Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

Kreis (Preußen) 
bei ihrer ersten Einführung (oben & 1 Abs 4) nur als 
Zwecksteuern für bestimmte Zwecke erhoben wer- 
den. Die neuen KrO und das sie ergänzende 
Kommunalabgaben G v. 14. 7. 93 schuf ein nicht 
auf Zwecksteuern beschränktes Steuersystem, be- 
ruhte aber — im Gegensatz zu den Provinzial- 
abgaben — auf Einzelbesteuerung der Steuer- 
pflichtigen. Nach dem jetzt maßgebenden Kreis- 
und Provinzialabgabengesetz v. 
23. 4. 06 werden jedoch die K Steuern in einfacherer 
und zweckmäßigerer Weise im Wege der Kon- 
tingentierung nach dem Maßstabe der Staats- 
einkommensteuer und der staatlich veranlagten 
Real= (Grund-, Gebäude= und Gewerbe-) Steuern 
gemäß dem Stande am 1. Januar des vorange- 
gangenen Rechnungsjahres auf die Gemeinden 
und Gutsbezirke (#| verteilt (Oberverteilung). 
Von ersteren werden sic als Gemeindeabgabe, von 
letzteren nach der vom K Ausschuß bewirkten Ein- 
zelveranlagung aufgebracht (Untervertcilung). Die 
Oberverteilung erfolgt in der Regel nach gleichen 
Prozentsätzen der Einkommensteuer und der Real- 
steuern, doch können bei besonderen Vorteilen so- 
wohl die Prozentsätze für Grundbesitz und Ge- 
werbe geändert, als Mehr= oder Minderbelastungen 
für einzelne Kieile (Gemeinden und Gutsbezirke) 
beschlossen werden. Auch kann der KTag statt der 
staatlich veranlagten Grund= und Gebäudesteuer 
eine besondere vom Küusschuß zu veranlagende 
Grundwertsteuer der Verteilung zugrunde legen. 
Neben den Gemeinden und Gutsbezirken haben 
1. die früher kreissteuerpflichtigen und nicht ge- 
meindesteuerpflichtigen natürlichen Personen (Mit- 
glieder des Kgl Hauses und Standesherrn in den 
Forensalgemeinden), 2. der Ansiedlungsfiskus zur 
KEinkommensteuer unmittelbar beizutragen (§8 7 
bis 13). Abgesehen von den direkten Steuern 
können die K für die im öffentlichen Interesse 
unterhaltenen Veranstaltungen Gebühren und 
Beiträge sowie indirekte Steuern erheben. Die 
Grundsätze entsprechen den für die Gemeindcab- 
gaben ((] Gemeinden] im Kommunalabgaben- 
gesetz gegebenen; die K dürfen jedoch nur Be- 
nutzungs= (nicht auch Verwaltungs-) Gebühren er- 
heben; auch sind die indirekten Steuern nicht wie 
in den Gemeinden allgemein, sondern nur mit 
  
der Umsatzsteuer, der Gast= und Schankwirtschafts- 
erlaubnissteuer und der Hundesteuer zugelassen 
(88 4—6). Die Vorschriften über Rechtemittel, 
Nachforderung, Verjährung und Beitreibung der 
KAbgaben entsprechen gleichfalls den für die Ge- 
meindeabgaben maßgebenden. In den über die 
Einführung von Grundwert= und von indirekten 
Steuern zu erlassenden Steuerordnungen können 
Strafen bis zu 30 Mk. angedroht werden. Diese 
Ordnungen sowie die Beschlüsse über Erhebung von 
  
  
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– 
Beiträgen, von direkten K Stenern, die 50 v. H. 
des Staatssteuersolls übersteigen, und über Mehr- 
oder Minderbelastung bedürfen der Genehmigung 
des Bezirksausschusses, die in einzelnen Fällen 
nur unter Zustimmung der Min erteilt werden 
darf (§& 14—20). 
5 6. Organe des Kreisverbandes sind: 
I. Der Landrat, der als Vorsitender des 
KAusschusses (KrO §& 135) auch die KKommunal= 
verwaltung leitet loben § 3) und der Kreis- 
ausschufß, der gemäß KrO F 134 die KüAnge- 
legenheiten verwaltet. LR und KAusschuß sind 
zugleich Organe der staatlichen Verwaltung. 
Weitere Organe der KVerwaltung bilden der 
KTag, die KKommissionen und die KBeamten. 
II. Der Kreistag ist die den K vertretende 
Versammlung. Die Zahl der Mitglieder beträgt 
mindestens 25 (in den drei neuen Provinzen, in 
Westfalen und den RegBezirken Koblenz und 
Trier 20) und steigt mit der Einwohnerzahl (KrO 
§ 84). Die Mitglieder werden in den drei Ver- 
bänden der größeren Grundbesitzer und Gewerbe- 
treibenden, der Städte und der Landgemeinden 
auf 6 Jahre gewählt. Ihre Verteilung auf den 
Verband der Städte und die beiden anderen Ver- 
bände erfolgt nach der Seelenzahl. Die Zahl der 
Abgeordneten im Verbande der Städte darf nicht 
die Hälfte und, wenn nur eine Stadt vorhanden 
ist, nicht ein Drittel aller Abgeordneten über- 
steigen. Von den auf die beiden anderen Ver- 
bände verteilten Abgeordneten entfällt auf 
jeden Verband die Hälfte. Der Verband der 
größeren Grundbesitzer besteht aus den zu einem 
Mindestsatze (in der Regel 225 Mk.) der Grund- 
und Gebäudesteuer veranlagten Grundbesitzern 
nebst den mit mindestens 300 Mk. in den Gewerbe- 
steuerklassen I und II veranlagten Gewerbetreiben= 
den und Bergwerksbesitzern. Die städtischen Ab- 
geordneten werden, wenn mehrere Städte vor- 
handen sind, auf diese nach der Seelenzahl ver- 
teilt. Im Verbande der Landgemeinden wählen 
neben deren Vertretern die nicht zu den größeren 
Grundbesitzern gehörigen Besitzer selbständiger 
Güter und die in den Gewerbesteuerklassen 1 und 
II mit weniger als 300 Mk. veranlagten Gewerbe- 
treibenden und Bergwerksbesitzer (KrO 88 85 
bis 112). In Westfalen erfolgt die Wahl in diesem 
Verbande durch die Amtsverbände, in der Rhein- 
provinz durch die Bürgermeistereiverbände (§+ 46 
westf. und rhein. Kr O). Die Wahlen erfolgen nach 
einem den Kr O beigegebenen Wahl Regl. Gegen 
das Wahlverfahren kann jedes Mitglied der Wahl- 
versammlung innerhalb zwei Wochen Einspruch 
erheben. Die Beschlußfassung steht dem KTage 
zu, der auch im übrigen über die Legitimation 
seiner Mitglieder beschließt. Gegen den Beschluß 
des Kags über einen Einspruch findet innerhalb 
zwei Wochen die Klage bei dem Bezirksausschuß 
statt (Kr O §#113). Die K agsabgeordneten erhal- 
ten weder Tagegelder noch Reisekosten (Kr O #s114). 
— Einige Abweichungen bestehen für die Provinz 
PosenJl und für Hohenzollern (J (oben § 1 Abs 8). 
Geschäfte des Kreistages. Der 
KTag ist berufen, den K Verband zu vertreten und 
über Küngelegenheiten sowie über sonst durch 
Gesetze oder Kgl Verordnungen ihm überwiesene 
Angelegenheiten zu beschließen. Er ist befugt, 
1. statutarische oder reglementarische Anordnungen. 
zu treffen, 2. über Verteilung kreisweise aufzu- 
bringender Staatsleistungen zu beschließen, 3. über 
die zur Erfüllung einer Verpflichtung oder im 
Interesse des K zu machenden Ausgaben (Ver- 
fügung über das K Vermögen, Aufnahme von An- 
leihen, Aufbringung von Kbgaben) zu beschließen, 
4. den Kaushaltsetat festzustellen und die Rech- 
nung zu entlasten, 5. über Einrichtung von KAem- 
tern und die Zahl und Besoldung der KBeamten 
zu beschließen, 6. die Grundsätze über Verwaltung 
des N Vermögens und der Einrichtungen und 
Anstalten des K festzustellen. — Die Berufung 
geschieht durch den LR. Sie muß mindestens 
zweimal jährlich und außerdem dann erfolgen,
	        
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