Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
  
v. 1. 9. 72 a 2); das l. H. im engeren Sinne 
umfaßt nur die unter 2. bezeichneten Familien- 
angehörigen des Landesherrn, nicht aber diesen 
selbst (so z. B. das königl. bayer. Familienstatut 
v. 5. 8. 1819 8 1). Die Gesetze des neuen Reichs 
gebrauchen den Ausdruck durchaus im engeren 
Sinne (vgl. die unten 3c—f gegebenen Zitate). 
— In ganz anderer Weise unterscheidet Rehm 
I. H. im engeren und weiteren Sinn (unten 2. a. E.) 
2. Nicht alle Personen, die nach den allgemeinen 
Bestimmungen des bürgerlichen Rechts zur Fa- 
milie des Landesherrn gehören würden, sind 
Glieder des l. H. oder der landesherrlichen 
Familie. Die Zugehörigkeit zum l. H. steht in 
wesentlichem Zusammenhange mit der Thron- 
folgefähigkeit (a. M. Rehm). Grund- 
sätzlich sind nur diejenigen Personen Mitglieder 
des l. H., die zur ordentlichen agnatischen Thron- 
solge ( Landesherr #§# 7| in dem betreffenden 
Einzelstaat berufen sind oder die mit einer solchen 
Person eine zur Fortpflanzung der Thronfolge- 
fähigkeit rechtlich geeignete Ehe geschlossen haben 
bezw. aus einer derartigen Ehe abstammen. 
Demgemäß zählen alle neueren Hausgesetze über- 
einstimmend zum landesherclichen Haus: 
a) die ebenbürtige Gemahlin des Landesherrn 
sowie die ebenbürtigen Witwen früherer Landes- 
herren laus demselben Hause); 
b) alle Prinzen und Prinzessinnen, die durch 
rechtmäßige Geburt aus ebenbürtiger, hausgesetz- 
lich konsentierter (unten c und §# 4 a) Ehe in 
männlicher Linie von dem gemeinschaftlichen 
Stammvater des Hauses abstammen; 
I) die ebenbürtigen, mit Genehmigung des Lan- 
desherrn als Familienhaupts geehelichten Gemah- 
linnen oder Witwen der unter b) bezeichneten 
Prinzen. 
Die vermöge ihrer Abstammung dem Hause an- 
gehörigen Prinzessinnen (b) sowie die Witwen ver- 
storbener Landesherren (a) oder Prinzen (c) schei- 
den jedoch durch standesgemäße Vermählung mit 
einem Nichtangehörigen des Hauses aus dem Ver- 
Landesherrliches Haus 
  
bande des letzteren aus. Von selbst erlischt ferner 
die Familienangehörigkeit eines Prinzen wie einer 
Prinzessin durch Erwerb der Herrscherstellung in 
einem fremden Staate. Ausschließung eines Mit- 
glieds ist unstatthaft, dagegen freiwilliger Aus- 
tritt zulässig. Mit dem Ausscheiden aus dem 
I. H. hören, abgesehen von dem letzterwähnten 
Falle, nicht alle aus der Mitgliedschaft fließenden 
Rechte und Pflichten auf (hierauf vornehmlich 
gründet Rehm den Begriff des l. H. im weiteren 
Sinne). 
3. Oberhaupt desl. H. ist der Landes- 
herr. Zur Zeit des früheren Deutschen Reichs 
bestand eine Familiengewalt des regierenden 
Herrn, sofern derselbe nicht zugleich ein auseer- 
deutsches Land souverän beherrschte, noch nicht. 
Es konnte daher insbesondere die Autonomie (/ldes 
I. H. — soweit nicht etwa lediglich die Nachkommen 
des Anordnenden verpflichtet werden sollten — 
nur durch übereinstimmenden Beschluß resp. mit 
Konsens der Agnaten ausgeübt werden, und es 
hatte der Landesherr regelmäßig überhaupt kein 
Befehlsrecht gegenüber den Mitgliedern des l. H., 
soweit ein solches nicht auf anderweitigem Rechts- 
titel (insbesondere auf väterlicher oder chemänn- 
licher Gewalt) beruhte. Dagegen seit dem Unter- 
gange des alten Deutschen Reichs und dem Auf- 
  
— — — — — — —Ü c 
steigen der Landesherren zur Souveränität ist in 
allen mit der Staatsoberhauptschaft verbundenen 
deutschen landesherrlichen Familien eine Familien- 
oberhauptschaft mit wichtigen rechtlichen Wir— 
kungen zur Ausbildung gelangt. Kraft derselben 
erscheint der Landesherr als Träger und Organ 
der hausgesetzgebenden Gewalt (gl. M. Gierke; 
a. M. insbes. Rehm) und stehen ihm weitgehende 
Aufsichtsbefugnisse gegenüber den (anderen) Mit- 
gliedern des l. H. zu (Familien= oder Haus- 
gewalt im engeren, technischen Sinne). Je- 
doch haben die übrigen männlichen Mit- 
glieder des l. H. neben dem Familienhaupte eine 
gewisse aktive Berechtigung. Insbesondere kann 
der Landesherr ohne Zustimmung der Agnaten 
keine in deren wohlerworbene Rechte ein- 
greifende haus gesetzliche Bestimmung treffen, 
und meist wird überhaupt die Zustimmung der 
(mündigen) Agnaten für neue hausgesetzliche Be- 
stimmungen eingeholt (erforderlich ist sie nach dem 
oldenburg. Hausgesetz). Zahlreiche neuere Haus- 
gesetze haben die Zuziehung eines, hauptsächlich 
aus sämtlichen mündigen Prinzen des Hauses zu 
bildenden, Familienrates für sonstige An- 
gelegenheiten des l. H. vorgesehen (insbes. königl. 
bayer. Familienstatut v. 5. 8. 1819 Tit. X # 4 ffj; 
königl. württ. Haus G v. 8. 6. 28 a 66; Haus -G 
für das großherzogl. oldenb. Haus v. 1. 9. 72. 
a 15—26, nebst Geschäfts O für den Familienrat 
des großherzogl. Hauses v. 2. 4. 73). 
# 3. Tie Souderrechte der Mitglieder des 
l. H. stehen in nahem Zusammenhange mit den 
Sonderrechten des Landesherrn selbst (X Landes- 
herr § 5), bezw. sind sie diesen nachgebildet. Zum 
Teil findet eine Verschiedenheit der Sonderbe- 
rechtigung zwischen den verschiedenen Mitgliedern 
des l. H. statt; insbesondere kommen dem Kron- 
prinzen und der Gemahlin des Landesherrn teil- 
weise weitergehende Rechte als den übrigen Mit- 
gliedern zu. 
Abgesehen von dem Thronfolgerecht 
Landesherr #&#&# 6—8s, dem Recht auf event. Er- 
langung der Stellung des Regenten und dem 
(in einigen Ländern den großijährigen Agnaten 
gewährten) Recht der Mitwirkung bei der Ent- 
scheidung über die Notwendigkeit einer Regent- 
schaft. Regentschaft, Stellvertretung] stehen 
den Mitgliedern der l. H. insbesondere folgende 
Vorrechte zu: 
a) In den (größeren) deutschen Staaten, in wel- 
chen das Zweikammersystem besteht, sind dic voll- 
jährigen Prinzen des l. GH. Mitglieder der 
ersten Kammer, in Preußen jedoch nur 
vermöge Agl Berufung (V v. 12. 10. 54), die bis- 
her in keinem Falle erfolgt ist. Dagegen gehören 
in Preußen die volljährigen Prinzen von Rechts 
wegen, in Sachsen nur traft Agl Berufung dem 
Staatsrat [(anz in Bayern ist der Kronp#unz 
mit Eintritt seiner Großjährigkeit ipso iure Mitglied 
des Staatsrats, die übrigen männlichen volljäh- 
rigen Nachkommen des Köniqgs können von diesem 
als außerordentliche Mitglieder in den Staatsrat 
berufen werden I“ Landtagl. 
b) Gegen Beleidigung resp. Tätlichkeit kommt 
den Mitgliedern der l. O. ein erhöhter 
strafrechtlicher Schutz zu (StB 96, 
97, 100). 
Jc) Für ihre personen= und familien- 
rechtlichen Verhältnisse gelten vielfach be-
	        
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