Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

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Landesgrenze (Arten, Festlegung) 
  
  
die Abgrenzung gegen Frankreich nach dem 
Frankfurter Frieden v. 10. 5. 71 a 6 und dem 
Protokoll v. 7. 10. 74 (RGBl 123). Ueber Aus- 
pfarrungen aus sächsischen Parochien vgl. a 21 
des Friedensvertrags zwischen Preußen und 
Sachsen v. 21. 10. 66 (unten & 5 a. E.). 
noch Bistümer Bd 1, S 489. 
& 2. Arten und Gestaltung; Festlegung: Schutz 
der Grenze; Behörden. Der Ausdruck „Grenze“ 
(aus dem Slawischen) hat das deutsche Wort 
„Mark“ erst im 14. Jahrhundert zurückgedrängt. 
I. Man pPflegt die G in „natürliche“ und „künst- 
liche“, besser „vertragsmäßige"“, zu scheiden, wo- 
bei man unter den „natürlichen" gewisse durch die 
Bodengestalt gegebene Hindernisse des Verkehrs 
versteht, wie Wasserflächen, Sümpfe, Bergkämme, 
Wälder. Die Unterscheidung ist nicht scharf, da 
von Natur allein keine dieser Flächen das Wesen 
einer G im Rechtssinne hat. Die Unterscheidung 
entspringt dem politischen Streben, die G bis 
„hart an die natürliche G Marke heranzutragen, 
ja diese möglichst noch in sich zu fassen“ (Ratzel). 
Frühere Zeit sieht in der G im wesentlichen das 
trennende Hindernis (Sp# — ögog; engl. mere 
Sumpf oder G, Mark — Wald nach Grimm) und 
richtet die G dementsprechend auf (GMMauer, limes, 
Landwehr). Limes und „Mark" nehmen deshalb 
auch den Sinn von GFläche an. Diese Begren- 
zung ist in der Neuzeit selten geworden (wüster 
Streifen an der Donaumündung nach dem 
Frieden zu Adrianopel 1829), hat aber doch 
noch eine bemerkenswerte Fortbildung erfahren 
in der Schaffung „neutraler“ GZonen, wie im 
2. Karlstader Abkommen zwischen Schweden und 
Norwegen v. 26. 10. 05 (Fleischmann, Staats- 
grundgesectz d. Kgr. Norwegen 1912, 49). Zumeist 
wird allerdings eine neutrale Zone an der G zum 
Verlegenheitsmittel dort wo eine Einigung über 
die G noch nicht zu erzielen war (7 Moresnet; 
auch z. B. Nordwesten der Kolonie Togo 1888 
bis 1899). Absichtlich unbestimmt gelassen ist die G 
zwischen Interessensphären (Uu# d Schutzgebietl(MI. 
In der Gegenwart ist der GSaum ganz über- 
wiegend durch die GLinie abgelöst. Die gerade 
Linie ist allerdings nur ein Notbehelf zu vorläu- 
figer Regelung (Aufteilung Afrikas); zu endgül- 
—□ — — — — — —¡„ —ffl — 
  
tiger Abgrenzung dient der Typ der gegliederten, 
den natürlichen Bedingungen nachgehenden Linie. 
Hierbei sind aus Gründen der Staatssicherheit 
wie zweckmäßiger Verwaltung Abschnürungen 
durch Landzungen oder GWinkel (Prov. Ost- 
preußen, Südostzipfel Bayerns) zu vermeiden, 
noch mehr Abspaltungen in der Form von Ex- 
klaven, wie sie als geschichtliche Ueberbleibsel 
im Verhältnis der deutschen Gliedstaaten nicht 
selten sind. Andererseits hat die GFührung auch 
auf die Stammeszusammenhänge Rücksicht zu 
nehmen, ein für die kolonialen Gcebietsverände- 
rungen leitender Grundsatz (z. B. deutsch-frang. 
Abk. über Acquatorial-Afrika v. 4. 11. 11 a 4). 
Ueber Flüsse als Grenze unten § 3. 
Die Scegrenze l bei Küstenmeer. Das 
Battenmeer wird als Festland behandelt, so daß 
die G bei den friesischen Inseln erst nordscewärts 
beginnt (O BG 43, 286). Vgl. auch a 2 Abs 1 Ut 
über die Fischereipolizei in der Nordsec v. 6. 5. 82. 
Die Zollgrenze (gollinie) fällt zwar 
regelmäßig mit der LG gegen das Ausland zu- 
sammen. Wo die Verhältnisse es erfordern, 
können jedoch einzelne Landesteile von der Zoll- 
linie ausgeschlossen bleiben (VereinszollG # 16 1) 
X Zollwesen, Küstenmeerl]. 
II. Die G sind teils durch unvordenklichen Besitz, 
teils durch Staatsverträge (früher Erbteilungen) 
oder debellatio bestimmt. Die Abgrenzung der 
deutschen Staaten beruht, abgesehen von der 
Verschiebung durch die Kriege 1866 und 1871, 
noch im wesentlichen auf der Wiener Kongreß- 
akte v. 9. 6. 1815 und dem Frankfurter Territorial- 
rezeß v. 20. 7. 1819 nebst deren Anhängen; dazu 
für die G: zwischen Preußen und Sachsen die 
Hauptkonvention v. 18. 8. 1819, Preußen und 
Rußland der G-Traktat v. 4. 3. 35 (GS 69), gegen- 
über Oesterreich mit Bayern Vt v. 30. 1. 44, 
mit Sachsen Haupt G= und Territorialrezeß v. 
5. 3. 48 u. a. m. Die GsLinien sind auch jetzt noch 
nicht allerorten in der wünschenswerten Voll- 
kommenheit festgelegt und finden bis in die neueste 
Zeit Ergänzung (z. B. Vt zwischen Bayern und 
Oesterreich v. 15. 5. 09 für die G gegen Tyrol). 
Ueber die für das gegen wärtige Staa- 
tengebiet in Deutschlandmaßgebende 
Entwicklung des Grenzzuges: 
Allgemein: v. Lancizolle, Uebersicht der deutschen 
Reichestandschafts- und Territorialverhältnisse vor dem franz. 
Revolutionskriege . . und der gegenwärtigen Bestandteile, 
1830; Konr. Kretschmer, Historische Geograpbie 
von Mitteleuropa 1904; Himly, Bistoire de la formation 
territorlale des Etats de 1Europe centrale 21894; vgl. auch 
Curschmann, Ueber den Plan zu einem geschichtl. Atlas 
der östl. Provinzen des preuß. Staates, Histor. Vierteljahrs. 
schrift 12, 1009, S. 1—37. 
Für Preußen vgl. v. Rönne--Zorn 1 4; W. Fix. 
Territorialgeschichte des preuß. Staates", 1884. — Für 
Bayern: Seydel, Bayerisches Staatsrechn, 1884, 1 S 12, 
191; Doeberl, Entwicklungsgeschichte Bayerns (voraus- 
sichtlich in Band II, 1912); seit 1907 besteht ein „Verein 
für Herausgabe eincs historischen Atlasses“ unter Leitung 
von K. Gareis. — Für Sachsen: Otto Mayer, St. 
d. Kgr. Sachsen, 1909, 18. — Württemberg: „Das Kar. 
Württemberg", Allg. Teil (v. Stälin), 1904. — El. 
saß-Lothringen: Bruck, Verfassungs= u. Berw R. v. E.-L. 
1, 1908 J 10. — Wegen der Kolonien 1 Schutzgebiete. 
III. Durch Vermarkung soll die GLinie 
festgehalten werden. Ihre Mittel sind dem Ge- 
lände anzupassen: GSteine, G Pfähle, in unüber- 
sichtlichem Land erhöht, im Walde durch Aus- 
holzung unterstützt, im Wasser Bojen — mit be- 
sonderen Merkmalen (Hoheitszeichen, jetzt ein- 
facher bloß Anfangsbuchstaben der GStaaten) und 
einer fortlaufenden Nummer versehen. Die für 
die Marksteine erforderliche Bodenfläche muß der 
Eigentümer gegen Entschädigung hergeben (pr. G 
v. 7. 10. 65, GS 1033; v. 7. 4. 69, GS 729); 
für Hessen Küchler 3, 238. Die Entwicklung der 
Luftschiffahrt (V)| wird eine entsprechende weiter- 
reichende Kenntlichkeit der G erforderlich machen. 
Der Bergbau kann zu angemessener Kennzeich- 
nung unter Tage nötigen. 
Die Festlegung und Vermarkung erfolgt durch 
eine gemischte Kommission aus der Landesauf- 
nahme kundigen Personen, in der Regel auch 
Offizieren. Grenzbeschreibung, Karte, Steinsetz- 
register vervollständigen die Vermarkung. Zur 
Beschleunigung und Verbilligung wird für die 
Kolonien die „Photokarte“, d. i. Aufnahme vom 
Luftschiffe aus vorgeschlagen (Petermanns Mitteil. 
1911, 34). Die Genehmigung der Linienführung
	        
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