Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Gemeinde (III. 
Organisation) 
  
bestellen ist, in W. und Rh. der Amtmann bezw. 
BM, der sich jedoch durch den Gem Vorsteher 
vertreten lassen kann. Ihm hat jeder Wähler 
mündlich zu Protokoll zu erklären, wem er seine 
Stimme geben will, und dabei so viele Personen 
zu bezeichnen, wie zu wählen sind. Durch Stimm- 
zettel erfolgt die Wahl nur in Hoh. Gewählt sind 
diejenigen, welche die meisten und zugleich die 
Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten 
haben. Ist engere Wahl erforderlich, so sind die 
Wähler dazu besonders zu laden. Von denjenigen 
Personen, welche die meisten Stimmen erhalten 
haben, werden dann soviel auf die engere Wahl 
gebracht, daß die doppelte Anzahl der noch zu 
wählenden Mitglieder erreicht wird. Absolute 
Stimmenmehrheit ist bei der zweiten Wahl nicht 
erforderlich; bei Stimmengleichheit entscheidet 
das Los. Das Ergebnis der Wahlen ist bekannt 
zu machen. Ueber ihre Gültigkeit sowie über et- 
wa erhobene Einsprüche entscheidet die Gem- 
Vertretung und in deren Ermangelung der Gem- 
Vorstand. Gegen einen auf Einspruch ergangenen 
Beschluß ist die Klage im Verw Streitverfahren 
gegeben, die beim Vorhandensein einer Gem Ver- 
tretung auch dem Gem Vorstand zusteht: Zust G 
§5# # 27, 28, 37. Zur Annahme des Amtes als Gem- 
Verordneter sind die stimmberechtigten Gem Mit- 
glieder ebenso verpflichtet, wie zur Uebernahme 
und Verwaltung anderer besoldeter Stellen in 
der Gem: s. u. # 10. 
Der Rechtscharakter der Gen Vertretung 
ist zwar nicht der einer juristischen Person (Rö 
8, 227), wohl aber der einer politischen Körper- 
schaft, deren Beleidigung unter den 8 197 StGB 
fällt, und deren Mitgliedern wegen ihrer in der 
Sitzung getanen Aeußerungen der Schutz des 
# 193 StEhB zukommt. Die Gen Vertretung ist 
fervrer als „Behörde“ anzusehen (Zust G ### 33, 
128), der u. a. das Petitionsrecht des a 32 der VU. 
zusteht, doch fehlt ihren Mitgliedern die Beamten- 
Qualität, da sie zur Gem in keinem Dienstver- 
hältnis stehen. Auch erhalten die letzteren weder 
Gehalt noch Remuneration, sondern höchstens 
Ersatz barer, im Dienste der Gem verwendeter 
Auslagen. Wie der Gem, so sind die Gem Ver- 
ordneten auch ihren Wählern gegenüber an Voll- 
machten und Instruktionen nicht gebunden, viel- 
mehr gilt von ihnen noch heute der berühmte 
Satz der ersten St O: „Das Gesetz und ihre Wahl 
sind ihre Vollmacht, ihre Ueberzeugung und ihre 
Ansicht vom gemeinen Besten der Stadt ihre In- 
struktion, ihr Gewissen aber die Behörde, der sie 
deshalb Rechenschaft zu geben haben. Sie sind 
also im vollsten Sinne Vertreter der ganzen 
Bürgerschaft, mithin so wenig Vertreter des ein- 
zelnen Bezirks, der sie gewählt hat, noch einer 
Korborntan, Zunft usw., zu der sie zufällig ge- 
ören.“ 
Einberufen wird die Gem Vertretung in 
Rh. durch den BM oder mit dessen Genehmi- 
gung durch den Gem Vorsteher, in den übrigen 
Provinzen durch den letzteren, so oft es ihre Ge- 
schäfte erfordern oder — was in W., Ha. und Hoh. 
nicht vorgesehen — der vierte Teil der Mitglieder 
(in Rh. bei einer Gesamtzahl von weniger als 12 
mindestens 3 Mitglieder) darauf anträgt. Es 
können auch regelmäßige Sitzungstage eingesetzt 
werden — in Rh. durch den BM nach Anhörung 
der Gem Vertretung, sonst durch diese selbst —, 
  
  
  
doch muß, von dringenden Fällen abgesehen, auch 
dann die (in Ha. überhaupt nicht vorgesehene) 
Einladungsfrist von 2, in Rh. 3 freien Tagen ge- 
wahrt bleiben. Die Einladung hat im übrigen 
unter Angabe der Beratungsgegenstände in der 
durch die Ortsverfassung (Hoh.: ortsübliche; 
W.: durch Beschluß der Gem Vertretung mit Ge- 
nehmigung des Kreisausschusses) bestimmten Weise 
in Rh. schriftlich zu erfolgen. Die Sitzungen sollen 
nicht, in W. dürfen sie nicht in Wirtshäusern oder 
Schenken abgehalten werden. Sie sind in Hoh. 
öffentlich, in W. und Rh. nichtöffentlich. In Ha. 
können sie öffentlich sein, solange die oberen 
VerwBehörden nicht das Gegenteil anordnen, 
und in den übrigen Provinzen findet eine be- 
schränkte Oeffentlichkeit statt, derart, daß alle zu 
den Gem Abgaben herangezogenen und im Besitz 
der Ehrenrechte befindlichen Männer zugelassen 
werden, die Gem Angehörige oder stimmberechtigte 
Grundbesitzer sind. Beschlußfähig ist die 
Gen Vertretung, wenn mehr als die Hälfte der 
Mitglieder (W.: oder wenigstens 3 der gehörig 
eingeladenen Mitglieder mit Einschluß des Vor- 
sitzenden) zugegen ist. Für die Gem Versammlung 
gilt in Rh. und W. das gleiche, in Hoh. müssen 
entweder sämtliche stimmberechtigten Gem Mit- 
glieder wirklich versammelt oder aber wenigstens 
½ der vorhandenen Stimmen vertreten sein, 
nachdem die Versammlung unter allgemeiner 
Angabe des Zweckes von Haus zu Haus angesagt 
oder aber in herkömmlicher Weise bekannt gemacht 
ist; in den übrigen Provinzen genügt die An- 
wesenheit eines Drittels der stimmberechtigten 
Mitglieder. Nicht Anwesende haben sich den ge- 
faßten Beschlüssen zu unterwerfen, worauf in O., 
S-H. und H-N. ausdrücklich hingewiesen werden 
muß. Wird die Gem Versammlung oder -Vertre- 
tung zum zweiten Male zur Beschlußfassung über 
denselben Gegenstand einberufen, so sind die Er- 
schienenen — worauf bei der Ladung gleichfalls 
besonders aufmerksam zu machen ist — ohne 
Rücksicht auf ihre Anzahl beschlußfähig; nur in 
Rh. beschließt an Stelle des Kollegiums, wenn es 
wieder nicht beschlußfähig ist, der Kreisausschuß. 
Die Beschlüsse sind zu protokollieren; sie werden 
nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen 
gefaßt, wobei im Rh. auch derjenige nicht mit- 
gezählt wird, der zwar abstimmt, aber demnächst 
die Unterzeichnung des Protokolls verweigert. 
Bei Stimmengleichheit entscheidet mit Ausnahme 
von W. die Stimme des Vorsitzenden. Den Vor- 
sitz führt der Gem Vorstand, dem er in W. vom 
Amtmann abgenommen, im Rh. von dem zu- 
nächst berufenen BM übertragen werden kann. 
In beiden Provinzen ist der Gem Vorsteher jedoch 
vom Vorsitz ausgeschlossen, wenn über den Gem- 
Haushalt und die Abnahme der Gemechnung 
verhandelt wird. Amtmann und BM haben 
übrigens ein Stimmrecht nur, wenn sie zugleich 
Gem Vorsteher sind, doch entscheiden sie bei Stim- 
mengleichheit auch, wo das nicht der Fall. An 
Verhandlungen über Rechte und Pflichten der 
Gem darf derjenige nicht teilnehmen, dessen Pri- 
vatinteresse mit dem der Gem in Widerspruch 
steht. Kann aus diesem Grunde ein gültiger Be- 
schluß nicht gefaßt werden, so beschließt an Stelle 
der Gem Vertretung der Kreisausschuß. Wegen 
Vernachlässigung ihrer Pflichten durch Nichter- 
scheinen oder ordnungswidriges Benehmen kön-
	        
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