Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
56 Gemeinde (III. Organisation) 
  
durchgeführter Dualismus, dergestalt, daß das 
eine, immer als Kollegium gebildete, Organ le- 
diglich auf die Willensbildung sowie auf die 
Kontrolle über die Ausführung seines Willens 
beschränkt bleibt, während diese Ausführung 
selbst, d. h. die eigentliche Verwaltung, ausschließ- 
lich dem anderen vorbehalten ist. Darüber hinaus 
läßt sich kaum noch irgend ein allgemein gültiger 
Satz aufstellen. Das lediglich willenbildende 
Organ ist entweder — und zwar nur in Land Gem 
— die Gesamtheit der stimmberechtigten Mit- 
glieder, die „Gemeindeversammlung“, oder aber 
eine aus ihrer Mitte gewählte beschränkte Per- 
sonenmehrheit, in den Land Sem „Gemeinde- 
vertretung“", in den Städten „Stadtverordneten- 
Versammlung" genannt. Ihr gegenüber steht als 
Vollstrecker des Gem Willens sowie als Vertreter 
der Gem nach außen hin und zugleich als Träger 
der ihr zugewiesenen obrigkeitlichen Funktionen 
der Gem Vorstand, der seinerseits wieder bureau- 
kratisch ((Gemeindevorsteher! „Bürgermeister“) 
oder aber gleichfalls kollegialisch („Magistrat") 
organisiert ist. Je nach dieser oder jener Form 
ist natürlich auch das Verhältnis beider Instanzen 
zu einander verschieden geregelt. Der Einzel- 
Vorstand findet sich regelmäßig in der Land Gem 
sowie in den Städten der Rheinprovinz und ist 
dann als Vorsitzender zugleich auch Mitglied der 
Gem Vertretung, während in den übrigen Städten 
der Monarchie der Stadtverordneten-Versamm- 
lung ein zweites Kollegium als Magistrat koordi- 
niert ist, das entweder mit ihr zusammen unter 
dem Vorsitz des Bürgermeisters (Ha., S-H.) oder 
aber für sich besonders berät und beschließt, wobei 
die Willensbildung der Gem in jedem Falle nur 
durch übereinstimmende Beschlüsse beider Kör- 
perschaften zustande kommt. Unter gewissen Vor- 
aussetzungen kann jedoch der Mag ebenso durch 
einen Einzelvorstand wie der letztere durch eine 
Kollegial-Behörde ersetzt werden, ja mit König- 
licher Genehmigung dürfen sowohl Land= wie 
Stadt-Gem eine grundsätzliche Aenderung ihres 
Rechtscharakters dadurch vornehmen, daß sie von 
der ländlichen zur städtischen Gem Verfassung 
Üübergehen und umgekehrt. 
StO W., Rh. u. H-N. 1; Ha. 4, 130, 131; LGO W. 1 
u. Kr O 21; Ha. 2 und Auss.Bek v. 28. 4. 59, 1 61—63; 
O, S.H., H-N. u. Gem O Hoh. 1. 
  
  
1. Die Gemeindevertretung. 
3. Die Gemeinde-Bersammlung. Daß die 
Willensbildung der Gem durch die Gesamtheit 
aller stimmberechtigten Gem Mitglieder erfoldgt, 
ist nur in Land Gem zulässig und auch da nur, 
solange die Zahl der stimmberechtigten Mitglieder 
nicht eine bestimmte Grenze (18 in W. u. Rh., 
30 in Hoh. u. 40 in den übrigen Landesteilen) 
übersteigt. Doch kann die Einführung einer ge- 
wählten Gem Vertretung in O., S-H., und H-N. 
auch schon bei geringerer Anzahl durch ein, im 
öffentlichen Interesse sogar erzwingbares, Orts- 
statut beschlossen, in W. und einigen Gem der Rh. 
dagegen trotz größerer Anzahl ausgeschlossen wer- 
den, während sie in Ha. überhaupt von dem Willen 
der Beteiligten abhängig ist. Als Kollegium heißt 
die Gesamtheit der stimmberechtigten Gem Mit- 
glieder „Gemeindeversammlung", in Rh. „Ge- 
meinde- oder Schöffenrat". Das Stimmrecht in 
  
dieser Versammlung [[Gemeindeange- 
hörigesl ist nur in Rh. allgemein und gleich. 
In O., S.H., H-N. und Hoh. müssen dagegen 
mindestens 33 sämtlicher Stimmen auf die mit 
Grundbesitz angesessenen Mitglieder der Gem Ver- 
sammlung entfallen, sodaß die Nichtansässigen, 
wenn ihre Zahl ½ der Gesamtzahl übersteigt, ihr 
Stimmrecht nur durch eine jenem Verhältnis 
entsprechende Anzahl von Abgeordneten ausüben 
können, die sie aus ihrer Mitte auf die Dauer von 
6 Jahren zu wählen haben. Auch in W. und Ha. 
dürfen die Nichtansässigen nicht mehr als der 
Gesamtstimmenzahl führen, wofür das Statut 
nähere Festsetzungen zu treffen hat. Außerdem 
aber sind (mit Ausnahme von Hoh.) denjenigen 
Grundbesitzern, die zu bestimmten Sätzen der 
staatlichen Grund= und Gebäudesteuer veranlagt 
sind, entsprechend mehr Stimmen beizulegen, 
deren Festsetzung in O., S-.U. und H-N. vom 
Gesetz, in W. durch Statut getroffen wird. In 
Ha. bilden die Grundlage für die Regelung des 
Stimmenverhältnisses die verschiedenen Klassen 
der in der Gem vorhandenen Höfe und Güter, 
wobei die Nichtansässigen die unterste Klasse 
bilden. Das Stimmrecht des Einzelnen ist „unter 
Berücksichtigung der Konkurrenz zu den Gem- 
Lasten und des Interesses an den Gem Angelegen- 
heiten“ zu bemessen, doch darf es in der Regel 
nicht mehr als ½ desjenigen der sämtlichen Gem- 
Mitglieder betragen. Trägt ein Einzelner aber 
die Hälfte aller Gem Lasten, so ist ihm auf Antrag 
auch ein Stimmrecht bis zur Hälfte zu verleihen, 
ja er kann sogar, wenn sein Beitrag die Hälfte der 
Gem Lasten übersteigt, die Einräumung des aus- 
schließlichen Stimmrechts verlangen, sofern und 
solange die Mehrheit der übrigen Gem Mitglieder 
damit einverstanden ist. Auszuüben ist das Stimm- 
recht regelmaßig in Person, doch wird unter Um- 
ständen, vor allem für Auswärtige, Vertretung 
zugelassen, worüber die verschiedenen Gesetze in 
verschiedener Weise Bestimmung treffen. Für 
die Berufung, Leitung und Beschlußfassung der 
Gem Versammlung gelten dieselben Grundsätze 
wie bei der Gem Vertretung (unten 4). 
Gesetzliche Bestimmungen s. hinter # 4. 
## 4. Die Gemeinde-Vertretung der Landge- 
meinden. Das aus Wahlen hervorgegangene, 
willenbildende Organ der Land Gem heißt „Ge- 
meindevertretung“ (in H-N. auch „Gemeinde"“- 
oder, wie auch in Hoh. „Bürgerausschuß“, in Ha. 
gleichfalls „Gemeindeausschuß" oder „Gemeinde- 
rat“, während es in Rh. u. W. keine von der Gem- 
Versammlung abweichende Bezeichnung führt). 
Es besteht überall aus dem Gem Vorsteher und den 
gewählten „Gemeindeverordneten“ (in Ha. „Aus- 
schußmitgliedern"), zu denen in O., H-N. und Hoh. 
noch die Schöffen, in S-H. der erste Stellvertreter 
des Gem Vorstehers und in Rh. diejenigen, mit 
einem Wohnhause angesessenen, meistbegüterten 
Grundbesitzer, treten, die von ihrem im Gem- 
Bezirk belegenen Grundbesitz zu mindestens 150 
Mk. staatlicher Grund= und Gebäudesteuer ver- 
anlagt sind und die persönlichen Eigenschaften. 
der Meistbeerbten [X Gemeindeangehörigel be- 
sitzen. Ein Viril= Stimmrecht gewisser Güter 
und Höfe kennt auch die LGO Ha. und ein solches 
des Fürsten von Hohenzollern, da, wo sein Grund- 
besitz mehr als ¼ der Gem Grundfläche umfaßt, 
das GemGesetz für Hoh. Wo in H-N. und Hoh. 
 
	        
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