Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

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ist der Gesichtspunkt, von welchem aus man die K. 
zu betrachten pflegt, vorwiegend der des Handels; 
die ältere Gesetzgebung definiert die K. regelmäßig 
als Handelsagenten (preußisches KonsularRegl von 
1796 8 1). Doch ist dieser Gesichtspunkt heute viel 
zu eng. Die Bedeutung des konsularischen Amtes 
reicht weit über das Gebiet des Handels hinaus. 
Fast überall sind die K. heute neben den Diplo- 
maten Vertreter der internationalen Beziehungen 
überhaupt geworden und die französische Gesetz- 
gebung setzt demgemäß den Konsulardienst organi- 
satorisch in Zusammenhang mit dem diplomatischen! 
Dienst, während dieser Zusammenhang sich im 
deutschen Konsulardienst nur ganz ausnahmsweise 
findet. Den deutschen K. legt das Gesetz die Pflicht 
auf, die Interessen des Reichs in jeder Richtung 
tunlichst zu schützen und zu fördern (G v. 8. 11. 67 
5 1). 
2. K. werden entsendet und empfangen; die 
juristische Betrachtung hat sich demgemäß zu 
richten einerseits auf die Rechtsverhältnisse der 
im Inland fungierenden K. fremder Staaten, 
anderseits auf die durch die inländische Gesetz- 
gebung den in fremden Staaten fun- 
gierenden deutschen K. gestellten Aufgaben. 
Beide Rechtsgebiete sind beherrscht von dem 
Gesichtspunkt der Reziprozität, welchen die 
für das Konsularwesen bestehende weitreichende 
Gemeinsamkeit der Interessen den Staaten 
zur gebieterischen Notwendigkeit macht; mehr- 
fach hat sich auch bereits im Konsularwesen ein 
dem Gesandtschaftswesen analoges internatio- 
nales Herkommen gebildet, und die Entwicklung 
dürfte früher oder später zu einer internationalen. 
Vereinbarung über die Grundlagen des Konsular- 
dienstes, etwa nach Art des Weltpostvereinsver- 
trages, führen. Zur Zeit sind Organisation und 
Dienst der im Auslande tätigen deutschen K. durch 
eine umfassende Reichsgesetzgebung geordnet, 
während für die rechtliche Stellung der fremden 
den „Konsulardienst der wichtigsten Handelsmächte“ bei . 
v. König in der „Zeitschrift für Politik“ 3, 1910, 322—383. 
2. Die Tätigkeit der Konsuln, namentlich 
eine zweckmäßige Gestaltung des amtlichen Nachrichten- 
dienstes; untrennbar davon auch Kritik und Vorschläge zur 
Organisation. Aus der reichlichen Literatur: Stein- 
mann--Bucher, Die Reform des Konsulatswesens aus 
dem volkswirtschaftl. Gesichtspunkte, 1884; Vosberg= 
Rekow, Die Reform des deutschen Konsulatswesens und 
die Errichtung deutscher Handelskammern im Auslande, 
1897; Moritz Schanz, Zielpunkte der Export-Praxis, 1008; 
Harms, Weltwirtschaftliche Ausfgaben der deutschen 
Verw Politik, 1911; v. König (Berichterstattung) im 
BankArch 1911 Nr. 19—22. Gegen die Hervorkehrung der 
kaufmännischen Seite: Camille Jourdan in der Vor- 
rede zu Pillaut, Munuel de droit consulaire 1910. 
I Handel, Haudelskammern)j. 
3. Gegenüber diesen Bestrebungen tritt die Frage nach 
der Stellung des Kon suls im fremden Lande 
z. Z. zurück; hierüber oben ## 1 Ziff. 6 und die sorgfältige 
Studie von Prieß, Befreiungen und Vorrechte der deut- 
schen K. ohne Juriodiktionsstellung, in Annalen d. D. R. 
1910, Heft 10, 11. Neuerdings (Ende 1011) hat jedoch das 
Institut de droit international in Aufnahme früherer Arbei- 
ten einen Sonderausschuß eingesetzt für die „immunités 
diplomatiiines et consulaires“ — als Vorarbeit für die 
3. Haager Friedenskonferenz (Revne de droit international 
43, 1911, S 591, 599). (D. H.1 
Konsuln (Organisation) 
– ––. — — — — 
  
  
— —— — — — — — — — — — —ffl — 
K. im Deutschen Reiche nur vereinzelte gesetzliche 
Vorschriften vorhanden sind; zahlreiche Staats- 
verträge enthalten eine spezielle Regulierung der 
gegenseitigen Beziehungen des Deutschen Reichs 
mit einzelnen Staaten. Solche Staatsverträge 
haben gesetzliche Kraft, es steht demnach rechtlich 
nichts im Wege, daß durch solche die allgemeine 
Gesetzgebung ergänzt, ja selbst abgeändert wird; 
als lex specialis gehen die Verträge der lex gene- 
ralis vor (Zorn 2, 452 f und in Annalen 1882 
S 445, 450, 456). 
3. Die rechtliche Betrachtung der konsularischen 
Funktionen hat von der Tatsache auszugehen, daß 
die K. ihr Amt im Ausland ausüben. Die darin 
liegende starke Abschwächung des das Rechtsleben 
der modernen Staaten beherrschenden Territoriali- 
tätsprinzips war für Laband der Anlaß, die K. 
grundsätzlich als „Ratgeber" ihrer Staatsangehöri- 
gen im Auslande zu konstruieren. Diese Auffassung 
steht im Widerspruch mit der Tatsache der Aus- 
übung bedeutsamer „obrigkeitlicher“ Rechte (Ge- 
richtsbarkeit!) durch die K. und nicht minder mit 
der positiven deutschen Gesetzgebung (vgl. einer- 
seits Laband 3, 12, anderseits Kanngießer, St Ber 
d. R# 1867, 650; Zorn in Krit. VFJSchr., N. F. 2, 
534, in Annalen 1882, 413 und StR 2, 446 f). 
Vielmehr ist die Tätigkeit der K. ein Aus- 
üben amtlicher, und zwar obrigkeit-= 
licher Befugnisse im fremden 
Staat; dies bedarf grundsätzlich einer Er- 
laubnis des fremden Staates. Nach inter- 
nationalem Herkommen wird diese Erlaubnis er- 
teilt in der Form des sog. Exequatur oder 
Plazet. Besondere Sätze des deutschen Rechts 
bestehen hierüber nicht (vgl. jedoch die Allg. 
Dienst Instr v. 6. 6. 71 zu § 1 Nr. 5). Daß das 
Exequatur publiziert werden muß, folgt aus der 
Natur der Sache und geschieht seitens des Reichs 
im Zentralblatt. Eine Rechtspflicht der Erteilung 
des Exequatur besteht für die Staaten nicht. Eine 
Erteilung unter Bedingungen oder Beschrän- 
kungen ist zulässig; so wird z. B. vertragsgemäß 
in einigen asiatischen Staaten fremden K. nur der 
Amtssiyz an bestimmten Orten gestattet. In diesem 
Sinne bestimmt auch das G v. 8. 11. 67 5 1 
Die deutschen K. müssen die durch die Gesetze und 
die Gewohnheiten ihres Amtsbezirks gebotenen 
Schranken einhalten (AD## zu § 1 Nr. 4) und 
weigert beispielsweise fremden K. unbedingt das 
Recht, Eheschließungen vorzunehmen oder eidliche 
Zeugenvernehmungen zu pflegen oder vollends 
Gerichtsbarkeit auszuüben (über einen interessan- 
ten Streitfall zwischen dem Deutschen Reiche und 
der nordamerikanischen Union Zorn 2, 448 1° und 
in Annalen 1882, 4131). 
4. Das Konsularwesen ist Reichs- 
sache (RVa 4 Nr. 7, a 56). Die Einzelstaaten 
haben das Recht, K. zu entsenden, nicht mehr, doch 
ist ihnen inkonsequent das Recht, K. fremder Staa- 
ten zu empfangen, neben dem gleichen Rechte des 
Reichs belassen (bayer. Schlußprotokoll v. 23. 11. 
1870 Nr. XII). Die K. deutscher Einzelstaaten in 
anderen deutschen Einzelstaaten sind eine Spie- 
lerei mit Titeln und fallen außerhalb des Rechts- 
begriffs K. (Laband, Rovue générale de droit 
international public 04, 121 ff). Die Leitung des 
deutschen Konsularwesens gehört verfassungsge- 
mäß dem Kaiser bzw. dem Reichskanz.- 
ler; unter dem RK fungiert das Auswär- 
  
  
 
	        
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