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Die juristische Natur dieser Kassen ist
bestritten. Während sie von einer Meinung als
landesherrlich-ständische Sozietätskassen angesehen
werden, wie es solche noch mehrfach für besonbere
Zwecke gibt, betrachten andere Schriftsteller sie
als die Verkörperung eines wirklichen subsidiären
Staatsfiskus, welcher sich als ein fremdartiges
Glied in den Rahmen des ständischen Staats
hineingeschoben hat, dessen Verfassung nach dem
oben Ausgeführten nur landesherrliches und
ständisches Vermögen, dagegen ein Staatsver-
mögen im modernen Sinne nicht kennt. Indessen
hat dieser Streit im wesentlichen nur theoretische
Bedeutung, da das gemeinschaftliche Verfügungs-
recht des Landesherrn und der Stände über die
diesen Kassen zuzuführenden Mittel und deren
Verwendung außer Zweifel steht.
4. Die Klosterverwaltung (odgl.
3 II a. E. und III).
Unter ausschließlich ständischer Verwaltung
stehen die drei „Jungfrauenklöster“ Dobbertin,
Malchow und Ribnitz, welche mit ihrem großen
Grundbesitznach Säkularisation (ldes Kirchengutes
bei Durchführung der Reformation in den Rever-
salen von 1572 der Ritter= und Landschaft zur
christlichen ehrbaren Auferziehung inländischer
Jungfrauen“ überwiesen wurden. Sie werden
durch Klosterprovisoren und Klosterhauptleute un-
ter Aufsicht der Landtagsversammlung verwaltet,
welche von dieser gewählt und von dem Großherzog
von M.-Schwerin bestätigt werden. Nur Mitglieder
des eingeborenen oder rezipierten Adels (oben I12)
sind für diese Beamtenstellungen wählbar. Die
Nutzungen der Klöster genießen eine bestimmte An-
zahl von „Konventualinnen“, welche mit Aus-
nahme einiger wenigen der Landschaft einge-
räumten Stellen gleichfalls dem eingeborenen
oder rezipierten Adel angehören müssen. Die
nicht rezipierten adeligen und die bürgerlichen Mit-
glieder der Ritterschaft nehmen an der Verwaltung
der Klöster und deren Nutzungen nicht teil; ihre
Versuche, eine Anteilnahme zu erlangen, sind bis-
her erfolglos geblieben. Ein viertes Kloster, „zum
heiligen Kreuz“ in Rostock, durch Erbvertrag mit
der Stadt Rostock von 1584 zur Auferziehung und
Unterhaltung inländischer Jungfrauen vom Adel
und Bürgerstande bestimmt, steht unter landes-
herrlich-städtischer Verwaltung.
§s 3. Behördenorganisation.
I. Zentralbehörden des Landesregiments
1. in M.-Schwerin
vier Departementsministerien,
für die auswärtigen Angelegenheiten, das
Innere, die Finanzen und die Justiz
mit bureaumäßigem Geschäftsbetriebe. Bei dem.
Finanz Min besteht eine besondere Abteilung für
die Verwaltung der Domänen und Forsten, mit
dem Justiz Min sind für die Ausübung der landes-
herrlichen Kirchenhoheitsrechte (jus circa sacra)
eine besondere Abteilung für die geistlichen Ange-
legenheiten, sowie weitere Abteilungen für die
Unterrichts= und die Medizinalangelegenheiten und
für Kunst verbunden. Die Militärverwaltungs-
angelegenheiten unterstehen, soweit sie nicht durch
Konventionen von 1868 und 1872 auf Preußen
übergegangen sind, dem Militärdepartement als
oberster Militärverwaltungsbehörde. Die Vor-
stände der vier Departementsministerien bilden das
„Staatsministerium" als kollegialisch verfaßte
oben
Mecklenburg
Behörde, welchem bei Beratung militärischer
Gegenstände der Chef des Militärdepartements
mit beschließender Stimme hinzutritt. Das
Staats Min ist zu dem Zwecke errichtet, um den
wichtigeren Reg Angelegenheiten eine gründliche
allseitige Prüfung zu sichern und ein einheitliches
Zusammenwirken der sachlich getrennten Fach-
ministerien für die Hauptzwecke des Landesregi-
ments herzustellen.
Ausgeschlossen von dem Geschäftskreise der
Ministerien sind die Angelegenheiten des großhz.
Hauses, welche dem „Minister des großhz. Hauses“
unterstehen, die Verwaltung des großhz. Haus-
halts, die selbständig organisiert ist loben 3 2 III 1),
und der Geschäftskreis des Oberkirch en-
rats, durch den der Landesherr das Kirchen-
regiment der evangelisch-lutherischen Landeskirche
ausübt. Das im Jahre 1570 im wesentlichen als
Kirchengericht begründete „Konsistorium“ zu Ro-
stock hat gegenwärtig nur noch eine beschränkte
Zuständigkeit für Disziplinarangelegenheiten der
Geistlichen und unteren Kirchendiener einschließlich
der Kognition über dogmatische Irrtümer der
Geistlichen. Berufungen gegen die Urteile des
Konsistoriums sowie des Konsistoriums zu Neu-
strelitz (s. unten) führen an das im Jahre 1880
errichtete gemeinschaftliche „Obere Kirchengericht“
zu Roock, lcher Weise
A In ähnlicher Weise sind (seit 1909) auch di
obersten VerwBehörden in M.-Streli "55 or-
ganisiert. An der Spitze steht das Staats-
ministerium, das aus dem Staats Min und
den Vorständen der drei einzelnen Ministerial-
abteilungen für die Justiz, die geistlichen, Unter-
richts- und Medizinalangelegenheiten, für das
Innere und für die Finanzen mit einer Unterab-
teilung für Domänen, Forsten und Bauten ge-
bildet wird. Der Geschäftsbetrieb innerhalb der
Abteilungen ist ein bureaumäßiger, im Staats Min
dagegen ein kollegialer. Ausgeschlossen von dem
Geschäftskreise des Staats Min und seiner Abtei-
lungen sind auch hier die Angelegenheiten des
großhz. Hauses und die dem Konsistorium zu
Neustrelitz übertragenen Angelegenheiten des Kir-
chenregiments der evangelisch-lutherischen Landes-
kirche. Das Konsistorium ist zugleich auch das
Disziplinargericht für die Geistlichen und niederen
Kirchendiener.
II. Den Ministerien als den obersten VerwBe-
hörden sind im allgemeinen die einzelnen Lokal-
behörden unmittelbar unterstellt.
1. Mittelbehörden sind erst in neuerer
Zeit, insbes. um den Anforderungen der Reichs-
gesetzgebung zu genügen, geschaffen worden.
Hierher gehören die Zivilstandskommission, die Ge-
werbekommission, die Kommission für das Heimat-
wesen, das Oberversicherungsamt, die Landes-
versicherungsanstalt für die Invaliditäts= und
Altersversicherung, ferner die Steuer= und Zoll-
direktion für die obere Verwaltung der Reichs-
steuern und Zölle und die Generaleisenbahn-
direktion für die Verwaltung der im landesherr-
lichen Eigentum stehenden Eisenbahnen.
„Landespolizeibehörde“" ist in M.-Schwerin das
Min Inn, in M.-Strelitz die Ministerialabteilung
für das Innere.
2. Lokale Verwaltungs-- und Poli-
zeibehörden:
a) Im landesherrlichen Domanium, in