Kriegssanitätswesen
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Beschlüssen des II. (Frankfurter) Vereinstages
(1880) festgestellt ist. Die Vorbereitung für die
Kufgaben, „die Sicherung einer schnellen KBe-
reitschaft ist die wichtigste Aufgabe der freiwilligen
Krankenpflege im Frieden“ (a 11 D.Fr.K.). Die
vorbereitende Friedenstlätigkeit umfaßt vor allem
folgende Richtungen: die organisatorische (Vereins-
bildung), die Aufstellung eines Mobilisierungs-
planes und Etats, Ausbildung und Schulung
von Personal und Bereitstellung von Material.
1. Die Aufstellung eines Mobilisierungsplanes,
die nur von der Zentralleitung erfolgen kann,
hat den Zweck, in einer „Systematisierung der Lei-
stungen“ festzustellen, was die einzelnen Vereine
tun können und wollen (Aufstellung von Personen-
und Sachetats usw.).
2. In sachlicher Richtung erstreckt sich die
praktische vorbereitende Friedenstätigkeit a) auf
Ausbildung von Personal (neben den geistlichen
Pflegerinnen insbesondere weltliche Pflegerinnen,
durch die Frauenvereine ausgebildet, Johanniter-
orden, und neuerdings (1886) die Genossenschaft
freiwilliger Krankenpfleger im Kriege, anschließend
an das „Rauhe Haus“ bei Hamburg), b) Bereit-
stellung von Sanitäts- und Transportkolonnent frei-
williges Sanitätskorps aus Krieger= und anderen.
Vereinen). c) Ausrüstung von Hilfslazarettzügen
und Bereitstellung von Transportmitteln (Wagen,
Bahren). d) Einrichtung von Vereinslazaretten
schon im Frieden (solche bestehen in Karlsruhe,
Dresden, Loschwitz, Hamburg, Hannover, Bre-
men, Kassel, Berlin). e) Fürsorge für die Depots
(Musterdepots, Museum).
3. Um alles dies zu erreichen ist die organisatori-
sche Tätigkeit von besonderer Bedeutung. Mit dem
Kaiserlichen Kommissar sollen die Hilfskräfte stets in
Fühlung bleiben, und zwar die Vereine vom
roten Kreuz durch ihr Zentralkomitee, das auf
Grund der Uebereinkunft v. 20.4.69 geschaffen und
zufolge Beschl v. 27.55.08 neu organisiert wurde.
Ihm gehören an 26 Landesvereine mit 60 Stim-
men; es entfallen davon auf Preußen 17, Bayern
6, Sachsen und Württemberg je 4, Baden und
Hessen je 3, Mecklenburg und Braunschweig je 2,
Elsaß-Lothringen 3 und die übrigen Vereine je
eine Stimme.
Die Gliederung der Vereine ist z. B. in Prcußen,
Baden u. a. vollständig durchgeführt. Der Va-
terländische Frauenverein umfaßt
in Preußen 2000 Vereine und mehrere Mill. Ver-
mögen. Die Ritterorden verkehren mit der Leitung
durch ihre Vorstände. Die Bevorzugung dieser Ge-
nossenschaften wird kaum je beseitigt werden, da sie
eben mit den bedeutendsten Mitteln eintreten. So
ist der Johanniterorden in Erinnerung an den um
1070 gestifteten gleichnamigen Orden seit 1853 eine
evangelische Adelsgenossenschaft mit dem Haupt-
zweck der Krankenpflege, und es ist wenig bekannt,
daß durch die Mittel, die die etwa 1100 Rechts= und
2000 Ehrenritter aufbringen, 53 Krankenanstalten
mit 3049 Betten (1907: 798 642 Verpflegungs-
tage, Juli 1912: 4679 Personen in 79237 Tagen)
erhalten werden. Außerdem ist seit 1886
die Einrichtung der „Johanniterschwestern“ ins
Leben gerufen. Diese Schwestern sind auf Kosten
des Ordens ausgebildet (seit 1886: 2105) und stehen
für den K Fall zur Verfügung (z. Z. 1174, wovon
2600 adlig), während sonst dem Orden von den
Diakonissenmutterhäusern im K Fall 1548 Schwe-
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch 2. Aufl.
stern zugesichert sind (Joh. Ordensblatt 49 Nr. 4,
April 1908).
IV. die Genfer Konvention
5 10. Die in &5 1 geschilderten Anregungen haben
zur Neugestaltung des gesamten K Sanitätswesens
geführt. Auf der andern Seite ist die Bedeutung
der Genfer Konvention — nunmehr in der Fassung
v. 6. 7. 06 — (RBl 07 S. 279), rein völkerrecht-
lich. Durch sie wurden die in diesem Art. behan-
delten Personen und Anstalten für „neutral“, besser
sind sie jetzt (1906) für „unverletzlich“ erklärt (seront
respectés et protégés). Tiese Bestimmungen sind
schon durch die I. Haager Konferenz (29. 7. 99)
auf den See K ausgedehnt und in der II. Haager
Konferenz v. 18. 10. 07 der Genfer Kon-
vention v. 1906 angepaßt worden. Danach soll Ver-
wundeten und Kranken auch des Feindes Achtung
und Fürsorge zuteil, sollen Sanitätsformationen
und Personal (darunter auch die den Heeren bei-
gegebenen Feldprediger) unter allen Umständen
geschützt werden. Das Gleiche gilt für freiwillige
Hilfsgesellschaften, die von ihrer Regierung aner-
kannt und zur Teilnahme im Sanitätsdienst er-
mächtigt sind, unter der Voraussetzung, daß deren
Personal den militärischen Gesetzen untersteht.
Als äußeres Zeichen der Unverletzlichkeit ist zu
Ehren der Schweiz deren Wappen mit umgekehrten
Farben (rotes Kreuz auf weißem Felde), für
Lazarettschiffe ein besonderer Anstrich gewählt.
Dem Mißbrauch des roten Kreuzes, das bis zum
Beginn dieses Jahrhunderts vielfach von Gewerbe-
treibenden (Heildienern usw.) sowie zur Bezeich=
nung von Arzneimitteln u. a. Waren gebraucht
wurde, wird jetzt auf Grund des R v. 22. 3. 02
(Röl 125) entgegengetreten.
Duellen: K0 v. 27. 1. o7 (Amtl. Ausgabe bel
Mittler: D. B.E. Nr. 21 mit Sachverzeichnis v. G. Schmidt);
Anlagen dazu D. V.E. Nr. 21 a. Zur früheren vgl. Inhalts-
verzeichnis zum A. VBl 1867—1906 S 211. Dienstvor-
schrift für freiw. Krankenpflege (v. 12. 3. 07 (D. V.E. Nr.
413); Krankenträger O (Kt. O)0. Val. Friedenssanitäts O
v. 16. 5. 91; Genfer Konvention und Uebereinkunft d.
Vereine s. oben im Text. Statuten im HB der deutschen
Frauenvereine.
Literatur (fast unübersehbar): 1. Für Geschichte und
allgemeine Uebersicht: Grundriß d. medizin. Polizei für den
Soldatenstand, 1793; Richter, Medizinalwesen der preuß.
Armce, 1860; Gurlt, Gesch. d. intern. u. freiw. Kranken-
pflege, 1873; Prager, Preuß. Militärmedizinalwesen Bd.
1 u. 2, 1875; Löffler, Pr. Militärsanitätswesen, 1866,
1868; Knorr, Entwicklung des Heeressanitätswesens, 1877
bis 79; Ochwadt, Koeilwesen, 1889; L'Homme de
Courbiere, Militärverwaltung 351 ff; Möbius, Grund-
riß des Militärsanitätswesens, 1878; Poten, Milit. Hand-
wörterbuch 3, 248 ff (268 Literatur); 5, 289; 6, 165; 8, 275;
Frölich, Militärmedizin, 1888, S 14, 35, 106 ff, 178 ff,
393 ff, 677—737: Jahresbericht über die Leistungen des Mili-
tärsanitätswesens (seit 1873).— 2. Aus der technisch medizini-
schen Literatur außerdem: F. Esmarchs Schriften (Kriegs-
chirurgische Technik, Verbandplatz, erste Hilse, Kampf der Hu-
manität gegen die Schrecken des K, 1899); Poten 3, 269;
Kirchner, Milit. Gesundheitspolizei, 1896; Reinhardt,
Humanität im K, 1905; Kowalk, Dienstunterricht für ein-
jährig-freiwillige Aerzte usw., 1908; Altgelt, Sanitäts-
dienst im Felde, 1910.— 3. Freiwillige Krankenpflege: Crie-
gern, Das rote Kreuz, 1883; Wichern, Die freiw. Pflege
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