Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
54 Gemeindemitglieder (Württemberg) 
  
angehörigkeit besitzen, das 25. Lebensjahr vollen- 
det haben, öffentliche Armenunterstützung weder 
beziehen noch im Laufe der letzten 2 Jahre bezo- 
gen haben, unbescholten sind, eine direkte Staats- 
steuer von mindestens 3 Mk. entrichten, auf die 
letzten 2 Jahre ihre Staatssteuer und Gem Abga- 
ben, Armen= und Schulanlagen am Orte ihres 
bisherigen Aufenthalts vollständig berichtigt ha- 
ben und entweder im Gem Bezirke ansässig sind 
oder dort seit wenigstens 2 Jahren ihren wesent- 
lichen Wohnort haben oder in einer anderen säch- 
sischen Stadt Gem bis zur Aufgabe ihres bisheri- 
gen Wohnsitzes stimmberechtigte Bürger waren. 
Aus den aufgezählten Erfordernissen ergibt sich, 
daß nur physische Personen Bürger 
werden können; in RStO ( 20 wird dies noch 
besonders ausgesprochen. Das Geschlecht macht 
keinen Unterschied. Der Begriff der Armen- 
unterstützung ist durch G v. 21. 3. 10 (GVBl 60) 
negativ dahin bestimmt, daß er nicht als erfüllt 
anzusehen ist bei Krankenunterstützung; bei An- 
staltspflege, die einem Angehörigen wegen körper- 
licher oder geistiger Gebrechen gewährt wird, bei 
Unterstützung zum Zwecke der Jugendfürsorge, der 
Erziehung oder der Ausbildung für einen Beruf, 
bei anderen Unterstützungen, die nur in Form 
vereinzelter Leistungen zur Hebung einer augen- 
blicklichen Notlage gewährt worden sind und bei 
Unterstützungen, die erstattet worden sind. Als 
„unbescholten“ gilt nach RStO ss 18, 44 nicht, 
wer sich im Konkurs befindet, wer von öffent- 
lichen Aemtern, von der Advokatur oder vom 
Notariat fuspendiert ist, während der Dauer der 
Suspension und der nächsten 5 Jahre, wer sich 
im Verluste der bürgerlichen Ehrenrechte oder 
wegen eines Verbrechens oder Vergehens, das 
nach St GB die Entziehung der Ehrenrechte zur 
Folge haben kann oder muß, in Untersuchung be- 
findet, wer eine Freiheitsstrafe verbüßt oder 
zwangsweise in einer öffentlichen Besserungs= oder 
Arbeitsanstalt untergebracht ist und wer unter po- 
lizeilicher Aufsicht steht. Ob diese Aufzählung er- 
schöpfend ist, ist streitig. Die Frage wird bejaht 
in OVG 16./23. 11. O1, Jahrb 1, 237;: aM. Häpe 
in Schriften d. Ver. f. Soz. Pol. 120 Bd. 4 S 16. 
Die „vollständige Berichtigung" der Steuern usw. 
liegt nicht vor, wenn sie erlassen oder in Wegfall 
gestellt sind (OVG 25. 10. 02, Jahrb 1, 249). 
Das Erfordernis des „Wohnortes“ wird nicht er- 
setzt durch den Betrieb eines selbständigen Gewer- 
bes im Gem Bezirke. Verpflichtet zum Er- 
werbe des Bürgerrechtes sind die zum Erwerb Be- 
rechtigten, die männlichen Geschlechts sind, seit 
3 Jahren im Gemezirke ihren wesentlichen 
Wohnsitz haben und mindestens 9 Mk. an direkten 
Staatssteuern nach den Ansätzen der Ortskataster 
jährlich zu entrichten haben. Ausgenommen sind 
die Mitglieder des Kgl Hauses. Aktive Militär- 
personen sind zum Erwerb nur dann verpflichtet, 
wenn sie sich im Gem Bezirke ansässig machen oder 
darin seit 3 Jahren wesentlich wohnhaft sind und 
ein stehendes Gewerbe betreiben, von dem sie 
mindestens 9 Mk. an direkten Staatssteuern zu 
entrichten haben (V v. 3. 12. 74; Sächs. Wochen- 
blatt 75, 5). 
Forensen sind auswärts wohnende Grund- 
stückseigentüimmer oder Gewerbetreibende. Sie 
können Gem Mitglieder sein, müssen es aber 
nicht. Sie sind cs, wenn sie „selbständig“ (val. 
  
  
oben) sind bezw. (als juristische Personen) eine 
Niederlassung im Gem Bezirke haben. Der Be- 
griff „Forensen“" ist nur für die Gem Steuern von 
Bedeutung, nicht für die Gem Angehörigkeit. 
Als Beweis besonderer Achtung und Dankbar- 
keit kann das Ehren bürgerrecht verliehen 
werden, das als solches weder zu irgend welchen 
Gem Leistungen verpflichtet noch von etwa be- 
stehenden Verbindlichkeiten befreit. Das Bürger- 
gelöbnis leisten Ehrenbürger nicht. 
Verloren wird das Bürgerrecht durch Auf- 
gabe des Wohnsitzes, dafern der Wegziehende im 
Orte weder ansässig bleibt noch eine selbständige 
gewerbliche Niederlassung behält, und durch aus- 
drückliche Verzichtleistung, die jedoch unzulässig 
ist, wenn eine Verpflichtung zum Erwerbe des 
Bürgerrechtes besteht. Die Aufgabe des Wohn- 
sitzes wird angenommen bei willkürlicher, d. h. 
auf freier Entschließung beruhender Ortsabwesen- 
heit von mehr als 2 Jahren. 
Die Gem Mitgliedschaft hat eine doppelte 
Wirkung : sie verpflichtet zur Mittragung der 
Gem Lasten (die Heranziehung von Nichtmitgliedern 
setzt einen von der Aufsichtsbehörde genehmigten 
Beschluß der Gem Organe voraus) und gewährt 
andererseits, sofern gewisse weitere Bedingungen, 
zu denen in den Städten insbesondere der Besitz 
des Bürgerrechtes gehört, erfüllt sind, Stimmbe- 
rechtigung und Wählbarkeit bei den Gem Wahlen 
Gemeindeorganisation. 
St StO 55 14—24, 25—27, 44, 46; Blt0O Art. 1; 
St ood 8 14, 15, 16—18, 33—37. 
Zeyffarth. 
Württemberg 
Neben der auf das Wohnen in der Gemeinde 
sich gründenden allgemeinen Gem Mitgliedschaft, 
die das Recht auf Benützung der Gem Anstalten 
und die Pflicht zur Tragung der Gem Lasten ent- 
hält (anerkannt in a 46 Gem Angehörigkeitsgesetz), 
besteht ein mit besonderen Rechten und Pflichten 
ausgestattetes Gemeindebürgerrecht. 
Das württembergische Recht hat trotz aller An- 
fechtungen noch den Grundsatz der Bürger- 
gemeinde. Das Bürgerrecht steht nicht 
allen in der Gem wohnenden und gewisse Voraus- 
setzungen erfüllenden Personen (Grundsatz der 
Einwohner Gem), sondern nur denjenigen zu, die 
durch Geburt, Verehelichung, Verleihung es er- 
werben; es ist an sich an eine Wohnungnahme in 
der Gem nicht geknüpft, wenn auch seine Aus- 
übung in der Regel hiervon abhängt. Die Gem-O 
hat die Gebühr für die Erteilung des Bür- 
gerrechts ermäßigt (in der Regel von 10 Mk. auf 
2 Mk.), aber den Uebergang zur Einwohner Gem 
nicht gewagt. Der besondere rechtliche Inhalt 
des Gem Bürgerrechts besteht im Stimmrecht in 
Gem Angelegenheiten, in der Wählbarkeit zum 
Gemeinderat und Bürgerausschuß, im Recht der 
Teilnahme an den persönlichen Gem Nutzungen, 
die eine große Rolle spielen, und im Schutz gegen 
Ausweisungen aus der Gemeinde. Erworben 
wird das Gem Bürgerrecht durch Abstammung, 
Legitimation, Verehelichung, Erteilung, Anstel- 
lung als Ortsvorsteher. Die Erteilung setzt das 
württ. Staatsbürgerrecht, die Zurücklegung des 
25. Lebensjahres und die Entrichtung gewisser 
Steuern voraus. Sie steht im Ermessen der Gem,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.