Mediatisierte
3 1. Allgemeine Grundlagen. 1 2. Persönliche Rechte.
# 3. Dingliche Rechte. 1 4. Erwerb und Berlust der Rechte.
Anhang: Standeeherren (Tabelle)
g 1. Allgemeine Grundlagen.
I. M. sind diejenigen ehemals reichsunmittel-
baren Landesherren fürstlichen und gräflichen
Standes, welche in den Jahren 1806—1815 der
Landeshoheit deutscher Staaten unterworfen wur-
den. Der Ausdruck M., d. h. mittelbar gewordene
Reichsstände, hatte den Bestand des alten Deutschen
Reiches zur Voraussetzung. Trotzdem ist die Be-
zeichnung zweckmäßiger als die in der deutschen
Bundesakte gebrauchte „Standesherren“, da es
in einigen Landesteilen Preußens, wie Schlesien
und der Lausitz, auch Standesherren genannte
Adlige gibt, die niemals reichsunmittelbar waren,
oder als die Bezeichnung hoher Adel IJ|, zu dem
auch die landeoherrlichen (J11 Familien und die
Depossedierten (X) gehören.
Ueber die Zuge hörigkeit zu den M. lnicht
immer unzweifelhaft) 7 Adel § 2 a (Band I
S. 58) sowie unten den Anhang zu diesem Artikel.
II. Die Rheinbundsakte unterstellte zwar die
Mitstände, zählte aber in a 26 ff als Souveräni-
tätsrechte, denen sie unterworfen wurden, nur
auf „ceux de lgislation, de juridiction supréme,
de haute police, de conscription militaire ou
recrutement et d’impöôt“. Alle übrigen Herr-
schaftsrechte wurden dagegen den M. über ihr
Gebiet belassen, ihnen namentlich der patrimoniale
und Privatbesitz ihrer Domänen im damaligen
Umfange und alle mit der Souveränität, deren
Inhalt in den oben ausgeführten Rechten bestehen
sollte, nicht wesentlich verbundenen Herrschafts-
und Lehnrechte zugesichert.
Viel weiter als die Rheinbundsakte ging a 14
der Deutschen Bundesakte v. 8. 6. 1815.
„Um den im Jahre 1806 und seitdem mittelbar geworde-
nen ehemaligen Reichsständen und Reichsangehörigen in
Gemäßheit der gegenwärtigen Verhältnisse in allen Bundes-
staaten einen gleichförmig bleibenden Rechtszustand zu ver-
Hauptpunkte. Erstlich sollten diese fürstlichen und gräflichen
Häuser wie vor ihrer Mediatisierung zu dem hohen Adel
Deutschlands gerechnet werden, und ihnen „das Recht der
Ebenbürtigkeit in dem bisher damit verbundenen Begriffe“
verbleiben. Zweitens wurden die Häupter dieser Häuser für
die ersten Stondesherren in dem Staate erklärt, zu dem sie
gehörten. Sie sollten mit ihren Familien die privilegierteste
Klasse in ihm bilden, besonders in betreff der Besteuerung.
Drittens wurden ihnen für ihre Person, Familien und Be-
litzungen alle die Rechte und Vorzüge zugesichert, welche
aus dem Eigentume und dessen ungestörtem Genusse her-
rührten und nicht zu der Staatsgewalt und den höheren
RegRechten gehörten. Zu diesen Rechten der M. wurden
namentlich gerechnet:
a) Die Freiheit des Aufenthalts in jedem zu dem Bund
gehörigen oder mit ihm in Frieden lebenden Staate;
db) die Aufrechterhaltung ihrer Familienautonomie mit
der Maßgabe, daß neue Verfügungen über Familienverhält-
nisse dem Souverän vorgelegt werden sollten;
JP) privilegierter Gerichtsstand und Befreiung von aller
Militärpflichtigkeit für sich und ihre Familien;
d) die Ausübung der bürgerlichen und peinlichen Gerichts-
barkeit in erster und bei genügendem Umsange der Belsitzung
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in zweiter Instanz, Forstgerichtsbarkeit, Lrispolizei, Auf-
sicht in Kirchen= und Schulsachen sowie über milde Stiftun-
gen, dies alles jedoch nach Vorschrift der Landesgesetze und
unter der obersten Aussicht der Staatsregierungen.
Zur näheren Bestimmung dieser Befugnisse sollte zwecks
Herstellung eines übereinstimmenden Rechtszustandes in
allen Bundesstaaten die Kal baycrische Verordnung von 1807
als Basis und Norm untergelegt werden.
a 63 der Wiener Schlußakte v. 8. 6. 1820 legte der
Bundesversammlung die Verpflichtung auf, auf die genaue
Erfüllung des a 14 der Bundcsakte zu achten, den einzelnen
Bundesstaaten aber dem Bunde gegenüber die Aufrecht-
erhaltung der dadurch begründceten staatsrechtlichen Verhält-
nisse. Für den Fall, daß Beschwerden der M. von den Ein-
zelstaaten nicht abgeholfen wurde, blieb ben M. der Rekurs
an die Bundesversammlung vorbehalten.
Diese bundesrechtlichen Normen waren jedoch
dem Charakter des Deutschen Bundes entsprechend
keine unmittelbar gültigen Gesetze, sondern be-
gründeten nur eine vertragsmäßige Verpflichtung
für die einzelnen Bundesstaaten gegenüber den
anderen Vertragsschließenden zum Erlasse ent-
sprechender Rechtsnormen 2).
1. In Preußen erging demnächst zur Rege-
lung der standesherrlichen Verhältnisse die V v.
21. 6. 1815 und zur weiteren Ausführung der
M. der Souveränität einzelner ihrer bisherigen
2
darin niedergelegten Grundsätze die Allerhöchste
Instr v. 30. 5. 1820 als Ausführungsverordnung.
Da durch die V v. (5. 12. 48) 31. 1. 50 die
Gleichheit aller Staatsangehörigen vor dem Ge-
setze und die Aufhebung aller Standesvorrechte
ausgesprochen war. so waren damit auch die durch
die preußische Gesetzgebung den M. eingeräumten
Vorrechte erloschen. Dadurch hatte sich aber die
Staatsgesetzgebung in Widerspruch gesetzt mit
einem völkerrechtlichen Vertrage, der Bundes-
akte v. 8. 6. 1815. Nach Wiederherstellung des
Deutschen Bundes wurde der Widerspruch mit
der Bundesakte gelöst durch das Gv. 10. 6. 54,
betreffend die Deklaration der VU in bezug auf
die Rechte der mittelbar gewordenen deutschen
Reichsfürsten und Grafen"). Danach sollten die
Bestimmungen der Vu der Wiederherstellung
der durch die Gesetzgebung seit dem 1. 1. 48 ver-
letzten Rechte der M., deren Besitzungen der preu-
schafsen", vereinigten sich die Bundeestaaten über drei
Hischen Monarchie einverleibt seien, nicht im Wege
stehen. Die Wiederherstellung war königlicher
Verordnung vorbehalten. Diese V erging am
12. 11. 55 und bestimmte, daß die gedachten
Rechte in dem gesetzlich gestatteten Umfange
wiederhergestellt werden. Die Ausführung der
Wiederherstellung sollte vertragsmäßig erfolgen.
Die Staatsregierung schloß demnächst mit sämt-
lichen mediatisierten Fürsten und Grafen (mit
Ausnahme des Fürsten zu Sayn-Wittgenstein-
Berleburg, des Herzogs zu Arenberg, des Fürsten
zu Bentheim-Tecklenburg und des Fürsten zu
Bentheim-Steinfurt) förmliche Verträge ab. Eine
weitere königliche Verordnung gewährte den M.
wieder einen privilegierten Gerichtsstand. Das
Abgeordnetenhaus focht jedoch die Rechtsgültig-
x. W ber, Die’ Veränderungen in der staatsrecht-
lichen Lage der deutschen Standesherren zwischen Rhein-
bundakte, deutscher Bundesakte und Gegenwart, Diss.
Jena 19004. D. H.
*) Dazu jetzt E. Loening, das preuß. G. v. 10. 6.
1854 (in der Festgabe der jurist. Fakultät Halle für W. v.
Brünneck 1912 S. 159—218). D. H.