Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
A — 
marschälle sind Inhaber je eines mit dem 
Lehnsbesitze von drei bestimmten Lehngütern 
verbundenen Amtslehns. Sie sind die Wort- 
führer der Stände gegenüber den Landesherren, 
vermitteln auf den Landtagen den geschäftlichen 
Verkehr mit den landesherrlichen Kommissarien 
und haben für Aufrechterhaltung der Ordnung 
bei den Landtagsverhandlungen zu sorgen. Au- 
ßerhalb der Landtage werden die ständischen 
Geschäfte von dem „Engeren Ausschuß 
von Ritter= und Landschaft“ zu Rostock erledigt, 
der aus zwei Landräten, drei ritterschaftlichen und 
drei landschaftlichen Deputierten sowie einem 
Deputierten der Stadt Rostock besteht. 
3. Die gesetzgebende Gewalt des Lan- 
desherrn ist durch ein Mitwirkungsrecht der Stände 
nur insoweit beschränkt, als durch ihre Ausübung 
ständische Rechte berührt werden. Infolgedessen 
ist der Landesherr unbeschränkter Gesetzgeber im 
Domanium und ferner hat er auch in bezug auf 
die Organisation, Besetzung und Besoldung der 
Behörden, durch welche er das Landesregiment 
ausübt, völlig freie Hand (vgl. 1). Die Zustimmung 
der Stände ist dagegen nach dem Erbvergleich er- 
forderlich für alle Gesetze, welche die wohlerwor- 
benen Rechte und Befugnisse der Ritter- und 
Landschaft oder eines der beiden Stände berühren, 
während ihnen bei allen übrigen allgemeinen, für 
das ganze Land besummten Gesetzen nur eine be- 
ratende Stimme eingeräumt ist. Bei Gefahr im 
Verzuge können die hiernach erforderlichen stän- 
dischen Erklärungen auch von dem „Engeren Aus- 
schuß" abgegeben werden. 1. 
III. Die Landeefinanzen. 
1. Die Kosten des zu den Sonveränitätsrechten 
gehörenden Landesregiments, d. h. den für die 
Landesregierung und Staatsverwaltung im wei- 
testen Sinne erforderlichen Aufwand hat der 
Landesherr prinzipiell persönlich zu tragen. Als 
Mittel stehen ihm hierfür zu Gebote die Ein- 
nahmen aus dem Domanialvermögen 
und aus der „Oerrschaft“, d. h. den ihm kraft 
seiner Landeehoheit zustehenden Einnahmen, 
welche zu seinen Lebzeiten mit seinem privaten 
Schatullgut rechtlich unterschiedslos eine Einheit 
als sein Vermögen bilden, nach seinem Tode aber 
auf seinen Nachfolger in der Regierung übergehen, 
während das Schatullgut sich nach allgemeinen 
Rechtsgrundsätzen besonders vererbt. Die unter 
der Herrschaft des Staatsgrundgesetzes von 1849 
(oben §&# 1 II 3) erfolgte Ausscheidung bestimmter 
Haushaltsgüter aus dem Domanium zur Bestrei- 
tung der Kosten der Großherzoglichen Hofhaltung 
ist zwar nach der Restauration der alten Stände für 
die Führung der Verwaltung beibehalten worden, 
ist aber den Ständen gegenüber ohne rechtliche Be- 
deutung. Eine Veräußerung des Domanialver= 
mögens ist in dem Hamburger Vergleich von 1701 
hausgesetzlich untersagt, während den Ständen 
gegenüber nur die Verpflichtung des Landesherrn 
besteht, die Einkünfte aus diesem Vermögen zur 
Bestreitung der Kosten des Landesregiments zu 
verwenden (sog. Pertinenzqualität des Doma- 
niums). Diesem Anspruch der Stände ist in neuerer 
Zeit auch dadurch Rechnung getragen, daß die 
Napitalaufkünfte aus der unter der Regierung des 
Großbherzogs Friedrich Franz II. seit dem Jahre 
1869 durchge fübrten allgemeinen Vererbpachtung 
der domanialen Bauernstellen in dem sog. Do- 
Mecklenburg 
  
  
  
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manialkapitalfonds konserviert sind, dessen Zinsen 
an Stelle der Erträgnisse der früheren Bauern- 
stellen für Zwecke des Landesregiments verwandt 
werden. 
2. Ein unbeschränktes Besteuerungs- 
recht haben die Landesherren den Ständen 
gegenüber niemals erreicht. Auch der Erbvergleich 
von 1755, welcher zum erstenmale ein vollstän- 
diges Steuersystem ausstellte, die Vereinbarungen 
des Konvokationstages von 1808 und die neueste 
umfassende Steuervereinbarung von 1870 be- 
ruhen auf der Grundlage, daß in erster Linie die 
Einnahmen aus der „Herrschaft" und aus dem 
Domanialvermögen für die Kosten des Landes- 
regiments zu verwenden sind und daß erst für 
den Fall der Unausreichlichkeit dieser Einnahme- 
auellen Beitragsleistungen der Stände in Frage 
kommen, welche für jedes Jahr besonders zu 
vereinbaren sind. Diese Beiträge bestellen aus 
der im Erbvergleich bestimmten „ordentlichen 
Kontribution“, wolche auf dem Grundbesitz basie- 
rend und in ihrer Höhe unverändert feststehend 
mehr den Charakter einer Roallast als den einer 
eigentlichen Steuer trägt und zum Teil durch eine 
den Landesherren zu zahlende Rente, das sog. 
„Landesaversum“ abgelöst ist, sowie ferner aus 
der „außerordentlichen oder ediktmäßigen Kontri- 
bution“, welche nicht von den Ständen als solchen, 
sondern von allen Einwohnern des Landes un- 
mittelbar erhoben wird und sich im Laufe der Zeit 
zu einem System der verschiedenartigsten direkten 
Steuern (landwirtschaftliche Steuer, Mietssteuer, 
Gewerbesteuer, Besoldungs= und Hebungssteuer, 
Erwerbssteuer, Lohnsteuer, Zinsensteuer, Hunde- 
steuer) ausgebildet hat. In der Steuerverein- 
barung von 1870 haben die Landesherren für die 
Dauer dieser Vereinbarung auf das Recht ein- 
seitiger Besteuerung des Domaniums zwecks Auf- 
bringung der Kosten des Landesregiments oder zu 
allgemeinen Landeszwecken verzichtet. 
3. Die Einnahmen und Ausgaben der für das 
Landesregiment zu verwendenden Gelder werden 
von einer landesherrlichen Zentralkasse — 
in M.-Schwerin „Renterei“, in M.-Strelitz „Ren- 
tei“ — verwaltet 1), die Einnahmen und Ausgaben 
der Stände von einer ständischen Zentralkasse, 
dem im Jahre 1621 begründeten „Landbkasten“, 
welcher ohne jede landesherrliche Kontrolle unter 
Leitung des Engeren Ausschusses steht. Außerdem 
gibt es noch eine landesherrlich-ständische Kasse 
unter gemeinsamer Verwaltung des Landesherrn 
und der Stände, in M.-Schwerin die „Landes- 
steuerkasse“ (früher Landes-Rezepturkasse) zu Ro- 
stock unter der Leitung der Landessteuerdirektion 
daselbst und unter Aufsicht einer landesherrlich- 
ständischen Landessteuerkommission, in M.-Strelitz 
die „Zentralsteuerkasse“ zu Ne ubrandenburg unter 
Leitung der landesherrlich-ständischen Zentral- 
steuerdirektion. In diese Kassen fließt außer ver- 
schiedenen. anderen Steuern (u. a. der Papier- 
stempelsteuer und der Erbschaftssteuer) und be- 
sonders vereinbarten landesherrlichen Beiträgen 
vor allem der Ertrag der von den Ortsobrigkeiten 
zu erhebenden außerordentlichen Kontribution. 
Ihre Einnahmen führen diese beiden Kassen teils 
an die landesherrlichen, teils an die ständischen 
Kassen ab. 
1) Der Etat der Renterei wird nicht veröfsentlicht.
	        
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