Diese Erweiterungen und Neugründungen hiel-
ten sich aber nicht überall auch nur in den Grenzen
der Aufnahme fähigkeit der Bevölkerung der Mittel-
und Kleinstaaten. Die Folge war, daß diese L. ihre
Lose zum großen Teile — die hessisch-thüringische
z. B. wohl zu etwa 800% — außerhalb ihres Gebiets
abzusetzen suchen mußten, wozu ein umfangreiches
und kostspieliges Offerten= und Reklamewesen nötig
war. Als das nächstliegende und geeignetste Ab-
satzgebiet für die im eigenen nicht unterzubringen-
den Lose bot sich Preußen, weil dessen eigene L.
einen verhältnismäßig kleinen, der Aufnahme-
fähigkeit des L. Gebiets nicht entsprechenden Um-
fang hatte — das Spielkapital der beiden jährlich
auszuspielenden L. zusammen stellte sich auf den
Kopf der Bevölkerung des Zulassungsgebiets in
Preußen auf etwa 2½ Mk. gegen 10, 20 bis zu
60 Mk. bei den andern deutschen Staats L. — und
seine Strafbestimmungen gegen den Vertrieb
fremder Lose (G v. 29. 7. 85) unzureichend waren.
Da überdies der Plan der preußischen Klassen L.
für Spieler, die nur auf hohe Gewinne sehen, nicht
so verlockend, auch veraltet war, so kam es schließlich
dahin, daß anfangs des 20. Jahrh., als noch dazu
die Wirtschaftslage sich vorübergehend ungünstiger
gestaltete, die preußische L. ihr im Verhältnis zur
ufnahmefähigkeit ihres Gebiets kleine Losezahl
nicht mehr voll absetzen konnte, weil Preußen mit
fremden Losen überschwemmt war.
Eine tatkräftige L. Politik bahnte Preußen 1903
an. Ein neuer Spielplan wurde eingeführt, der
durch Vermehrung der Klassen von 4 auf 5, eine
geringe Erhöhung des Losepreises und einen
Staatszuschuß bessere Gewinnaussichten eröffnete,
und unterm 29.-. 8. 04 ein neues L. Strafgesetz
erlassen, das vor allem den Grundsatz des fort-
gesetzten Delikts ausschloß. Dadurch sollte Preu-
ßen von den fremden Losen gesäubert, und es
sollten die andern deutschen L. Staaten vor die
Alternative gestellt werden, entweder ihre L. ein-
zuschränken oder sich mit Preußen zu verständigen.
#§ 4. Die preußischen Lotterieverträge. Diese
Wirkung wurde alsbald erzielt: auf Ansuchen der
betreffenden Staaten 1) schloß Preußen am 28.
11. 04 mit Mecklenburg-Schwerin,
am 7. 12. 04 mit Lübeck, (beide Verträge in
Kraft seit 1. 7. 05), am 17. 6. 05 (in KRraft
seit 1. 6. 06) mit den Staaten der hessisch-
thüringischen Lotteriegemein-
schaft und am 18. 5. 06 (in Kraft seit 1. C. 09)
mit Braunschweig Staatsverträge
„zur Regelung der Lotteriever-
hältnisse“ ab. Durch diese Verträge ver-
pflichteten sich diese Staaten gegen ihnen von
Preußen zu gewährende jährliche Renten ihre
eigenen Staats L. einzustellen und ausschließlich
die preußische in ihren Gebieten zuzulassen, auch
Privat L. mit gewissen Ausnahmen nur mit Zu-
stimmung Preußens zu gestatten und ihre L. Straf-
gesetzgebung im wesentlichen in Einklang mit der
preußischen zu bringen. Seit dem 1. 6. O9 be-
stehen also in Deutschland neben der preuß i-
schen nur noch die sächsische und ham-
burgische StaatsL. In derselben Zeit und
1) Es ist eine irrige Meinung, Preußen habe die Initia-
tive zu den Verhandlungen ergrissen: es ist dies auch nicht
einem einzigen Lotteriestaat gegenüber geschehen, sondern
Preußen hat in allen Fallen das Herantreten der andern
abgewartet.
Lotterie
unter, abgesehen von der nicht in Frage kommen-
den Einstellung einer eigenen L., gleichartigen
Bedingungen, wie mit Mecklenburg, Lübeck, den
hessisch-thüringischen Staaten und Braunschweig
schloß Preußen auch L. Verträge mit Mecklen-
burg-Strelitz (3. 12. 04), Reuß j. L.
(30. 5. 05), Oldenburg (9. 12. 05), Bre-
men (18. 5. 06) und Waldeck (22. 4. 07).
Von diesen Staaten hatten bisher Reuß die
sächsische, Oldenburg die hessisch-thüringische, Bre-
men die braunschweigische Staats L. gegen Ren-
ten bei sich zugelassen, während Mecklenburg-
Strelitz allen L. offen stand, in Waldeck keine
Staats L. zugelassen war. Durch die Verträge
mit Preußen erlangten alle diese Staaten erheb-
liche finanzielle Vorteile gegenüber dem bisheri-
gen Zustand und sicherte sich Preußen gegen eine
etwaige neue Konkurrenz von dorther. Wie in
manchen andern Einzelheiten, so weichen diese
neun L. Verträge namentlich hinsichtlich der Be-
messung der Renten von einander ab: Lübeck,
Reuß und Waldeck erhalten absolut feste Renten,
während in den Verträgen mit den übrigen Staaten
die Renten teils nach dem Loseabsatz in dem betref-
fenden Staate, teils nach der Bevölkerungsziffer
beweglich sind, meist jedoch nur unter Fixierung
eines bestimmten Mindest= oder Höchstbetrages
und teilweise erst nach Ablauf einer begrenzten
Reihe von Jahren, für die die Rente festgelegt
ist (vgl. § 5 III). Neuerdings sind endlich auch
zwischen Preußen einerseits, Elsaß-Loth-
ringen (28. 4. 10) und Bayern, Würt-
temberg und Baden (29. 7. 11) anderer-
seits auf dringendes, finanziellen Schwierigkeiten
entspringendes Verlangen dieser Staaten Ver-
träge abgeschlossen worden. Derjenige mit Elsaß-
Lothringen bewegt sich völlig im Gleise der
früheren. Dagegen entfernt sich der Vertrag mit
Bayern, Württemberg und Baden insofern weit
von den übrigen, als er diesen Staaten durch
Stellung eines Mitglieds zur preußischen General=
L. Direktion und selbständige Bestellung der L.=
Einnehmer in ihren Gebieten u. a. eine Mit-
wirkung in der Verwaltung einräumt, ihnen nicht
Renten, sondern „Anteile an dem Ertrage“" der L.
gewährt, die sogar ihre Bezeichnung als „preu-
ßische“ verliert und nun „preußisch-süddeutsche“
heißt. Trotz der für die süddeutschen Staaten
ebenso vorteilhaften wie für Preußen nachteiligen
Bedingungen hat der bayerische Landtag erst nach
einer erstmaligen Ablehnung seitens der II. Kam-
mer dem Vertrage zugestimmt. Er ist daher
Bayern gegenüber erst Ende 1912 in Kraft ge-
treten, gegenüber den beiden andern süddeutschen
Staaten schon mit dem vereinbarten Termin,
1. 7. 12. Die Verträge sind auf verschiedene
Dauer abgeschlossen, lausen aber mangels Kündi-
gung weiter. Es umfaßt somit nunmehr das
Gebiet der preußisch-süddeutschen L. ganz Deutsch-
land mit Ausnahme von Sachsen (unten # 7)
und Hamburg#9.
1) Die hamburgische Stadt L. besteht bereits seit 1696.
Sie ist verpachtet und wirft für den Staat (1913) 3,5 Mill.
Mark ab. Auf ein näheres Eingehen auf sie mit ihrem z. T.
eigenartigen Plan mußte Versasser auf Wunsch des Heraus-
gebere wegen Raummangels verzichten. Ebenso aus demscl-
ben Grunde auf eine Beurteliung der preußischen L. Verträge;
ral. dieserhalb die in der Literamrangabe au geführten Auf-
sätze des Verfassers.