Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Mecklenburg 
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Auf Grund dieser geschichtlichen Entwicklung 
besteht das Großherzogtum M.-Schwerin aus 
folgenden Gebietsteilen: 1. dem Herzogtum 
Schwerin (der mecklenburgische Kreis), 2. dem 
Fürstentum Wenden (der wendische Kreis des 
Herzogtums Güstrow), 3. dem Fürstentum (frühe- 
ren Bistum) Schwerin, 4. dem Rostocker Distrikt 
mit den früheren Gemeinschaftsörtern, 5. der 
Herrschaft Wismar. 
Das Großherzogtum M.-Strelitz besteht 
aus 1. dem Herzogtum Strelitz (der stargardische 
Kreis des Herzogtums Güstrow), 2. dem Fürsten- 
tum (früheren Bistum) Ratzeburg (unten §# 4). 
Beide Großherzogtümer bilden gegenwärtig 
zwei selbständige Bundesstaaten des Deutschen 
Reiches, die jedoch durch eine gemeinsame Ver- 
fassung, übereinstimmende Gesetzgebung und eine 
Reihe von gemeinsamen Behörden und Einrich- 
tungen eng miteinander verbunden sind. 
II. Die beiden Großherzogtümern gemeinsame 
Verfassung ist eine altständische, noch bis 
heute, deren Wurzeln bis in das Mittelalter 
zurückreichen. - 
1. Die Grundlage, auf welcher sich die öffentlichen 
Rechte und Privilegien der mecklenburgischen 
Stände im Laufe der Jahrhunderte entwickelten, 
bildete von Anbeginn an der Grundbesitz. Die 
grundherrlichen Rechte der den umfangreichen 
Grundbesitz der Kirche verwaltenden geistlichen 
Würdenträger (Prälaten), der weltlichen 
Grundbesitzer Mannen) und der seit der Ger- 
manisierung des Landes durch Heinrich den Löwen 
gegründeten Städte gewährten ihren In- 
habern von vorn herein eine Machtstellung, welche 
sie den stetig wachsenden Geldbedürfnissen der 
Landesfürsten gegenüber in geschickter Weise aus- 
zunutzen und zu vergrößern wußten. Zunächst 
auf sich allein gestellt, gelangten sie im Laufe der. 
Zeiten zu der Erkenntnis, daß eine gemeinsame 
Vertretung ihrer Rechtsstellung in ihrer aller 
Interesse liege, und ihre auf dieser Erkenntnis 
begründete gemeinsame Stellungnahme gegen- 
über den Landesherren führte zu der am 1. 8. 
1523 zu Rostock geschlossenen Union der Präla- 
ten, Mannen und Städte der Fürstentümer und 
Lande M., Wenden, Rostock und Stargard zur 
gemeinsamen gegenseitigen Vertretung ihrer Pri- 
vilegien, Freiheiten und Rechte gegen jedermann. 
Mit der Durchführung der Reformation in M. 
und der daran sich anschließenden Säkularisation 
der Kirchengüter verschwand der Stand der Prä- 
laten bald darauf. (Sie erschienen zuletzt auf dem 
Landtage zu Sternberg im Jahre 1549.) Die 
übrig gebliebenen beiden weltlichen Stände wahr- 
ten auch in der Folge ihre überkommene Rechts- 
stellung und verstanden sie weiter zu befestigen 
und auszubauen. In dem „Assekurations- 
reverse“ vom Jahre 1555 und den „Rever- 
salen“ von 1572 und 1621 erlangten sie von 
der Landesherrschaft das unbeschränkte Steuer- 
bewilligungsrecht, die Befugnis eigener Verwal- 
tung der von ihnen den Landesherren bewilligten 
Gelder, die Teilnahme an der Gesetzgebung und 
die Zusicherung der Alleingeltung der lutherischen 
Lehre und es gelang ihnen weiter auch, gegenüber 
den Landesteilungen von 1621 und 1701 ihre 
Union aufrecht zu erhalten. 
2. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts 
entstanden schwere, langwierige Kämpfe zwischen 
  
den Ständen und dem Herzog Carl Leopold (1713 
bis 1747), der darauf ausging, die ständischen 
Rechte zu unterdrücken und ein absolutistisches 
Landesregiment zu begründen. Der Herzog schei- 
terte jedoch in der Verfolgung seiner Ziele an 
dem mit großer Zähigkeit geleisteten Widerstand 
der Stände und unter seinem Nachfolger Christian 
Ludwig II. kam in dem Landesgrundge- 
setzlichen Erbvergleich v. 18. 4. 1755 
zu Rostock der Friedensschluß zustande, in dem 
die Rechte der Stände gegenüber der landesherr- 
lichen Gewalt in einer der bisherigen Entwicklung 
entsprechenden Weise anerkannt und festgelegt 
und die ständische Union von 1523 ausdrücklich 
bestätigt wurde. 
In der Folgezeit kamen die Stände noch zwei- 
mal in die Lage, ihre Existenz bedrohende Angriffe 
mit Erfolg abzuwehren. Im Jahre 1808 machte 
der Herzog Friedrich Franz den Versuch, auf Grund 
seiner durch die Auflösung des Deutschen 
Reichs erlangten und durch seinen Eintritt in 
den Rheinbund befestigten Souveränität den 
ständischen Staat in einen modernen Staat um- 
zuwandeln unter wesentlicher Beschränkung der 
Rechte der Stände, denen, abgesehen von den 
„eigentümlichen konstitutionellen Grundgesetzen“, 
nur eine beratende Stimme bei der Gesetzgebung 
verbleiben sollte. Die ihnen hierdurch drohende 
Gefahr wandten die Stände damals dadurch ab, 
daß sie auf dem Konvokationstage zu Rostock vom 
Jahre 1808 den finanziellen Bedürfnissen des 
Landesherrn weitgehend entgegenkamen. 
3. Weit verhängnisvoller schienen die Ereig- 
nisse des Jahres 1848 für die mecklenburgischen 
Stände werden zu sollen. Unter dem frischen Ein- 
druck der revolutionären Bewegung in Deutschland 
willigten die Stände im April 1848 auf einem 
nach Schwerin einberufenen außerordent- 
lichen Landtage in den Erlaß eines modernen 
Wahlgesetzes für eine konstituierende Abgeord- 
netenkammer und erklärten sich auch mit ihrer dem- 
nächstigen Auflösung einverstanden, sobald gewisse 
Bedingungen, insbesondere die Vereinbarung einer 
neuen Verfassung mit beiden Landesherren und 
der Verzicht der Seestädte Rostock und Wismar 
auf ihre mit der neuen Verfassung unvereinbaren 
Privilegien, eingetreten sein würden. Diese Be- 
dingungen wurden indessen nicht erfüllt, da der 
Großherzog von M.-Strelitz die Verhandlungen 
mit der konstituierenden Kammer abbrach und 
auch der Verzicht der Seestädte ausblieb. Trotz- 
dem wurde in M.-Schwerin am 10. 10. 49 das. 
mit der konstituierenden Kammer vereinbarte 
Staatsgrundgesetz publiziert und die alte 
landständische Verfassung aufsgehoben. Von den 
mehrfachen gegen dieses Verfahren erhobenen Pro- 
testen hatte der von der Ritterschaft ausgehende 
Erfolg. Auf ihr Betreiben erklärte die nach Auf- 
lösung der Frankfurter Nationalversammlung von 
Oesterreich und Preußen eingesetzte Bundes-Zen- 
tral-Kommission die großherzogliche Regierung für 
verpflichtet, auf Grund der die Erledigung von 
VerfStreitigkeiten zwischen Landesherrn und 
Ständen regelnden Patent V von 1817 in die 
Einsetzung eines Schiedsgerichts zu willigen, 
das zu Freienwalde a. O. zusammentrat und in dem 
von ihm am 12. 9. 50 erlassenen Schiedsspruch 
den Erlaß des Staatsgrundgesetzes und die Auf- 
hebung der ständischen Verfassung für nichtig er- 
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