Das preußische Gesetz und ähnlich die Bestimmung
in Sachsen (MinE v. 17. 6. O09) läßt diesen Bazillen-
trägern gegenüber nur zu, daß sie auf die Gefahr,
die sie für die Umgebung bicten, aufmerksam ge-
macht und zur Befolgung von Desinfektionen an-
gehalten werden. Der Typhus ist in allen Bundes-
staaten anzeigepflichtig, in Bayern,
Krankheiten (übertragbare)
Sachsen, Württemberg, Baden, Elsaß-Lothringen;
und mehreren kleineren Staaten auch der Typhus-
verdacht. Der Paratyphus ist dem Typhus
gleich zu behandeln, wie dies für Sachsen in dem
Min E v. 13. 3. 06 hervorgehoben ist.
i) Der Rotz
ist eine K. der Ticre, die nicht so sellen auf die Menschen
übertragen wird, namentlich bei Menschen, die mit kranken
Pferden in Berührung kommen.
Die K. ist anzeigepflichtig, mit Ausnahme von
Sachsen, Lippe und Lübeck.
k) Die Tollwut,
eine nicht selten unter Tieren, namentlich Hunden, vor-
kommende, regelmäßig tödlich verlausende K., wird durch
Bisse ab und zu auf Menschen übertragen. Als Schutz gegen
die Vißverletzungen durch tolle Tiere kommt die möglichst
frühzeitig vorzunehmende Pasteursche Schutzimpfung in
Betracht.
Wutschutzstationen gibt es in Berlin und Bres-
lau. Es besteht Anzeigepflicht für Biß-
verletzungen durch tolle oder der Tollwut verdäch-
tige Tierc in Preußen, Bayern, Württemberg,
Baden und einigen kleineren Staaten.
1) Fleisch-, Wurst= und Fischvergiftung
sind K., die in den letzten Jahrzehnten immer häufiger, zu-
weilen in größerer epidemischer Verbreitung zur Beobach--
tung gekommen sind. Die K. wird durch Bakterien be-
sonderer Art oder durch Giftstoffe von Baktcrien hervor-
gerusen.
Für diese Vergiftungen ist Anzeige vorge-
schrieben in Preußen, Bayern, Württemberg (auch
für Käse= und Konservenvergiftung), Baden (auch
für Vergiftungen durch andere Nahrungsmittel),
Elsaß-Lothringen und mehrere Kleinstaaten.
m) Die Trichinose.
Es ist eine schwerc, oft tödliche Erkrankung, nicht durch Klein-
lebewesen, sondern durch einen Eingeweidewurm, die
Trichina spiralls in Schweinefleisch, hervorgerusen.
Die „Trichinenschau“, in Preußen allgemein,
in andern Staaten wenigstens teilweise eingeführt,
hat zu einer wesentlichen Abnahme der früher
häufigeren K. geführt. In Deutschland kamen
in dem Zeitraum von 1893/1904 insgesamt 42
Fälle davon zur Kenntnis NSchlachtvichbeschauf.
Anzeige pflicht in allen Staaten außer
Sachsen, Hessen und beiden Mecklenburg.
bn) Die Geschlechtskrankheiten ge-
hören zu den verbreitetsten übertragbaren K. über-
haupt; nach einer in Preußen am I. 4. 00 ange-
stellten Erhebung waren an diesem Tage 40 900
Personen der Zivilbevöllerung als geschlechtskrank
in ärztlicher Behandlung. Trotzdem finden diese
K. in den Seuchengesetzen nur eine untergeordnete
Beachtung, was damit zusammenhängt, daß man
sich gescheut hat, durch weitergehende Maßnah=
men in das Familienleben einzugreifen, auch wohl
eine Verheimlichung der Fälle trotz angeordneter
Vorschriften voraussah. Das preußische Seuchen-
gesetz (§ 8 Ziff. 9) läßt zur Verhütung der Weiter-
verbreitung der Geschlechts K. nur eine Beobach-
tung solcher kranker, krantheits= und ansteckungs-
verdächtiger Personen nebst Behandlungszwang
und Absonderung Kranker zu, die gewohnheits-
mäßig Unzucht treiben. Nach einem MinE v.
10. 3. 08 ist jede gewerbsmäßig Unzucht treibende
Person als ansteckungsverdächtig anzusehen. Auch
finden in den meisten oder sämtlichen Staaten
regelmäßige Untersuchungen der Prostituierten
durch besondere Aerzte statt [X Sittenpolizeil.
o) Kehlkopf= und Lungentuber-
kulose, die verbreitetste von allen K., indem
jährlich in Deutschland über 100 000 Menschen,
d. h. 18 auf 10 000 Lebende, daran zugrunde
gehen, wird durch den Kochschen Tuberkelbazillus
hervorgerufen und namentlich durch den Auswurf
verbreitet. In bezug auf die gesetzlichen Maß-
nahmen zu ihrer Bekämpfung steht die K. hinter
den übrigen übertragbaren K. zurück. Die An-
zeigepflicht bezieht sich in Preußen nur auf
Todes fälle; in Bayern, Sachsen, Württemberg,
Baden u. a. Staaten ist auch bei Wohnungs-
wechsel von Personen mit vorgeschrittener
Tuberkulose Anzeige zu erstatten; ferner ist in
Bayern, Baden, Elsaß-Lothringen Anzeige vor-
geschrieben, wenn es sich um Kranke in Unter-
richts-- und ähnlichen Anstalten handelt, in Würt-
temberg, Baden, Elsaß-Lothringen auch dann,
wenn der Kranke mit Rücksicht auf seine Woh-
nungsverhältnisse seine Umgebung hochgradig ge-
fährdet, in verschiedenen Staaten auch, wenn es
sich um Erkrankungen in Anstalten, Herbergen,
Gasthöfen u. dgl. handelt. Eine Desinfektion der
Wohnung ist danach in Preußen nur bei Todes-
fällen zulässig, während in den meisten andern
Staaten dies auch bei gewissen Erkrankungsfällen
möglich ist. In dem preußischen Min E v. 16. 10. 08
wird betont, daß auch bei Wohnungswechsel mög-
lichst eine Desinfektion stattfindet. Mit der Be-
kämpfung der Tuberkulose beschäftigen sich eine
Reihe von Min E, so in Bayern Erl v. 18. 7. 05,
in Sachsen v. 27. 3. 05 und 15. 12. 06, in Würt-
temberg v. 10. 7. 09, in Baden v. 30. 1. 02 und
12. 10. 04.
up) Masern sind eine außerordentlich an-
steckende und weit verbreitete K., die hauptsächlich
Kinder im vorschulpflichtigen Alter und während
der ersten Schuliahre befällt. Die Natur des
Kontagiums ist noch unbekannt. Obgleich die K.
meist milde verläuft, sterben doch in Deutschland
jährlich durchschnittlich etva 13 000 Menschen dar-
an. Da man sich aber bei der starken Ausdehnung
der K. von Absonderungs= ufsw. Maßnahmen
keinen durchgreifenden Erfolg versorechen kann,
so fehlt eine Berücksichtigung der K. in den meisten
Sanitätsgesetzen. Die Anzeigepflicht ist
nur für Hamburg, Lübeck und das Fürstentum
Lübeck vorhanden. Fakultative Anzeige besteht
in Baden, Hessen, Lippe. Todesfälle sind in
Mecklenburg anzugeigen. In PreußLcn ist aber die
K. mit unter den übertragbaren K., für die hin-
sichtlich der Uebertragung durch Schulen besondere
Bestimmungen goetroffen sind.
d) Röteln sind eine masernähnliche, aber
ungefährliche K., für die auf eine Anzeigepflicht
im allgemeinen verzichtet wird (Baden, Hessen,
Mecklenburg fakultative Anzeige). Hinsichtlich der
Schulen gelten in Preußen dieselben Bestim-
mungen wie bei Masern.
r) Keuchhusten, nächst der Tuberkulose
und Diphtherie diejenige K., die in Deutschland
die meisten Opfer fordert (jährlich etva 19 000