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Landwirtschaft (B. Landeskreditkasse in Hessen)
haben ihr Geschäftskreis, ihre Organisation und
die Einzelheiten der Verw Grundsätze durchgrei-
fende Veränderungen erfahren.
I. „Um das Wohl der Landwirtschaft und der
landwirtschaftlichen Bevölkerung durch Erleichte-
rung in der Beschaffung der nötigen Geldmittel
zu befördern“, hatte die Anstalt ursprünglich die
Aufgabe, Darlehen zu gewähren für Wiesen-
kulturen, Bachregulierungen, Entwässerungen und
Zusammenlegungen von Grundstücken und für
Feldweganlagen. Die L. konnte ihre Mittel auch
zur Unterstützung des Baus von Nebenbahnen
und neuen Kreisstraßen (durch Darlehen an Kom-
munalverbände und einzelne Gemeinden) sowie
von gemeindlichen Wasserleitungen zur Verfügung
stellen. Das Min. war endlich ermächtigt, von Fall
zu Fall die Verwendung der Mittel der Kasse
auch zu Darlehen an öffentliche Korporationen
und Private bei Maßregeln gegen Ueberschwem-
mungen sowie für größere Entwässerungsarbeiten
zu gestatten. Z
Durch das obengenannte Gesetz von 1902 (in
Kraft getreten am 15. 1. 03) ist einerseits der Um-
fang ihrer Tätigkeit eingeengt, andererseits er-
weitert worden. Das Bedürfnis der Einschnürung
ergab sich, weil Private sich die Kasse auch für
Nichtmeliorationszwecke dienstbar gemacht hatten,
was bei den damaligen Darlehensbedingungen
(s. u.) eine ungerechtfertigte Belastung der Staats-
kasse bedeutete. Die privaten Kreditbedürfnisse
der landwirtschaftlichen Bevölkerung wurden des-
halb auf die durch G v. 12. 7. 02 neu ins Leben
gerufene Landeshypothekenbank ver-
wiesen, die eine nur aus juristischen Personen des
bffentlichen Rechts zusammengesetzte Aktiengesell-
schaft unter Leitung, Zinsgarantie und über-
ragender Kapitalbeteiligung des Staats bildet und
ohne die Absicht hoher Gewinne sachgemäße Be-
friedigung des privaten Hypothekar= und des
kommunalen Kreditbedarfs bei regelmäßiger Amor-
tisation bezweckt.
Andererseits hatte sich das Bedürfnis gezeigt,
die Aufgaben der Kasse über den Kreis der vor-
stehend genannten Meliorations= und gemein-
nützigen Zwecke auszudehnen auf Darlehen bei
Aufforstungen, bei Errichtung von notwendigen
Schulhäusern sowie nötiger gemeinnütziger An-
stalten, und vor allem zur Förderung des Baus
von Wohnungen I für Minderbemittelte nach
Maßgabe des G v. 7. 8. 02. In letzteren Fällen
tritt die L. übrigens nicht direkt, sondern nur durch
Vermittlung der Gemeinden in Beziehung zu den
Organen privater gemeinnütziger Bautätigkeit.
II. Das Vermögen der L. bildet einen
vom übrigen Staatsvermögen getrennt zu ver-
waltenden Fonds. Seit 1902 ist die Verwal-
tung dem Min Inn unterstellt. Doch wirkt auch
das Finanz Min insofern mit, als es gegen jedes
Darlehen Einspruch erheben kann, wenn und so-
weit die Hergabe den Interessen der Staats-
finanzen zuwiderläuft (a 9), und als es die Staats-
schuldenkasse zur Auszahlung der Darlehenssumme
anweist (a 10).
Ihre Mittel gewann die L. bis zum G v.
1902 aus neuen nach Bedarf auszugebenden staat-
lichen Schuldverschreibungen, während die ordent-
lichen und außerordentlichen Kapitalabträge der
Schuldner zum Rückkauf entsprechender Mengen
von Schuldverschreibungen zu verwenden waren.
Das neue Gesetz konnte im Hinblick auf die künftige
wesentliche Einschränkung der Geschäftstätigreit
die Kasse im Interesse des Staatskredits auf fester
begrenzte Mittel verweisen (a 15), nämlich in erster
Linie auf die (vorläufig ausreichenden) Kapital-
rückzahlungen der Schuldner (geschätzt zu 675 000
Marky), in zweiter auf unbegebene Reste einer 1899
bewilligten Anleihe bis zum Höchstbetrag von
4 Mill. Mk., in letzter Linie auf im Staatsvoran-
schlag vorzusehende Beträge. Die Kassengeschäfte
führt die Staatsschuldenkasse (a 2, 16). Ein et-
ein Defizit wird von der Staatskasse getragen
a
III. Bedingungen der Darlehens-
gewährung. Die L. gewährt nur seitens der
Kasse unkündbare Amortisationsdarlehen. Die
Darlehensempfänger müssen erststellige hypotheka-
rische Sicherheit an inländischen Grundstücken (mit
Ausschluß des Bergwerkseigentums) leisten. Ge-
meinden, weitere Kommunalverbände oder Ge-
sellschaften des öffentlichen Rechts können von
dieser Pflicht befreit werden. Die alsbaldige
Rückzahlung des Darlehens kann gefordert werden,
wenn der Schuldner länger als ein halbes Jahr
im Rückstand bleibt, das Darlehen zu anderen als
vom Gesetz vorgesehenen Zwecken verwendet, in
Konkurs gerät oder wenn die Sicherheit der Hypo-
thek mit oder ohne Schuld des Schuldners ge-
fährdet ist. Die relative Höhe des Darlehens ist
von früher 50 auf 60% des Schätzungswerts der
Unterpfänder erhöht in Anlehnung an das Reichs-
hypothekenbankgesetz von 1899 I7 Hypotheken-
banken] und an die gleichartige Ausdehnung der
Beleihungsgrenze bei landschaftlichen und anderen
Grundkreditinstituten. Bei Meliorationsdarlehen.
hätte unbedenklich noch eine Erweiterung bis zu der
reichsgesetzlichen Grenze zugelassen werden können.
Der Zinsfuß für die Darlehen wurde bis 1902
nicht von Fall zu Fall, also mit Rücksicht auf den
Geldmarkt, sondern für längere Zeit unter Zu-
stimmung der Stände festgesetzt. Ein Sperrgesetz
(v. 4. 10. 99) hatte allerdings die beim damaligen
starken Steigen des Zinsfußes für die Kasse ein-
tretenden Verluste wenigstens für die Zukunft
dadurch beseitigt, daß dem Darlehensempfänger
die jeweilige Kursdifferenz der Staatsschuldver-
schreibungen gegenüber dem Paristand aufge-
bürdet wurde. Mit Recht schreibt das G von 1902
einen beweglichen, allein von der L. zu bestimmen-
den Zinsfuß vor (à 5 Abs 2). Zugrunde gelegt
wird der reelle Zinsfuß der 3 ½90 Staatsschuld-
verschreibungen des Großherzogtums, der sich
aus deren durchschnittlichem Kurswert (einschließ-
lich der durchschnittlichen Begebungskosten) zur
Zeit der Auszahlung des Darlehens berechnet.
Ihm wird ½/1009 zugeschlagen als Aequivalent für
das Riiko des Kursverlustes, das nunmehr die L.
rägt.
Die jährliche Tilgung darf seit 1896 nicht
weniger als 34% der ursprünglichen Darlehens-
summe betragen (a 5 Abs 1). Außerordentliche
Kapitalrückzahlungen können jederzeit in belie-
bigem Umfang nach dreimonatlicher Kündigung
in bar erfolgen (a 13).
Die Auszahlung des Darlehens erfolgt nach dem
Wunsch des Schuldners entweder durch die L
oder durch die für dessen Wohnort zuständige
Lokalkassenstelle in bar oder durch Ueberweisung
im Giroverkehr.