Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
  
vom 8. 5. 07) — Landwirtschaftskammern gebildet 
worden, und zwar für die Provinzen Ostpreußen, 
Westpreußen, Pommern, Brandenburg, Posen, 
Schlesien, Sachsen und Schleswig-Holstein sowie 
für die Reg Bezirke Kassel und Wiesbaden durch 
Kgl V v. 3. 8. 95, für die Provinz Westfalen 
durch Kgl V v. 28. 4. 98, für Hannover und die 
Rheinprovinz durch Kgl V v. 15. 3. 99. 
IV. Die Statuten haben u. a. auch Bestimmung 
darüber zu treffen, wieviel Mitglieder die 
Kammer haben soll und wie diese auf die einzelnen 
Wahlkreise zu verteilen sind. Die Mitgliederzahlen 
schwanken daher auch in den einzelnen Kammer- 
bezirken recht erheblich. Während z. B. in Schle- 
sien 124 vorgesehen sind, besteht die Kammer für 
den Reg Bezirk Wiesbaden aus nur 32 Mitgliedern. 
Die stellenweise hohen Zahlen sind vielfach darauf 
zurückzuführen, daß der Wunsch bestand, alle 
Mitglieder der früheren General= oder Delegier- 
tenversammlungen in die Kammer zu wählen. 
Wählbar zu Mitgliedern der Landwirtschafts- 
kammern sind die Eigentümer, Rutznießer und 
Pächter land= oder forstwirtschaftlich genutzter 
Grundstücke, deren Grundbesitz oder Pachtung im 
Bezirke der Landwirtschaftskammern wenigstens 
den Umpfang einer selbständigen Ackernahrung hat 
oder, für den Fall rein forstwirtschaftlicher Be- 
nutzung zu einem jährlichen Grundsteuerreiner- 
trage von mindestens 150 Mk. veranlagt ist, sowie 
deren gesetzliche Vertreter und Bevollmächtigte. 
Außerdem sind, sofern sie im Bezirke der Kammern 
wohnen, wählbar, frühere Landwirte sowie Per- 
sonen, die mindestens 10 Jahre als Vorstandsmit- 
glieder oder Beamte von landw. und zweckver- 
wandten Vereinen, landw. Genossenschaften und 
Kreditinstituten tätig sind, endlich Personen, denen 
wegen ihrer Verdienste um die Landwirtschaft 
von der Landwirtschaftskammer die Wählbarkeit 
beigelegt ist. Was als selbständige Ackernahrung 
anzusehen ist, muß durch die Satzung bestimmt 
werden, und zwar durch Festlegung eines Mindest- 
maßes des Grundsteuerreinertrages. Dieser ist 
in den verschiedenen Provinzen sehr verschieden 
gewählt worden und schwankt zwischen 60 Mark 
(Pommern und Wiesbaden) und 150 Mark 
(Schleswig-Holstein). Die Wahl der Kammer= 
mitglieder erfolgt nicht etwa durch die zu ihrem 
Bezirke gehörigen Landwirte; vielmehr sind regel- 
mäßig die Landkreise die Wahlbezirke und haben 
die Kreistage die Wahl zu tätigen, wobei aber 
die Kreistagsmitglieder aus dem Wahlverbande 
der Städte nur insoweit an der Wahl teilnehmen, 
als ihnen selbst die passive Wahlfähigkeit beiwohnt. 
Werden Stadt= und Landkreise zu einem Wahl- 
bezirk vereinigt, so werden die Wahlmänner der 
Stadtkreise von der Gemeindevertretung ebenfalls 
aus den passiv Wahlfähigen gewählt. Die Zahl 
der in den einzelnen Wahlbezirken zu wählenden 
Mitglieder soll nach dem Gesetze regelmäßig 2 be- 
tragen, sie schwankt aber in Wirklichkeit zwischen 
2 und 5, so daß überall Kompromisse zwischen 
Groß= und Klein-Grundbesitz möglich sind. Für 
die Ausführung der Wahlen ist durch den Land- 
wirtschafts MRin unterm 7. 8. 95 eine besondere 
Wahlordnung erlassen worden; den Landwirt- 
schaftslammern ist überlassen geblieben, eine 
Aenderung des Wahlverfahrens auf bestimmt im 
Gesetz angegebener Grundlage zu beschlicßen. 
Die Mitglieder werden auf 6 Jahre gewählt. 
Landwirtschaft (D. Berufsvertretungen) 
  
— 
  
  
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V. Alle 3 Jahre wählen sie einen Vorsitzenden 
und dessen Stellvertreter, die mit mindestens 3 wei- 
teren gewählten Mitgliedern den Vorstand 
bilden. Diesen fällt, da die Kammern selbst wegen 
ihrer großen Mitgliederzahl sich nicht allzuoft 
versammeln können, ein großer Teil der Aufgaben 
der Landwirtschaftskammer zu. Sehr wichtig ist 
das Recht der Kammern, einzelne Ausschüsse zu 
bilden und mit besonderen regelmäßigen oder 
vorübergehenden Aufgaben zu betrauen, weil 
hierdurch ermöglich ist, die landw. Kreis= und 
Hauptvereine zu Ausschüssen umzubilden. Die 
Mitglieder der Kammer versehen ihr Amt un- 
entgeltlich, doch kann ihnen eine den baren Aus- 
lagen für die Teilnahme an den Sitzungen oder 
für die Ausführung besonderer Aufträge eine 
entsprechende Entschädigung gewährt werden und 
wird auch tatsächlich von allen Kammern gewährt. 
Die Sitzungen der Kammern sind der Regel 
nach öffentlich; die Tage der Sitzungen der Kam- 
mer und des Vorstandes sind vorher dem Min und 
dem Oberpräsidenten mitzuteilen, die Vertreter 
der Staatsregierung sind jederzeit zum Worte zu 
gestatten. 
Die Vertretung der Kammer — die die 
rechtliche Stellung einer Korporation hat — 
nach außen hin erfolgt durch den Vorsitzenden 
oder seinen Stellvertreter, von denen auch die die 
Kammer verpflichtenden Urkunden in Gemeinschaft 
mit noch einem Mitgliede des Vorstandes zu voll- 
ziehen sind. Als Siegel führt die Kammer den 
preußischen Adler, ihre Beamten sind mittelbare 
Staatsbeamte. Durch Kgl Verordnung kann eine 
Kammer auf den Antrag des Staats Min aufge- 
löst werden, es sind dann Neuwahlen innerhalb 
3 Monaten vom Tage der Auflösung an vorzu- 
nehmen, innerhalb 6 Monaten nach der Auf- 
lösung muß die neu gewählte Kammer berufen 
werden. 
b) Tätigkeit und Aufwendungen. 
Die Landwirtschaftskammern haben auf den 
ihnen überwiesenen Gebieten eine rege Tätigkeit 
entfaltet, die noch von Jahr zu Jahr zunimmt. 
Trotzdem hat aber das landw. Vereinswesen nicht 
etwa, wie früher befürchtet wurde, Einbuße er- 
litten, vielmehr hat es sich auch immer mehr ge- 
hoben. Wie groß die Summen sind, die jährlich 
von den Landwirtschaftskammern aus Steuern 
aufgebracht werden, wieviel Beihilfen ihnen vom 
Staate überwiesen, welche Beträge somit im 
ganzen von ihnen verwendet werden, zeigt die 
Zusammenstellung auf Seite 755. 
Die der Landwirtschaftskammer durch ihre ge- 
samte Geschäftsführung entstehenden Kosten 
werden, soweit sie nicht durch Staatszuschüsse ge- 
deckt werden, auf sämtliche beteiligte aktiven Land- 
wirte, denen die passive Wahl-Fähigkeit beige- 
legt ist, nach Maßgabe des Grundsteuerreiner- 
trages ihrer Besitzungen umgelegt; doch dürfen 
die Umlagen nur in außerordentlichen Fällen und 
nur mit Genehmigung des Min ½0 übersteigen. 
Diese Beiträge stehen den öffentlichen Lasten 
gleich und werden wie diese eingezogen. Sofern 
es sich um die Kosten solcher Einrichtungen und 
Maßnahmen handelt, welche in besonders hervor- 
ragendem oder in besonders geringem Maße 
einzelnen Wahlbezirken zugute kommen, kann die 
Kammer mit Genehmigung des Min auf Antrag 
der Mehrheit der Vertreter der betr. Bezirke eine 
 
	        
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