Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
72 Gemeinde (III. 
Organisation) 
  
Gem Verfassung, die der der rechtsrheinischen 
Land Gem sehr ähnlich ist. Der Name „Stadt"“ 
ist bloßer Titel, der nebst dem Wappen denjenigen 
Gem zukommt,, die ihn bisher führten oder künftig 
vom König verliehen erhalten (v. Seydel 2, 92). 
Der König kann aber seit 1908 den Städten auf 
Antrag der Gem Verwaltung, wenn diesem ? der 
abstimmenden Gem Bürger zustimmen, die Ver- 
fassung der rechtsrheinischen Städte verleihen. 
II. Die Gem unterstehen im allgemeinen den 
Bezirksämtern. Im rechtsrheinischen 
Bayern sind eine Anzahl von Städten einer Kreis- 
regierung „unmittelbar“ untergeordnet (1910: 43); 
hier übt der Magistrat diejenige innere Verwal- 
tung im übertragenen Wirkungskreise aus, die 
sonst den staatlichen unteren Verw Behörden zu- 
steht (doch kann die Staatsregierung einzelne 
Zweige dieser Verwaltung Staatsbeamten über- 
tragen, so in München der Polizeidirektion). 
Auch in der Pfalz können zufolge des Städte- 
verfassungsgesetzes von 1908 die rechtsrheinisch 
organisierten (s. o.) Städte diese „Unmittelbar- 
keit“ erlangen. 
Königliche Genehmigung ist zur Einreihung 
unter die „unmittelbaren“ Städte erforderlich; 
ebenso, wenn unmittelbare Städte die Verfassung 
von miittelbaren oder von Land Gem annehmen 
wollen. 
III. Für die rechtliche Stellung der Gem ist 
nicht unwichtig, daß alle Gem mit Ausnahme der 
unmittelbaren Städte r. d. Rh. Teile der Distrikts- 
Gem sind, in deren Vertretung sie Mitglieder ab- 
ordnen; ferner daß die unmittelbaren Städte 
auch in die Vertretung der Kreis Gem (Landrat) 
Mitglieder abordnen. Dagegen besitzen die baye- 
rischen Städte keinerlei Präsentationsrechte für 
die 1. Kammer des bayerischen Landtages. 
IV. Eine Gem kann in „Ortschaften" zerfallen 
(a 5, 153 GemD, ab, 85 Pf. Gem O). Ob diese Ortschaften 
Orts Gem im Sinne des öffentlichen Rechts sind, ist streitig. 
Seydel St R 2, 37 verneint es: „Die Ortschaft ist nach beiden 
Gem Ordnungen in öffentlichrechtlicher Beziehung ein ge- 
meindlicher Umlagenbezirk und kann, wenn sie eigenes 
Bermögen besitzt, ein selbständiges Rechtssubjekt sein. Die- 
ses Rechtssubiekt hat insoferne auch eine öffentlichrechtliche 
Seite als sein Vermögen für öffentliche Zwecke bestimmt ist 
und daher nach öffentlichem Rechte verwaltet wird. Da- 
çegen find der Ortschaft keinerlei Aufgaben der gemeind- 
lichen oder staatlichen Berwaltung zur selbständigen Wahr- 
nehmung übertragen. Die Ortschaft hat insbesondere keine 
Finanzgewalt. Sie kann nur eine selbständige Vermögens- 
verwaltung führen. Die Ortschaft besitzt keine Gem Behörde. 
Sie kann nur dann, wenn sie Vermögen hat, ein Berw Organ 
haben und dieses Organ ist lediglich ein Organ der Vermö- 
gensverwaltung.“ 
Der Name der Ortschaften kann nur mit Genehmigung 
des Königs geändert werden; die Aenderung der Bezeich- 
nung der Gem bedarf der Genehmigung des Staatsministe- 
riums (Kahr S 100, 116). — Ueber „Bürgermeistereien“ 
vgl. unten #4, e. 
5 3. Städteverfassung rechts des Rheins. 
1. Die Gem Angelegenheiten verwaltet der 
Magistrat. Er handelt entweder kollegial oder 
durch den (berufsmäßigen oder auf 6 Jahre ehren- 
amtlich gewählten) Bürgermeister. 
a) Der Bürgermeister erledigt zunächst 
die „für kollegiale Beratung nicht geeigneten 
Gegenstände“, die das Gesetz nicht näher erläutert. 
Man erachtet aber die Regelung durch den kolle- 
  
gialen Magistrat für zulässig. Jedenfalls werden 
dem Bürgermeister überlassen sein die Geschäfte, 
zu deren Erledigung eine kollegiale Willenserklä- 
rung nicht tunlich ist, sei es, daß es sich nur um 
Mitteilungen und Erhebungen handelt — letzteres 
übrigens nur im Rahmen der verfügbaren Kräfte 
und Mittel — sei es, daß die zu treffende Ent- 
schließung durch Vorschriften so gebunden ist, daß 
für eine Abstimmung kein Raum bleibt. Aber 
auch freie Willensbekundungen werden dem 
Bürgermeister überlassen bleiben müssen, wenn 
ein sofortiger Entschluß notwendig ist oder wenn 
die Angelegenheit von minderer Wichtigkeit ist, da- 
mit nicht die Arbeitsfähigkeit des kollegialen Ma- 
istrats durch die Erledigung zahlloser Kleinig- 
eiten beeinträchtigt werde; hiebei wird die Größe 
der Stadt, der Umfang der Verwaltung eine 
Rolle spielen. Natürlich scheiden hier immer solche 
Sachen aus, bei denen Gesetz oder zuständige Be- 
hörde die kollegiale Erledigung oder die Erledigung 
durch den Bürgermeister anordnen. 
Hinsichtlich der Polizeiverwaltung überträgt 
das Gesetz ausdrücklich dem Bürgermeister die 
„Leitung“ und die Erledigung der nicht zur kolle- 
gialen Beratung geeigneten Geschäfte. 
Dem Bürgermeister liegt ferner der Vollzug 
der Magistratsbeschlüsse ob. Allerdings kann der 
Magistrat kollegial bei den Beschlüssen durch Vor- 
behalte und eingehende Regelung das Gebiet des 
„Vollzuges“ einengen. Den „Beschlüssen“, zu 
welchen auch der Haushaltsplan zu rechnen ist, 
werden gleich zu achten sein gesetzliche Anord- 
nungen z. B. über die Obliegenheiten der Gem, 
so daß die regelmäßige Abwicklung der gemeind- 
lichen Aufgaben in der Hand des Bürgermeisters 
liegt. Dieser führt den Vorsitz in den Sitzungen 
und handhabt die Ordnung. Wichtig ist, daß ihm 
auch die Verteilung der Geschäfte zukommt so- 
wohl an die berufsmäßigen wie an die übrigen 
Mitglieder des Magistrats; er kann diese Ver- 
teilung nach seinem Ermessen ändern. Der Bürger- 
meister unterzeichnet die Ausfertigungen des 
Magistrats. Mängel beim Zustandekommen des 
gemeindlichen Willens werden dadurch nicht be- 
hoben; doch kann die Gem selbst sich auf solche 
Mängel nicht berufen. 
Ueber die Vertretung des Bürgermeisters 
durch andere Magistratsmitglieder trifft die Gem- 
Ordnung nähere Bestimmungen. 
b) Der kollegiale Magistrat setzt 
sich zusammen aus einem oder (in größeren Städ- 
ten) mehreren Bürgermeistern (der 2. oder 3. sind 
Stellvertreter des 1.) und aus 6—20 ehrenamtlich 
tätigen, auf 6 Jahre gewählten bürgerlichen Ma- 
gistratsräten; die Zahl ist von der Größe der 
Stadt abhängig, doch läßt das Gesetz einen ge- 
wissen Spielraum; alle 3 Jahre scheidet die Hälfte 
aus. Den beiden Kollegien (s. u.) bleibt es über- 
lassen, die Bestellung eines oder mehrerer rechts- 
kundiger Räte zu beschließen, desgleichen von 
technischen Magistratsmitgliedern (für das Bau-, 
Schul-, Forst= und Gesundheitswesen); technische 
Magistratsmitglieder haben aber nur „in Gegen- 
ständen ihres Wirkungskreises“ Stimmrecht. Die 
Bestellung mindestens eines rechtskundigen Ma- 
gistratsmitgliedes ist notwendig in unmittelbaren 
Städten. 
Zur Gültigkeit eines Beschlusses gehört neben 
richtiger Einladung und Teilnahme von mehr als
	        
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