Militärersatz
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I. Militärersatz
1. Begriff und gesetzliche Grundlagen.
Unter Milrsatzwesen versteht man die Gesamtheit
der Einrichtungen und Maßnahmen, die sich auf
die Ergänzung der bewaffneten Macht beziehen.
Die einschlägigen Bestimmungen finden sich außer
in der RV in dem R betreffend die Verpflich-
tung zum Kriegsdienste v. 9. 11. 67 („Wehr-
gesetz" B#G Bl 131), im RMilG v. 2. 5. 74 (Rl
45) und den R v. 6. 5. 80 (RE#l 103), v.
31. 3. 85 (Röl 81), v. 11. 2. 88 (Rnl 11),
v. 27. 1. 90 (R#Bl 7), v. 26. 5. 93 (RGBl 185)
und v. 25. 3. 99 (Röl 213). Das gesamte
einschlägige Material ist enthalten in der Deutschen
Wehrordnung (WO), die vom Kaiser unterdem
22. II. 88 erlassen ist (RZBl 1889, 1 ff) und seit-
dem einige Aenderungen in der im militärischen
Leben üblichen Form der Deckblätter erhalten
hat. Sie gilt für das ganze Reich mit Ausnahme
Bayerns. In Bayern gilt die WO f. d. Kgr.
Bayern v. 19. 1. 89, die mit der WO im allge-
meinen wörtlich übereinstimmt. Die militärischen
Ergänzungsbestimmungen zur W0O sind in den
Heerordnungen (ÖHO) enthalten, die von den
Kontingentsherren erlassen sind. Die preußische
HO datiert wie die W v. 22. 11.88; die bayerische,
sächsische und württembergische stimmen mit ihr
überein. Es gelten also auch hier trotz der Ver-
schiedenheit der Quellen die gleichen Vorschriften.
Die WdO stellt Rechtsvorschriften dar, während
die HO die Eigenschaft militärischer Dienstvor-
schriften habeen. Die Wist gegengezeichnet vom
R, die HO von den zuständigen Kriegs Min. Hier-
zu kommt noch die Marineordnung, die die
für die Kaiserl. Marine erforderlichen Ergänzungs-
bestimmungen zur WoO enthält, vom Kaiser unter
dem 3. 4. 09 erlassen, vom Staatssekretär des
Reichsmarineamts als Stellvertreter des RK
gegengezeichnet ist und auch die Eigenschaft einer
militärischen Dienstvorschrift hat.
Wegen der Kolonien T vg. Schutztruppe.
#2. Crganisation der Ersatzbehörden. Die
Organisation der Ersatzbehörden beruht auf der
Einteilung des Gebietes des Deutschen Reiches
in 24 Armeekorpsbezirke (18 preuß., 3 bayer.,
2 sächs. und 1 württ.). Das preuß. Gardekorps
rekrutiert sich aus allen zum preuß. Kontingent
gehörigen Bundesstaaten. Jeder Armeekorpsbe-
zirk bildet einen besonderen „Ersatzbezirk“. Außer-
dem bildet das Großherzogtum Hessen noch einen
(25.) Ersatzbezirk (WO §5 1 Nr. 1; Mil Konv. mit
Hessen a 10). Jeder Ersatzbezirk zerfällt in der
Regel in vier, das Großherzogtum Hessen in zwei
„Infanterie-Brigade-Bezirke“; jeder Infanterie-
Brigadebezirk besteht aus den zugehörigen „Land-
wehrbezirken“" (WO 581 Nr. 2 und 3). Die zeitige
Landwehr-Bezirkseinteilung ist in Anl. 1 zur WO
angegeben. Die Landwehrbezirke sind in Rück-
sicht auf die Ersatzangelegenheiten in „Aus-
hebungsbezirke“ und diese letzteren, wenn nötig,
in „Musterungsbezirke“ eingeteilt (W O #5#2 Nr. 4).
Die Ersatzbehörden zerfallen in Ersatzbe-
hörden der Ministerialinstanz, Ersatzbehörden der
dritten Instanz, Ober-Ersatzkommissionen (zweite
Instanz) und Ersatzkommissionen (erste Instanz).
Sämtliche Ersatzangelegenheiten in den Bezirken
der unter preußischer Mil Verwaltung stehenden
Armeekorps (I.—XI. XIV.—XVIII. XX.—XX I.
AK.) leitet das preuß. Kriegs Min im Verein mit
den obersten Zivilverwaltungsbehörden der be-
treffenden Bundesstaaten als „Ministerialin-
stanz“ (WO#2 Nr. 1 und 2). In den König-
reichen Bayern, Sachsen und Württemberg stehen
die Ersatzangelegenheiten unter der Leitung der
betreffenden Kriegsministerien (Vl in Gemeinschaft
mit den Min Inn.— In den Ersatzangelegenheiten
der Marine tritt an die Stelle der Kriegsmini-
n das Reichsmarineamt (RMilG ##30, WO
2
In den einzelnen Ersatzbezirken steht der kom-
mandierende General des Armeekorps in Gemein-
schaft mit dem Chef der Provinzial= oder Landes-
verwaltungsbehörde, sofern nicht hierfür besondere
Behörden bestellt sind, den Ersatzangelegenheiten
als „Ersatzbehörde dritter Instanz“ vor.
Im Großh. Hessen tritt an Stelle des komman-
dierenden Generals der Kommandeur der Großh.
Hessischen (25.) Division (RMilG 8 308, WO 822).
Im Kgr. Bayern werden die Geschäfte der Er-
satzbehörden 3. Instanz durch die Generalkomman-
dos im Verein mit einem für den Armeekorps-
bezirk durch das Staats Min Inn ernannten Kom-
missar, im Kgr. Sachsen durch den kommandie-
renden General und den Vorstand der zuständigen
Kreishauptmannschaft, im Kgr. Württemberg
durch den Ober-Rekrutierungsrat ausgeübt. Für
die Ersatzangelegenheiten der Marine treten an die
Stelle der kommandierenden Generale die Marine-
stationskommandos (WO 5 29).
In den Infanterie-Brigadebezirken bilden ein
höherer Offizier, in der Regel der Infanterie-
brigadekommandeur oder Landwehrinspekteur und
ein höherer VerwBeamter unter dem Namen
„Ober-Ersatzkommission im Bezirk der
xIten Infanteriebrigade" die Behörde, die die
Ersatzangelegenheiten in 2. Instanz bearbeitet
(RMilG 8302; RG v. 30. 3. 85; WO 129).
In den einzelnen Aushebungsbezirken bilden
ein Offizier, in der Regel der Bezirkskommandeur,
und ein Verw Beamter des Bezirks unter dem
Namen „Ersatzkommission des Aushebungs-
bezirks (Kreises usw.) NN.“ die Behörde, der die
ständige Besorgung der Ersatzangelegenheiten in
erster Instanz obliegt (RMilG# a. a. O.; R v.
30. 3. 85 und WO #+D 25).
Sowohl in der Ober-Ersatzkommission wie in der
Ersatzkommission führen die beiden Mitglieder ge-
meinschaftlich den Vorsitz; sie führen die Bezeich-
nung „Militär= bezw. Zivilvorsitzende der Ober-
Ersatz= bezw. Ersatzkommission“ (WO#641, 5 711).
Das schließt nicht aus, daß die Ansicht des Mil Vor-
sitztenden unter Umständen maßgebend ist (WO
# 71). In bestimmten Fällen wird die Ersatz-
und die Ober--Ersatzkommission noch durch einige
Zivilmitglieder verstärkt (WO # 29).
#sl# 3. Das Ersatzgeschäft im Frieden. Das jähr-
liche Ersatzgeschäft zerfällt in 3 Hauptabschnitte:
Vorbereitung, Musterung, Aushebung.
Das Vorbereitungs geschäft umfaßt alle
diejenigen Maßnahmen, die zur Ermittlung der
im laufenden Jahre zur Gestellung vor den Ersatz-
behörden verpflichteten Wehrpflichtigen erforder-
lich sind, sowie deren Eintragung in die Grund-
listen (WO #6 32). Die Grundlisten bestehen in den
Rekrutierungsstammrollen, den alphabetischen Li-
sten und den Restantenlisten. Die Rekrutierungs-
stammrollen, die von den Vorstehern der Gemein-