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Konsuln (Gerichtsbarkeit; Aegypten)
Preußens ergangenen Ausführungsbestimmungen
(W 19); doch ist auch das Verfahren vor dem Kon-
sulargericht das amtsgerichtliche wegen Mangels
eines Anwaltsstandes (§§8. 20, 41); die staatsanwalt-
schaftlichen Funktionen im Zivilprozeß fallen teils
weg, teils sind sie einem Rechtsanwalt, einem
andern achtbaren Gerichtseingesessenen oder sonst
im Konsulargerichtsbezirk befindlichen Deutschen
oder Schutzgenossen durch den K. aufzutragen
(* 42). Vgl. oben IV z. A. u. Z. 6.
3. Die freiwillige Gerichtsbarkeit regelt sich nach
den im landrechtlichen Gebiete Preußens gelten-
den Vorschriften (Kons GG 3§#8 191), soweit diese
nicht „Einrichtungen und Verhältnisse voraus-
setzen, an denen es für den Konsulargerichtsbezirk
sehlt“ (§ 20). »
4.JuStrafsachcngiltdicStPOmitfolgcnder
Mafkgabe(§§52ff):derK.übtdieVerrichtungen
des Amtsrichters und des Vorsitzenden der Straf-
kammer aus (§ 52); die staatsanwaltschaftlichen
Funktionen sind teils durch den K. wahrzunehmen,
teils fallen sie weg (I 53, 56); eine eigentliche
Voruntersuchung und Erhebung der öffentlichen
Klage findet nicht statt (&§ 57, 58), sondern nur
das vorbereitende Verfahren und einfache kon-
sularische Verfügung auf Anklage ( 58). Die
Zeugen sind regelmäßig nur bei der Hauptver-
handlung zu beeidigen (§ 54). In schwur= und
reichsgerichtlichen Sachen hat der K. nur das
unbedingt Notwendige zu tun und alsdann die
Akten abzugeben (+ 55). Die Einspruchzfristen
sind auf 2 Wochen erhöht (§ 62, 66).
5. Rechtsmittel in Zivil- und Konkurssachen
sind Berufung und Beschwerde (§ 141); die Ent-
scheidung erfolgt durch das Reichsgericht, ebenso
in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 142).
Wenn der Wert des Streitgegenstandes in den
zur Zuständigkeit des K. gehörenden Zivilsachen
300 Mk. nicht übersteigt, sind Rechtsmittel ausge-
schlossen (& 43).
6. Die gleichen Rechtsmittel sind für Strafsachen
zugelassen (§ 142); ausgeschlossen sind Rechtsmittel
in Uebertretungssachen, wenn eine Verurteilung auf
Grund des &361 Nr. 3—8 Stoh erfolgt oder nur
auf Geldstrafe oder auf Geldstrase und Einziehung
erkannt wird (§63). Berufung ist gegen Urteile
des Konsulargerichtes gestattet; über dieselbe ent-
scheidet das Reichsgericht (§§ 63, 142). Beschwerde
kann erhoben werden gegen Urteile des K. wie
des Konsulargerichts (§§ 102, 1482); über erstere ent-
scheidet das Konsulargericht (§ 102), über letztere
das Reichsgericht (5 142); auf sofortige Beschwerde
kann der R. selbst seine Entscheidung wieder auf-
hoben (F64 Abs 2), andernfalls entschecidet das Kon-
fulargericht, jedoch unter Vorsitz des Erstrichters
(§* 64 Abs 1). Dic der Staatsanwaltschaft zu-
stehenden Rechtsmittel können gegen die Entschei-
dungen des Konsulargerichts vom K. eingelegt
werden (§ 65).
7. Wiederaufnahme des Verfahrens nach den
gesetzlichen Vorschriften ist von Amts wegen mög-
lich (§ 70). Das G über die Entschädigung der im
Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Per-
sonen v. 20. 5.98 findet mit einigen Modifikationen
Anwendung (§5 71).
8. Das Begnadigungsrecht (#Il|0hat der Kaiser,
vorbehaltlich der Sachen, welche durch das Reichs-
gericht einem inländischen Landesgericht über-
wiesen werden (§ 72).
VII. Geldstrafen fließen zur Reichskasse
(§F24 Abs 2). Doch kann durch Kaiserl. Vbestimmt
werden, daß die wegen Zuwiderhandlung gegen
einzelne Gesetze oder Verordnungen verhängten
Geldstrafen einem andern Berechtigten zufallen.
Vgl. die V betr. die Ueberweisung von Geld-
strafen an die deutschen Niederlassungsgemeinden
in Tientsin und Hankau v. 30. 12. 06 (Rl
1907, 1).
VIII. Ueber das Ausweisungsrecht der K.
Band 1, 289.
8 4. Besondere Organisationen (Aegypten:;
Kommunalverbände).
I. In Aegypten hat die Konsularge-
richtsbarkeit eine besondere Ordnung
erfahren. Die für die Türkei in Kraft stehen-
den Vorschriften gelten hier nicht. Konsular-
gerichtsbarkeit besteht fort: a) für die Sachen
der BerufsK., ihrer Familienangehörigen, der
ihnen unterstellten Berufsbeamten und deren
Familienangehörigen sowie der Wohnungen dieser
Personen (V v. 23. 12. 75 bezw. 29. 6. 08 5 5),
ferner der deutschen evangelischen Kirchen und
Schulen in Alexandrien und Kairo, ferner des
deutschen evangelischen Hospitals in Alexandrien,
des Diakonissenhospitals Viktoria in Kairo, der
Niederlassungen der katholischen Schwestern von
der Kongregation des Heiligen Karl Borromäus
in Alexandrien sowie überhaupt aller in Aegypten
errichteten oder künftig zu errichtenden und unter
deutschem Schutze stehenden religiösen Anstalten
ohne Unterschied des Bekenntnisses, soweit die
Korporationsrechte dieser Kirchen und Anstalten
in Frage stehen V # Sa); b) für alle Status-
fragen im Umfange der früheren konsulargericht-
lichen Kompetenz (V §52); c) für Ziovilfachen,
wenn beide Parteien deutsche Reichsangehörige
oder Schutzgenossen sind (§ 1); d) für strafrechtliche
Verletzungen von Beamten der Landesgerichte
auf Antrag derselben; e) für andere Strafsachen,
soweit sie nicht positiv den Landesgerichten über-
wiesen sind (F5 3; V v. 6. 1. 01 §& 1).
Im übrigen hat das Deutsche Reich, wie die übri-
gen Staaten, auf seine eigene Gerichtsbarkeit ver-
zichtet zugunsten der Landesgerichte. Organi-
sation und Verfahren dieser Gerichte beruhen auf
Staatvertrag reglement Torganisation judi-
ciaire pour les procèés mixtes, Text im Annuairo
de I’Institut 1, 321 ff und mit näheren Angaben
bei Fleischmann, Völkerrechtsquellen 138), dessen
Beobachtung fortdauernde Voraussetzung jenes
Verzichtes ist. Die Gerichte erster Instanz sind in
Alexandrien, Kairo, Ismaila (früher
Zagazig), der Appellhof in Alexandrien;
letzterer besteht aus 11 Richtern, von denen 4
Aegypter, die übrigen Angehörige der europäischen
Gronmächte sind und unter Zustimmung der be-
treffenden Landesregierung ernannt werden; einer
der fremden Richter hat den Vorsitz; der Appellhof
entscheidet in Senaten von 8 Mitgliedern, von
denen 5 Europäer sein müssen. Die Gerichte erster
Instanz sind besetzt mit 4 aus= und 3 inländischen
Richtern und entscheiden in Senaten von 5, näm-
lich 3 europäischen und 2 ägyptischen Richtern. In
Handelssachen sind immer 2 Kaufleute beizuzichen,
ein in= und ein ausländischer. Sämtliche Richter
werden formell vom Bizekönig ernannt; ihre
Rechtsprechung erfolgt nach einem besonderen
ägyptischen Landesrecht, das nach dem Muster des