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Landesgrenze (Kondominat)
Gesichtspunkte zur Lösung der Donauversinkungsfrage,
19009 (Manuskript); vgl. Schenkel, Das bad. Wasserrecht",
1902, 531; Reitzenstein 33 f. Verh. d. bad. Landtags:
II. Kammer 5., 6., 7., 8. April, 31. ö. 10 (S 2295, 2340,
2274, 2386 f, 2401, 2403, 2427, 3649); I. Kammer v. 23. 4. 10
(8 387, 398); II. Kammer 5., 6. 3. 12 (S 1399, 1412,
1418 f, 1430, 1472, 1478).
2) Die Ableitungder Ache. Seit 1907 plant Oester-
reich die Tiroler Ache, die unweit Kössen die G nach
Bayern überschreitet und den Chiemsee speist, von
Kössen aus westwärts abzuleiten, sodaß sie unterhalb Kuf.
steine noch auf österreichischem Gebiete in den Inn fließe.
Dadurch droht eine Senkung des Chiemseespiegels und
eine Schwächung des nördlichen Seeabflusses, der Alz,
der in dem System der Ausnutzung der bayrischen Wasser-
kräfte eine bedeutsame Rolle spielt. Oesterreich würde von
dem Plane abstehen, wenn es einen Ausgleich durch eine
Bahnlinie Salzburg-Reichenhall-Lofer erhlelte. Diese Linle
würde aber (und soll) das österreichische Getreide nach der
Schweiz den bayerischen Bahnen entziehen. Daher der
Streit.
Bal. Reitzenstein 23 f; Bbhdl v. bayr. Kammer d.
Aba. v. 29. 1. 10; das Tatsächliche in der Frankfurter 8 v.
90. 3. 10, 11. SG. 11 (Kartenfkizze), 2. 7. 11.
Den richtigen Maßstab für die Beurteilung dieses
neu auftauchenden Fragenkomplexes, der die
Schwierigkeiten des Wasserrechts auf die zwischen-
staatlichen Beziehungen überträgt, wird man aus
den Grundsätzen des Völkerrechts entnehmen
müssen, die zwar einem jeden Staate in seinem
Bereiche die Gebietshoheit zuteilen, die deshalb
aber auch jedem Staate eine Schranke für erheb-
liche beeinträchtigende Einwirkung auf das Ge-
biet des Nachbarstaates setzen. Darnach wird man
bei GFlüssen und Durchgangsflüssen beiden Staa-
ten ein Recht auf unveränderte Erhaltung des
Flusses in seinem natürlichen Verlaufe zuschreiben
müssen, auf Unterlassen solcher Anlagen, die die
Verwertung der Wasserkraft (durch Entziehung,
Verunreinigung usw.) innerhalb des Nachbar-
staates schädigen, auf Mitwirken zu einer Besei-
tigung solcher Aenderungen, auch wenn sie ohne
sein Zutun entstanden sind, nötigenfalls durch
Maßnahmen zum Ersatz des Wassers oder durch
Geldentschädigung. Das ist der rechtliche Reflex
der hydrographischen Einheit des Flußgebietes:
die durch das Wasser bedingten Rechtsverhältnisse
werden zwischen den in verschiedenen Staaten
ansässigen Interessenten möglichst so gestaltet, wie
wenn das Gewässer in seinem ganzen Laufe
einem einzigen Staate angehörte. Der Stand-
punkt des preuß. Obertribunals (78, 307), daß
ausländischen Uferbesitzern der Schutz der preuß.
Wassergesetze nicht gebühre, wird sich nicht auf-
recht erhalten lassen. Für Konzessionierung von
Wasserwerken, die ihre Anlagen in beiden Staaten
haben oder für die Bekämpfung der Hochwasser-
schäden in ihrem Ursprungsbereiche werden die
Staaten zusammenwirken müssen. Solche Grund-
sätze sind schon in den a 20—31 Rheinschiffahrts-
akte v. 17. 10. 68 und aus dem Vt v. 30. 6. 85
zur Regelung der Lachsfischerei im Rhein (Fleisch-
mann, S 81, 208) ersichtlich. Festgelegt sind sie
kürzlich durch Vt zwischen den V. St. v. Amerika
und RKanada v. 11. 1. 09 (Martens, recueil d.
traités III. s. t. 4, 208) für deren gesamten Grenz-
Zug; allgemein sind sie in der Madrider Tagung
des Institut de droit international (1911) im
Anschlusse an Vorschläge von v. Bar for-
muliert worden (vgl. Harburger im „Recht“
15, 315). Sie sind aber auch schon anerkannt in
dem 5. Karlstader Abkommen zwischen Schweden
und Norwegen v. 26. 10. 05 (Fleischmann, Das
Staatsgrundgesetz des Kgr. Norwegen 1912, 56)
in dem weiten Umfange, daß auch die Neben-
flüsse davon ergriffen werden. Ihre Durchführung
erfordert allerdings eine unausgesetzte gegenseitige
Verständigung, wofür zweckmäßig gemeinschaft-
liche internationale Kommissionen ähnlich wie bis-
her für die Schiffahrt bei Rhein (M und Donau
einzurichten wären. Als Vorbild kann die für
die VStaaten von Amerika und Kanada einge-
setzte Kommission dienen.
Bal. Max Huber in der 3 für Bölkerrecht 1, 1906,
S29, 159; v. Ullmann in d. Blättern für administra-
tive Praxis, 1910, 65; Rippold im „Recht- 1910 Sp.
257; v. Bar, Arch f. Rechts- und Wirtschaftsphilosophie 4,
, 417; Annuaire de IInstitut 24, 1911, S 156; Men-
rer, 83 f. Politik 1911, 370; Reitzenstein, Das Recht
der Staaten an gemeinsamen Flüssen, Diss. Würzburg 1911;
Bhdl der Intern. wasserwirtschaftl. Konferenz 1912 (Zürich).
4. Grenzregelung, Grenzändernug (Wir-
kungen), Grenzstreit.
I. G#inien sind nur zeitweilige Ruhepunkte.
Der Gebietsstand kann „geändert“ werden —
konstitutiv —, bes. durch menschlichen Willen auf
europäischem Boden heut seltener zu dem Zwecke
politische Machtverschiebung als aus wirtschaft-
lichen oder militärischen Gründen (so Erwerb von
Wilhelmshaven, von Bremerhaven, für Bahnbau,
Flußregulierungen, Eindeichungen), zuweilen auch,
um Zwitterbildungen wie sog. Kondominate) oder
neutrale Zonen (# 2 1) zu beseitigen. Nicht selten
1) Kondominate, b. l. das colmperium mehrerer Staa-
ten über ein Gebiet, stehen im Widerspruch mit der Ge-
waltbetätigung des modernen Staates; sie sind Reste aus
der Zeit patrimonialer Erbtellungen (das gilt namentlich
für Thüringen) oder auch Notbehelfe bei Gebietsstreitig-
keiten (Moresnet (71, Rittergut Wolde bei Stavenhagen,
aufgeteilt zwischen Preußen und Mecklenburg-Schwerin
durch Bt v. 27. 9. 73, unrichtig Stoerk W# ##### 2, 2).
Aufteilungen von bedeutsameren Kondominaten: Kom-
munionharz zwischen Preußen und Braunschweig durch
Bt v. o. 8. 74, Lippstadt von Lippel I] ganz an Preußen be-
lassen, Vt v. 17. 5. 50, 1 Lauenburg; Bergedorf ging 1867
von Lübeck auf Hamburg!71 allein über. Erst kürzlich ist die
Mitherrschaft von Baden und Hessen Über Kürnbach (zu-
gunsten Badens) durch Vt v. 11. 5. 03 (Baden GBBl 190,
423, Hessen KegBl 1904, 410) oder von Sachsen-Weimar
und Meiningen an den Gemeinden Kranichseld, Stedten
und Hohenfelden gelöst worden: Bt v. 8. 1. 12 (RegB#1
Großh. Sachsen 443). Für die Samoainseln bestand eine
auf die Jurisdiktion beschränkte Mitherrschaft von Deutsch-
land, England und den B. St. von Amerika 1891—1899
(Kolon Ga 1, 656): Kiautschou? I11. Doch sind diese abnor-
men Voerhältnisse keineswegs erloschen, so steht z. B. Bern.
bronn in der Mitherrschaft von Württemberg und Baden.
Politische Gründe führten sogar neuerdings wieder zur
Einrichtung von Kondominaten außerhalb Europas: Sudan
(England-Aegypten, Vi v. 19. 1. 99), Neue Hebriden
(England-Frankreich, Vt v. 27. 2. 00).
Literatur: Ueber den Kommunionharz Achen.
bach und Lahme yer i. b. 8 f. Bergrecht 8, 66; 15, 513;
Ed. Becker, Geschichte des Kondominats zu Kürnbach
bis 1598 (Arch f. hessische Geschichte und Altertumskunde,
Neue Folge 4, 1004 S 1—154); Regierungsvorlagen und
Kammerverhandlungen für Kürnbach und Kranichfeld.