Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

schaffenen, der Gesundung oder Unterhaltung dienenden 
Einrichtungen. Ein Urteil des O# v. 3. 2. 96 (Entsch 13, 
229) und ein solches des Landgerichts Berlin II vom 26. 9. 91 
(Pr. Verw Bl 13, 448) stellten sest, daß die Gemeinden in 
den preußischen Kurorten nicht das Recht hatten, sämt- 
liche sich in ihnen zu Erholungszwecken aufhaltenden Frem- 
den einer K. zu unterwerfen. Infolge dessen wurde ihnen 
dies Recht im Komm Abg G v. 14. 7. 93 ausdrücklich erteilt. 
Andere Bundcsstaaten folgten diesem Beispiel. 
III. Rechtscharakter der Kurtaxe. 
Sie ist entweder 
a) eine privatrechtliche Gegenlei- 
stung für die Benutzung der Kurveranstaltungen 
(Entgelts- oder privatrechtliche K.). Dies ist der 
all: 
1. bei K. der Gemeinden, wenn die von diesen 
erlassenen Kurordnungen die K. lediglich von 
solchen Kurfremden fordern, welche kommunale 
Kurveranstaltungen (z. B. Kurhäuser, Kurprome- 
naden, Badehäuser) benutzen wollen. Kohler 
meint allerdings, daß auch diese „erste Form der 
Kurtaxe" nur „in primitiven Zuständen“ „privat- 
rechtlichen Charakter“ habe, „in entwickelteren 
Verhältnissen“ aber „zur öffentlichrechtlichen Ge- 
bühr“ werde. Indessen wird man dieser Auf- 
fassung (mit Hegelmaier, Scholz und v. Welser) 
nicht zustimmen können; abgesehen von anderen 
Gründen auch schon deshalb, weil nach ihr, wer 
versehentlich einmal eine den Kurgästen reservierte 
Promenade betritt, zur Zahlung der K. verpflich- 
tet, wer unter Benutzung einer fremden Kurkarte 
ein Kurkonzert besucht, aber nur wegen Gebühren- 
hinterziehung zu bestrafen sein würde. 
2. Bei jeder von einer fiskalischen (anders in 
Bayern und Sachsen) oder privaten Kurverwal- 
tung eingeführten K. Die Ansicht von Arndt 
(Verwürch 11, 449), daß in Preußen die Regie- 
rung K. und sonstige Gebühren ohne weiteres 
einführen könne, steht zu dem Steuerbewilligungs- 
rechte des Landtages in Widerspruch. 
b) Oder eine an die Kurortsgemeinde zu zahlende 
Abgabe (öffentlichrechtliche oder Zwangs K.), 
und zwar dann, wenn eine solche Gemeinde, von 
einer gesetzlichen Ermächtigung Ge- 
brauch machend, eine von sämtlichen Kur- 
fremden zu zahlende K. zur Bestreitung der Kur- 
veranstaltungen erhebt. Diese Abgabe ist dem 
herrschenden Sprachgebrauche der Finanzwissen- 
schaft gemäß weder Steuer noch Gebühr und auch 
nicht zu den Zwecksteuern oder zu den Beiträgen 
zu rechnen. Auch juristisch können die für Gebühren 
bestehenden Rechtssätze nur in solchen Staaten auf 
die K. Anwendung finden, wo dies wie in Bayern 
und Sachsen gesetzlich bestimmt ist, also nicht in 
Preußen (J Gemeindeabgaben § 41. 
+ 2. Berhältnis der Zwangskurtare zum 
Reichsrecht. Jastrows Auffassung, daß die Ein- 
führung von Zwangs K. den ## 1 und 8 Frei- 
zügigkeitsG v. 1. 11. 67 widersprechen und des- 
halb ungültig sein würde, hat lange Zeit hindurch 
auch der Kommentator des KAG, Nöll, und neuer- 
dings Bornhak vertreten. Dagegen sprachen Freund 
in den späteren Auflagen der Nöllschen Ausgabe 
des KA“# und namentlich Strutz, Kohler, Ernst 
Scholz und Schön sich dahin aus, daß die Ermäch-- 
tigung der Gemeinden zur Erhebung einer Zwangs- 
K. nicht die dem Landesrecht gezogenen Schranken 
überschreite. Indessen ist nach Freiz. G 5 1 jeder 
Deutsche unbehindert, sich an jedem Orte des Reichs 
Kurtaxe 
–. 
  
  
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aufzuhalten, und nach § 8 ist die Gemeinde zur 
Erhebung von „Abgaben“ bei nur vorübergehen- 
dem Aufenthalte nicht befugt. Diese Vorschrift be- 
schränkt sich weder dem Wortlaute noch dem Sinne 
nach auf Steuern. Indessen läßt sich heute, da fast 
alle größeren Bundesstaaten ihre Kurorte zur Ein- 
führung von ZwangskK. ermächtigt haben und Ge- 
meinden in den verschiedensten Teilen Deutsch- 
lands solche erheben, die Rechtswirkung der 
ZwangsK. dadurch begründen, daß in bezug 
auf sie ein Gewohnheitsrecht (l das Reichsgesetz- 
recht außer Kraft gesetzt habe. Sieht man in je- 
dem dauernd geübten und von den Beteiligten bei 
der Befolgung als Recht empfundenen Brauche ein 
Gewohnheitsrecht, so wird auch die Art der Ein- 
führung der Zwangs K., falls sie nur den landes- 
gesetzlichen Vorschriften entspricht, keinen Einwand 
gegen ihre Rechtmäßigkeit bilden können. Ist 
man aber der Ansicht, daß ein Gewohnheitsrecht, 
namentlich ein solches mit derogatorischer Kraft sich 
im Reichsrecht überhaupt nicht zu entwickeln ver- 
mag, so darf man der Auffassung, daß Zwangs K. 
einführende K. Ordnungen rechtskräftig sind, trotz 
ihrer Verbreitung nicht zustimmen. Man muß 
dann infolge des Freiz.G das Recht zur Ein- 
führung einer Zwangs K. überall dort bestreiten, 
wo diese Abgabe zur Bezahlung von Veranstal- 
tungen verwendet wird, die für die Einheimischen 
infolge des Steigens der Mieten in der Kursaison 
pekuniäre Vorteile, für die Kurgäste höchstens 
Annehmlichkeiten bewirken. Nur wo eine Ge- 
meinde ohne Einführung einer Zwangs K. außer- 
stande wäre, die einfachsten sanitären Vorkeh- 
rungen (wie Einrichtung von Kranken= und Lei- 
enräumen, Beschaffung von Desinfektionsein- 
richtungen usw.) zur Bekämpfung ansteckender 
Krankheiten zu beschaffen, die gerade in Badeorte 
leicht eingeschleppt und in ihnen leicht verbreitet 
werden können, widerspricht die Abgabe unzwei- 
felhaft nicht dem Reichsrecht. Man kann sich 
dafür nämlich darauf berufen, daß ein späteres 
Gesetz als das Freiz. Gesetz, nämlich G behufs Be- 
kämpfung gemeingefährl. Krankh. v. 30. 6. 00 in 
*23, den Landesbehörden das Recht verleiht, die 
Gemeinden dazu anzuhalten, „diejenigen Einrich- 
tungen zu treffen, welche zur Bekämpfung gemein- 
gefährlicher Krankheiten notwendig sind.“ Eine 
Ausf. V des Preuß. Kultus Min zu diesem Gv. 24. 
1. 03 macht auch den Badcorten die erwähnten 
sanitären Vorkehrungen speziell zur Pflicht und 
rät ihnen zur Einführung einer K., „falls sie die 
Kosten nicht aus eigener Kraft aufzubringen ver- 
meinen.“ IJ Krankheiten, übertragbare.) 
# 3. Die einzelnen Staaten. 
I. Preuße n. Nach Komm Abg G 12 können 
„die Gemeinden in Badecorten, klimatischen und 
sonstigen Kurorten für die Herstellung und Unter- 
haltung ihrer zu Kurzwecken getroffenen Veran- 
staltungen" ZwangsK. erheben. Dasselbe Recht 
haben auch selbständige Gutsbezirke (a. M. R. S. 
in Pr VerwBl 16, 94). 
Sowohl die Entgelts- wie die Zwangs K. kann, 
falls der Tarif „von der Aufsichtsbehörde festge- 
stellt“ ist, nach § 90 KAG im VerwzZwangsverfah- 
ren beigetrieben werden. Indessen sind Streitig- 
keiten über die Zahlungspflicht bei einer K., da 
diese nicht zu den in §§ 69, 70 K A= behandelten 
Forderungen der Gemeinden gehört, stets von den 
ordentlichen Gerichten zu entscheiden. So auch
	        
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