806
Mädchenschulwesen (höheres) — Mahl= und Schlachtsteuer
Sachsen in Form eines Gesetzes am 16. 6. 10
(Ausführungs V v. 8. 12. 10), Hessen am
16. 1. 11 (Darmstädter 8 Nr. 13), Hamburg
hat Ostern 1910 zwei staatliche Lyzee#n nach modifi-
ziertem preußischen Plan errichtet, Mecklen-
burg hat sich im Jahre 1910 ganz der preußischen
Reform angeschlossen. Auch in den erstgenannten
drei Bundesstaaten sind die Abweichungen von
den preußischen Plänen nicht sehr erheblich.
Bayern schließt die höhere MSch an die Volks-
schule an, gestaltet sie aber dann ähnlich der Real-
schule. Bemerkenswert ist, daß Sachsen neben der
sechsklassigen Studienanstalt (gymnasialer und
realgymnasialer Richtung) auch einen an die voll-
endete höhere MSch anschließenden oberreal-
schulartigen Oberbau, mit Lateinunterricht,
zugelassen hat. Ebenso Hessen. In Baden
sind die MSch Verhältnisse neuerdings nicht ge-
ändert, da dort schon seit geraumer Zeit die höhere
Wch alle die Vorteile hatte, die ihr in Nord-
deutschland erst durch die Neuordnung zuteil ge-
worden sind (§ 1 Abs. 2) — Koedukation vgl. 5§ 6.
Ueber alle Verhältnisse der einzelnen Bundes-
staaten gibt genaue Auskunft der Aufsatz von
Schnell in der „Frauenbildung“, 10. Jahrg. (1911)
Heft 7/8 S 317—333.
Literatur: Haudbuch des höheren M. Heraus-
gegeben von Wychgranm, 1897; Marttn, Das höhere
M. in Deuschland, 1906; Lange-Bäumer, HB der
Frauenbewegung. Bd. 3: Der Stand der Frauenbildung
in den Kulturländern, 1902; Güldner, Die höheren Lehr-
anstalten für die weibliche Jugend in Preußen, 1909 chier
eine übersichtliche Darstellung der Berechtigungen der ein-
zelnen Lehranstalten): Wychgram, Vorträge und Auf-
sätze zum M., 1907; Gaudig, Das höhere M. in der
„Kultur der Gegenwart“ Bd. 1; Wychgram, Das höhere
Unterrichtswesen in Deutschland, 1912, S40—66; Schnell,
Vergleichende Uebersicht des M. in den deutschen Einzel-
staaten, in der 8 „Frauenbildung" Jahrg. 1011 Heft 7/8.
Weitere Literatur 1 Frau, Unterrichtswesen (höheres).
Zeitschriften: Frauen bildung, herausgegeben von
Wychgram (seit 1902); Die höheren Mädchen-
schulen, herausgegeben von Güldner (seit 1887); Die
Lehrerin, herausgegeben von Marg. Treuge (seit 1883).
Wychgram.
Magistrat
Gemeinde (Organisation) S. 63, 72, 95
Mahl= und Schlachtstener
* 1. Allgemeines und reichsgesetzliche Beschränkung.
* 2. Die Steuern in Preußen, Sachsen, Baden.
# 1. Allgemeines und reichsgesetzliche Be-
schränkungen. Die aus den Konsumtionsakzisen
hervorgegangenen Verbrauchssteuern auf Mahl-
produkte und Fleisch werden wegen ihrer ge-
schichtlich mehrfach vorgekommenen gemeinschaft-
lichen Regelung meist zusammen genannt trotz-
dem ihnen nur das gemeinsam ist, daß sie wichtige
Lebensmittel treffen. Die Besteuerung dieser
beiden wichtigsten Gruppen von Nahrungsmitteln
kann durch Zölle, sowie durch staatliche und lokale
Binnenabgaben auf Getreide und seine Produkte
wie auf Vieh und Fleisch erfolgen. Bei der
M. und S. denkt man aber nicht an Grenzzölle,
sondern an innere Abgaben, die in verschiedenen
Formen vorhanten sind. Besonders hat man sie
als städtische Oktrois in den geschlossenen Städten
erhoben (obgleich sie dabei auch Staatssteuern sein
können), während das flache Land aus steuertech-
nischen Gründen von ihnen frei blieb. Beiden
Steuerarten stehen schwere wirtschaftliche und
sozialpolitische Bedenken gegenüber, da sie den
notwendigen Lebensbedarf belasten und in keiner
Weise der Leistungsfähigkeit der Steuerzahler an-
gepaßt sind. Ihr heute vor allem als Staats= aber
auch als Gemeindesteuer selteneres Vorkommen
ist eine Folge der Anerkennung moderner finanz-
politischer Grundsätze.
In der deutschen Steuergesetzgebung, sowohl der
Staaten wie der Gemeinden, spielte die M. und S.
früher eine nicht unwichtige Rolle. Zur Zeit wer-
den nach der Beseitigung der preußischen staat-
lichen M. und S. (§ 2) nur noch in Sachsen eine
staatliche Fleisch= und Schlachtsteuer und in Baden
eine staatliche Fleischsteuer erhoben. Die inneren
Verbrauchsabgaben sind bereits durch den Zoll-
vereinsvertrag eingeengt worden, allerdings sind
1885 gerade für Mehl= und Fleischwaren Erleich-
terungen erfolgt (1 Genieindeabgaben Bd. 1I
S 1231. Die Gemeindeabgaben auf die beiden
Nahrungsmittel, die besonders in Form von
Oktrois, d. h. Torsteuern erhoben wurden, sind
durch § 13 des Zolltarifs v. 25. 12.02 (R Bl
303) sehr beschränkt worden. Es dürfen nämlich
„für Rechnung von Kommunen oder Korpora-
tionen, vom 1. 4. 10 ab, Abgaben auf Getreide,
Hülsenfrüchte, Mehl und andere Mühlenfabrikate,
desgleichen auf Backwaren, Vieh, Fleisch, Fleisch--
waren und Fett nicht erhoben werden.“ Diese-
nach den Motiven im Interesse der durch die
erhöhten Nahrungsmittelzölle schon betroffenen
ärmeren Volksschichten eingeführte, von zahlrei-
chen Gemeinden lebhaft bekämpfte Klausel (val.
KB der Rrucksachen 1900/03, Nr 707 S 63,
sowie KB der RXDrucksachen 1907/09 Nr. 1493)
zählt die Luxusfleischarten, Wildbret und Geflügel
nicht auf. Deshalb fallen sie, trotz der sie zu
Fleisch und Fleischware zählenden Entsch des
preußischen O V v. 1. 2.01 (39—99), nicht unter
die Begriffe Fleisch und Fleischwaren des § 13,
wie denn auch der Staatssekretär des Reichsschatz-
amts in einem Schreiben v. 7. 9. 09 an die Zentral-
stelle des deutschen Städtetages nach der Ent-
stehungsgeschichte des Zolltarifes die kommunale
Wildbret= und Geflügelsteuer nicht für beschränkt
hält, dagegen Pflanzenbutter dem Fett sub-
sumiert; Marzipan ist nach ihm nicht als Backware
anzusehen und Futtergetreide nicht von anderent
zu trennen. Auch die preußischen Min erklärten
durch eine V#g v. 19. 11. 09 (MBli B 242) die
Wild= und Geflügelsteuer für zulässig. Die An-
sicht wird vom württembergischen Min sowie vom
Oberlandesgericht Rarlsruhe und dem Landgericht
Straßburg nicht geteilt. In Preußen hat man
ebenso wie im Elsaß die kommunale Fischsteuer
zugelassen (vgl. Kommunales Jahrbuch 1910,
630). Im übrigen ist die Zulässigkeit durch die
Gesetze über die Gemeindebesteuerung gegeben.