Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

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Landesherr (Thronfolge) 
deutschen Lauch gegenwärtig zahlreiche Rechts- 
besonderheiten. Zum Teil erscheinen die- 
selben als logische Konsequenzen der Monarchen- 
stellung; zum Teil haben sie in dieser wenigstens 
ihren legislatorischen Grund. 
1. Unmittelbar aus dem Begriff der Monarchie 
folgt die Unverantwortlichkeit des L. 
für seine Regierungshandlungen. In der kon- 
stitutionellen Monarchie kann diese Unverantwort- 
lichkeit des Staatsoberhauptes um so sicherer durch- 
geführt werden, als sie ihr Korrelat bezw. ihre 
Korrektur in der Verantwortlichkeit der Min findet. 
Die Rücksicht auf die Würde des Monarchen aber 
bringt es mit sich, daß er überhaupt (auch 
wegen seiner nichtstaatlichen Handlungen) kei- 
ner Bestrafung tl(ebenso keinem polizeilichen 
Zwang) unterliegt. Die deutschen Landesver- 
fassungen (preuß. Vll a 43; bayer. Tit. II §& 1; 
sächs. 5 4; württemb. #§ 4; bad. § 5; hess. a 4 
usw.) geben diesem Rechtsgedanken Ausdruck, in- 
dem sie die Person des L. für „unverletzlich“ 
(meist sogar für „heilig und unverletzlich“) erklären. 
In dieser Beziehung ist auch durch die Unterord- 
nung der Einzelstaaten und ihrer Oberhäupter un- 
ter das Reich nach allgemeiner Annahme keine 
Aenderung eingetreten (vgl. besonders die Mot 
zu § 5 des EG zum deutschen GVG). 
2. Unter der „Unverletzlichkeit“ des L. ist auch 
begriffen erhöhter strafrechtlicher 
Schutz gegen Angriffe auf seine Person. Dieser 
wird gegenwärtig gewährt durch die Bestim- 
mungen des SteB über Hochverrat (§§ 80 ff) und 
über Moajestätsbeleidigung (S§ 94 u. 95, 98 u. 99). 
3. In seinen privatrechtlichen Be- 
ziehungen untersteht der Monarch regelmäßig den 
allgemeinen Normen; jedoch bestehen umfassende 
Ausnahmen von diesem Satze, insbesondere auf 
dem Gebiete des Familienrechts, indem für die 
versonen= und familienrechtlichen 
Verhältnisse des L. die Bestimmungen des Haus- 
rechts in erster Linic maßgebend sind (vgl. be- 
sonders ALR II, 13 F8 17 u. 18). Nach dem Eo 
z. B66Ba 57 finden die Vorschriften des Bü# 
auf die L. überhaupt nur insoweit Anwendung, als 
nicht besondere Vorschriften der Hausverfassungen 
oder der Landesgesetze abweichende Bestimmungen 
enthalten (X Landesherrliches Haus 3cl. 
4. In vermögensrechtlichen Strei- 
tigkeiten nimmt der L. regelmäßig vor den 
ordentlichen Gerichten Recht. Durch das E# #z. 
ZPO 5 ist es untersagt, die Zulässigkeit des 
Rechtswegs für vermögensrechtliche Ansprüche 
Dritter (d.h. von Personen, welche nicht der landes- 
herrlichen Familie angehören) gegen den L. von 
der Einwilligung des letzteren abhängig zu machen. 
In den meisten deutschen Staaten aber hat der L. 
einen privilegierten Gerichtsstand 
(die betr. Vorschriften des Hausrechts resp. des 
Landesrechts sind in Kraft erhalten und auch neue 
derartige Bestimmungen zugelassen durch das E## 
zum deutschen G# # 5. I/ Landesherrliches 
Haus ## 3 d.] 
5. Dem L. kommen die höchsten Ehren- 
rechte zu. Hierher gehört vor allem ein dem 
Titel des Staates (Königreich, Großherzogtum, 
Herzogtum, Fürstentum) konformer Titel (Nönig, 
Großherzog, Herzog, Fürst) nebst dem entsprechen- 
den Prädikat — Majestät für den König, Kal 
Hoheit für den Großherzog, Hoheit für den Herzog, 
  
Durchlaucht für den Fürsten. Neben diesem regel- 
mäßig geführten (sog. kleinen) Titel gebühren dem 
L. noch weitere, auf die geschichtliche Entstehung 
des Staates aus verschiedenen Territorien gegrün- 
dete Titel. Er selbst gebraucht in offiziellen Er- 
lassen von sich das Pronomen der Mehrzahl („Wir“, 
„Unser"), sowie im Eingange der Erlasse das Prä- 
dikat „Von Gottes Gnaden". Ferner kommen ihm 
zu gewisse Insignien seiner Würde und das Recht, 
einen Hofstaat zu halten. Endlich gebühren ihm 
gewisse militärische Ehrenbezeugungen, Fürbitte 
im Kirchengebete und Landestrauer bei seinem 
Ableben. — Die Befugnis des L., öffentliche Aus- 
zeichnungen zu erteilen, gehört aber nach richtiger 
und in der neueren Theorie mehr und mehr durch- 
gedrungener Ansicht nicht zu seinen Ehrenrechten, 
sondern, als Ausfluß der Staatsgewalt, zu seinen 
Regierungsrechten [X Orden und Ehrenzeichen!. 
6. Ueber die pekuniären Rechte des L. 
gegenüber dem Staate TCivilliste. 
B. Erwerb und Verlust der rechtlichen Stellung 
I. Erwerb (Thronfolge) 
# 6. Rechtliche Natur und Rechtsquellen. 
I. Trotz der üblichen Bezeichnung „Erbmonar- 
chie“ und obgleich insbesondere auch die modernen 
Verfassungs-Urkunden (deutsche wie außerdeutsche) 
die Stellung des Herrschers als „erblich“ in einer 
bestimmten Familie bezeichnen, ist doch die Nach- 
folge in diese Stellung keine privatrechtliche Erb- 
folge, sondern eine davon spezifisch verschiedene 
staatsrechtliche Sukzession. Bis in 
die Mitte des 19. Jahrhunderts betrachtete aller- 
dings die Theorie in Deutschland die Nachfolge 
in die Stellung des L. als eine Erbfolge im privat- 
rechtlichen Sinne. Diese Auffassung war wenig- 
stens zur Zeit des früheren Reiches grundsätzlich 
berechtigt, weil die Landeshoheit als Privatrecht 
des landesherrlichen Hauses, als Teil des Haus- 
gutes behandelt wurde; immerhin hatten schon die 
Bestimmungen der Goldenen Bulle sowie die 
der freilich zunächst im Familieninteresse gege- 
benen Hauszesetze über Individnalsukzession (unten 
8 8 1), ferner die fortschreitende Umwandlung 
wenigstens der größeren Territorien in wirkliche 
Staaten für eine andere Auffassung den Grund 
gelegt. Die weitere Ausbildung der deutschen 
Einzelländer zu modernen Staaten, besonders in- 
folge der Erlangung der Souveränctät und der 
Einführung konstitutioneller Ordnungen, hat dann, 
freilich verhältnismäßig spät, zu der Erkenntnis 
geführt, daß der rechtliche Charakter der Thron- 
folge naturgemäß dem ihres Obijekts entsprechen 
muß, daß sie nicht (wie noch H. A. Zachariac 
meinte) dem Gegenstande nach staatsrechtlich, der 
Zuständigkeit nach privatrechtlich sein kann. In 
neuester Zeit ist jedoch diese Anschauung wieder 
lebhaft von verschiedenen Seiten, wenn auch mit 
unzulänglichen Gründen, bekämpft worden und 
vor allem hat Rehm, obgleich er anerkennt, daß 
die Thronfolge ein Gegenstand des Staatsrechts 
geworden ist. sich bemüht, nachzuweisen, daß das 
Recht des landesherrlichen Hauses an der Krone 
unabhängig vom Staate, der noch zur Hälfte 
Patrimonialstaat, geblieben sei. 
II. Da die Thronfolge Sukzession in eine staat- 
liche Stellung ist, so unterliegt sie den Bestim-
	        
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