Gemeindeorganisation (Preußen)
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ist aber im VerwRechtswege erzwingbar, wenn
in den 3 vorausgegangenen Steuerjahren gewisse
an die Wohnungnahme geknüpfte Steuern ent-
richtet waren.
Besonders verdienten Männern kann das
Ehrenbürgerrechtd verliehen werden, wel-
ches das Recht der Teilnahme an Wahlen, die
Wählbarkeit in den Gemeinderat und Bürger-
ausschuß und Stimmrecht in sonstigen Gem-
Angelegenheiten gewährt, aber keine ökonomi-
schen Vorteile in sich schließt.
Forensen (Ausmärker) haben keine rechtliche
Sonderstellung. Nur gewisse Hochbesteuerte ha-
ben ein Recht der Beschwerde gegen die Etats-
aufstellung.
Verloren wird das Bürgerrecht mit dem Ver-
lust der württ. Staatsangehörigkeit, durch Ver-
zicht, Nichtbezahlung der Rekognitionsgebühr
seitens der nicht im GemBezirk wohnenden
Bürger, Erwerbung eines andern Bürgerrechts,
Verehelichung bei Frauen, Legitimation bei un-
ehelichen Kindern.
Bal. das Gem Angehörigkeitsgesetz v. 16. 6. 85 in der
Ausgabe von Ruck, Verwaltungsrechtliche Gesetze Würt-
tembergs 2, 1911.
Hofacker.
III. Gemeindeorganisation
A. Preußen
4 1. Die Quellen.
I. Die Organe.
* 2. Allgemeines. — 1. Die Gemeindevertre-
tung. 4 3. Gemeindeversammlung. # 4. Gemeindever-
tretung der Landgemeinden. 4 5. Stadtverordnetenver-
sammlung. — 2. Der Gemeindevorstand. 56. Der
Einzelvorstand. 3 7. Der Magistrat. — 3. Zuständig.
keit und Berhältnis der beiden Organe zu
einander, 18. — Anhang:
II. Die Gemeindebeamten.
510. Unbesoldete. 1 11. Besoldete.
g 1. Die Quellen. Dem allgemeinen und auch
von der Gesetzgebung mehrfach verwandten Be-
griff der Gem entspricht in Preußen kein einheit-
liches Gem Recht. Der natürliche Gegensatz länd-
licher und städtischer Siedelungsweise, wie er in
der Verschiedenheit der Wohn= und Lebensver-
hältnisse, der Denkart und selbst der körperlichen
Entwicklung zu beobachten ist, hat vielmehr auch
in rechtlich-organisatorischer Beziehung zu einer
scharfen Scheidung zwischen den lokalen Gebilden
beider, den Stadt= und den Land Gem, geführt.
Und so tief ist dieser Gegensatz im preußischen
Rechtsempfinden nicht nur, sondern auch in dem
Wesen der Dinge selbst begründet, daß sogar die
GemO v. 11. 3. 50 den Gedanken seiner völligen
Aufhebung nicht rein zur Darstellung zu bringen
vermochte, sondern eine unterschiedliche Abwand-
lung des von ihr aufgestellten einheitlichen Gem-
Begriffs doch wenigstens diesseits und jenseits
der Grenze von 1500 Einwohnern für nötig er-
achtete. Charakteristisch für das geltende Gem-
Recht Preußens ist neben diesem materiell-
grundsätzlichen dann noch ein formell-historisches
Moment. Die erste Kodifikation auf diesem Ge-
biet, Steins St O v. 19. 11. 1808, konnte zunächst
* 9. Die Samtgemeinden.
nur für diesenigen Provinzen in Kraft treten, die
damals dem preußischen Staate noch angehörten,
und ist auch später nicht wesentlich über diesen
ursprünglichen Geltungsbereich hinausgedrungen,
während ihre erste Neuredaktion, die StO v.
17. 3. 1831, nach und nach in den größeren Städten
von Posen und Westfalen, Teilen von Sachsen
und in den drei rheinischen Städten Wetzlar,
Essen und Mühlheim Eingang fand. So gilt die
St O v. 30. 5. 53 auch heute noch nur in den 7
östlichen Provinzen der Monarchie, während für
die seit 1808 wieder= und neu erworbenen Landes-
teile zurzeit nicht weniger als 6 verschiedene, teils
mitübernommene, teils neu erlassene StO be-
stehen, und Neu-Vorpommern mit Rügen außer-
dem noch ein besonderes Rechtsgebiet für sich
bildet. Eine ähnliche Entwicklung hat das Recht
der Land Gem genommen, nur daß es hier an
einer gemeinsamen historischen Grundlage fehlt,
und die ersten Kodifikationen nicht für den Osten,
sondern im Westen des Staatsgebiets erfolgt
sind. Zeitlich geordnet kommen hiernach für eine
Darstellung der Gem Organisation in Preußen
folgende Gesetze in Betracht:
I. Städteordnungen:
. v. 30. 5. 53 (GES 261) für die 7 östlichen Provinzen:
Ost. und Westpreußen, Posen, Pommern, Brandenburg,
Schlesien und Sachsen (im Folgenden St C.),
2. v. 19. 3. 56 (6 237) für Westfalen (St O W.),
8. v. 16. 6. 56 (GS 406) für die Rheinprovinz (St O Rh.),
4. v. 24. 6. 58 (Hann. GS 1141) für Hannover (St O Ha.),
5. v. 25. 3. 67 (G 401) für Frankfurt a. M. (St O Fr.),
6. v. 14. 4. 69 (GS 589) für Schleswig-Holstein (St
S.H.),
7. v. 4. —8. 97 (GS 254) für Hessen--Nassau (StO H.N.).
II. Landgemeindeordnungen:
1. v. 23. 7. 45 (68 523) für die Rheinprovinz (LGO Rh.),
2. v. 19. 3. 56 (GS 265) für Westfalen (LGO W.),
3. v. 28. 4. 59 (Hann. G# 393) für Hannover (LG Ha.),
4. v.
O
5
3. 7. 91 (GS# 233) für die 7 östlichen Provinzen
O.),
l v. 4. 7. 92 (GS 147) für Schleswig= Holstein (LG
S.-H.),
6. v. 4. 8. 97 (GS 301) für Hessen-Nassau (L H.N.).
III. Gemein beor bnung
(lür Stadt= und Landgemeinden):
v. 2. 7. 00 (GS 189) für Hohenzollern (Gem O Hoh.).
In Neu- Vorpommern und Rügen gelten in den einzelnen
Städten besondere Rezesse, für welche das G v. 31. 5. 53
(GS 291) nur in gewissen Punkten einheitliches Recht ge-
schaffen hat. Auf sie kann hier nicht weiter eingegangen
werden.
26G
I. Die Organe
2. Allgemeines. Als Körperschaft, d. h.
als willens= und handlungsfähige Rechtspersön-
lichkeit bedarf die Gem der Organe, die ihren
Willen bekunden und handelnd in Taten um-
setzen. Weist aber schon die Gliederung ihrer
persönlichen Grundlage, durch die Reihe der ver-
schiedenen Gem Gesetze gesehen, ein ziemlich
buntes und an Varianten nur zu reiches Bild
[U Gemeindeangehörigel, so zeigt sich
bei der Anordnung ihrer Organe die ganze Viel-
gestaltigkeit preußischen GemRechts in einem
Grade, der eine einheitliche Darstellung nahezu
unmöglich erscheinen läßt. Gemeinsam ist allen
preußischen Gem Gesetzen nur ein grundsätzlich