. 30. 1. 62 über die Rege-
lung des Verhältnisses der Staatsgewalt zur katho-
lischen Kirche, für Baden das Staats#G v.
9. 10. 60 über die rechtliche Stellung der Kirchen
und kirchlichen Vereine im Staat (v. Golther,
Staat und katholische Kirche in Mürttemberg,
1874; Spohn, Bad. Staatskirchenrecht, 1868;
Fricdberg, Staat und katholische Kirche in Baden,
871).
7. Für die Reichslande stcht das franzö-
sische K. v. 15. 8. 1801 (26 Messidor de I’an 1X),
abgeschlossen zwischen Papst Pius VII. und Kaiser
Napolcon I., noch heute als Staatsgesetz in Gel-
tung (Dove, 3 f. N R. 9, 91), während es für Frank-
Konkordate und Zirkumfskriptionsbullen
reich selbst 1906 vom Staate ausgekündigt und
seit dem 11. 12. 05 durch das französische „Tren-
nungsgesetz“ ersetzt worden ist (Loi de séparation
de Pelgise et de I’état v. 9. 12. 05). Es enthält
folgende Hauptbestimmungen: 1. Die römisch-
katholische Kirche genießt Bekenntnis= und Kultus-
freiheit, bleibt aber den polizeilichen An-
ordnungen im Interesse der öffentlichen Ruhe
unterworfen (a 1). 2. Dem Staatshaupte gebührt
das Nominationsrecht für die erzbischöf-
lichen und bischöflichen Stühle, während die ka-
nonische Institution durch den Papst erfolgt (a 4,
5, 17). 3. Alle Erzbischöfe, Bischöfe und Geistliche
haben dem Staatshaupte den hergebrachten Treu-
eid zu leisten (a 6, 7). 4. Die Pfarrer werden von
den Bischöfen ernannt, bedürfen aber einer Ge-
nehmigung (agrément) seitens der Staatsregie-
rung (a 10). 5. Den Diözesanoberen steht die Er-
richtung eines Kapitels sowie eines Semi-
nars frei, ohne daß die Regierung hierdurch
zur Dotation verpflichtet ist (a 11). 6. Dagegen
hat der Staat für ein angemessenes Gehalt
der Bischöfe und Pfarrgeistlichen
Sorge zu tragen (a 14). 7. Das Staatshaupt übt
alle Vorrechte, welche der früheren Landesregie-
rung gebührten. Ist dasselbe aber akatholisch,
so bedarf es in dieser Hinsicht sowie wegen des
Nominationsrechts (a 2) einer anderweitigen Ver-
einbarung (a 16, 17). — Seine Ergänzung findet
das frangösische K. in den sog. Artieles
organiques, einem für die deutschen Reichs-
lande in Geltung verbliebenen französischen
Staats G v. 8. 4. 1802 (18 Germ. de I’an X),
welches durch zahlreiche, im Geiste des Gallikanis-
mus gehaltene Sätze das Recht des Staates wahrt,
sich gegen Ausschreitungen der Kirchengewalt im
Wege der Prävention und Repression zu schützen.
Insbesondere ist hier, ähnlich wie im bayerischen
Religionsedikt, das staatliche Plazet (J|8 und der
recursus ab abusu [M| geregelt (Dursy, Staats-
kirchenrecht in Elsaß-Lothringen 1876).
B. Sirhumskriptionsbullen
5 5. Begriff und Form. ZB. sind einse i-
tige päpstliche Verordnungen (Bullen), welche
die Diözesansprengel eines Landes neu abgrenzen
(cireumscribere). Die deutschen 3Z3. da-
tieren aus der Zeit nach dem Wiener Kongreß und
wurden durch die umfangreichen Sakularisationen
[|1 zu Eingange des 19. Jahrhunderts infolge des
Reichsdeputationshauptschlusses v. 25. 2. 1803.
veranlaßt. Erlassen sind sie überall im Ein-
vernehmen mit der beteiligten Staats-
regierung. Außer der in erster Linie stehenden
Zirkumskription setzen sie die Organisation
und Ausstattung (Dotation) der neuen
Bistümer I, namentlich wegen der Dom-
kapitel, der kirchlichen Lehranstalten (Seminare),
der Emeriten= und Demeritenhäuser u. a. m. fest.
Auch treffen sie meist Anordnung über die Be-
setzung der bischöflichen Stühle und Ka-
nonikate.
Die Publikation der Z. erfolgt, da es
sich um Kirchengescetze handelt, wie bei
allen päpstlichen Konstitutionen, ordnungsmäßig
in Rom. Daneben werden sie, um ihnen den
Charakter eines die katholischen Untertanen recht-
lich bindenden Statuts zu verleihen, auch st aat-