850
Militärwesen (A. Organisation)
aktiven Miln"Dienst oder Zivildienst sowie, wenn
Klage wegen Hochverrats usw. erhoben ist. Das
Recht auf den Bezug der Pensionen erlischt
mit Wiederanstellung in Stellen des aktiven Mili-
tärdienstes, mit denen der Bezug von Gehalt ver-
bunden ist und nach §#22 durch rechtskräftige Verur-
teilung zu Zuchthaus wegen Hochverrats, Landes-
Kriegsverrats und Verrats militär. Geheimnisse.
§& 3. Die Versorgung der Personen der Unter-
klassen des Reichsheers, der Marine und der
Schutztruppen ist ebenfalls, durch ein zweites
Gv. 31. 5. 06, neu geregelt. Sie erfolgt durch
Gewährung einer Rente, des Zivilversorgungs-
scheins, oder einer Zivilversorgungsentschädigung,
bedingter Renten oder durch eine einma-
lige Abfindung (Versorgung in einem In-
validenhaus entsprach einer Zeit, da ein
großer Prozentsatz der Soldaten das Kriegshand-
werk als Lebensberuf trieb: das preuß. Invaliden=
haus wurde 1748 eröffnet und mit 570 Gemeinen
und 9 Offizieren belegt).
Anspruch auf „Militärrente“ haben die zur
Klasse der Unteroffiziere und Gemeinen gehören-
den Personen des Soldatenstandes, wenn und
solange ihre Erwerbsfähigkeit infolge einer Dienst-
beschädigung aufgehoben oder um wenigstens
10% gemindert ist. Kapitulanten mit mindestens
8jähriger Dienstzeit haben diesen Anspruch,
wenn die Minderung usw. der Erwerbsfähigkeit
Folge von Gesundheitsstörungen, die während der
Dienstzeit eintraten, ist, Kapitulanten mit min-
destens 18jähriger Dienstzeit haben den Anspruch
ohne weiteres, solche mit 12jähriger Dienstzeit
(ohne Doppelrechnung von Kriegsjahren usw.)
haben den Anspruch auf Zivilversorgungsschein,
wenn sie zum Beamten würdig und brauchbar
erscheinen; ist dies nicht der Fall, erhalten sie
„Zivilversorgungsentschädigung“ von 12 Mk. mo-
natlich, außer wenn die mangelnde Würdigkeit
ihren Grund im Mangel ehrliebender Gesinnung
hat. Neben den genannten Versorgungen kennt
das Gesetz Verstümmelungs-, Kriegs-, Alterszu-
lage. Verstümmelungszulage hat analoge Gründe
wie bei Offizieren (s. ob.), nur daß auch schweres
Siechtum und Geisteskrankheit besonders erwähnt
sind, sie beträgt 27—54 Mk. und mehr monatlich; die
Kriegszulage beträgt 15 Mk.; Alterszulage kann
nur Empfängern der Kriegszulage vom 55. Lebens-
jahr an (u. U. früher) gewährt werden, falls
ihr Gesamteinkommen unter 600 Mk. jährlich
beträgt. Im übrigen beträgt die „Vollrente“
(bei völliger Erwerbsunfähigkeit) für Feldwebel
900, Sergeanten 720, Unteroffiziere 600, Gemeine
540 Mk. jährlich, für Kapitulanten nach 18jähri-
ger Dienstzeit %/10° dieser Beträge, mit jedem
Dienstjahr über 18 um /0100 bis zum vollen
Betrag steigend, bei pensionsfähigen Löhnungs-
zuschüssen und Zulagen um 7 /00 dieser steigend.
Ueber Erlöschen und Ruhen des Rechts auf den
Bezug der Versorgungsgebührnisse, für Berech-
nung bei Krieg, Dienstzeit außer Europa usw.
gelten ähnliche Bestimmungen wie nach dem Ge-
setz für Offiziere. Auf das auf dem Kriegsschauplatz
verwendete Personal der freiwilligen Kranken-
pflege finden die Vorschriften entsprechende An-
wendung (§ 44), sie erhalten die Rente der Ge-
meinen (leitende Krankenschwestern!7).
&* 4. Zivilversorgungsschein. Eine eigentüm-
liche Art der Mil Pension ist die Versorgung der
Mil Personen durch Zivilanstellung. Auf dieser
altbewährten preußischen Einrichtung beruht zum
Teil die Gleichmäßigkeit und Trefflichkeit unserer
deutschen Verwaltung. Die Gewährung des Zivil-
versorgungsscheins hat einen doppelten Zweck,
einmal den der Versorgung, sodann aber auch den,
den Zivilverwaltungsbehörden geschulte, zur Ord-
nung und Pünktlichkeit erzogene Unterbeamte zu-
zuführen. Die Rechtssätze über diesen Gegenstand
lagen in zahlreichen Reglements, Kabinettsorders,
Anordnungen der Ressortchefs zerstreut: sie wurden
zusammengefaßt im preuß. Regl v. 16. und 20. 6.
1867. Sodann wurden für das ganze Reich ge-
meinsame Grundsätze durch BRB v. 7. und 21.
3. 82 festgestellt.
Nach § 15 wird ein Zivilversorgungsschein ge-
währt nach 12jähriger Dienstzeit bei fortgesetzt
guter Führung, wenn die betreffenden „zum Be-
amten würdig und brauchbar erscheinen“. Juristisch
ist die Erteilung des Zivilversorgungsscheines eine
Spezies der Versorgung:es entsteht damit ein neuer
Anspruch, und das Recht auf Rente usw. ist er-
loschen. Daraus folgt z. B., daß, wenn gegen
den Inhaber des Zivilversorgungsscheins auf Ver-
lust der öffentlichen Aemter usw. (StGB § 34)
erkannt ist, der Invalide usw. kein neues Recht auf
Versorgung erwirbt. Mit der Wahl zwischen Ent-
schädigung und Schein ist das Recht des Invaliden
und die Pflicht der Mil Verwaltung erledigt. Das
Wahlrecht erlischt mit dem Verlust der Würdigkeit
des Beamten (5 20).
Die Inhaber von Zivilversorgungsscheinen
heißen „Militäranwärter"“. Mit ihnen sind die
mittleren Kanzlei= und Unterbeamtenstellen im
Reichs= und Staatsdienst, sowie bei den Kom-
munalbehörden, bei den Versicherungsanstalten
für die Invalidenversicherung sowie bei stän-
dischen oder solchen Instituten, die ganz oder
zum Teil aus Mitteln des Reichs, Staats oder der
Gemeinden unterhalten werden, vorzugsweise zu
besetzen. Ausgeschlossen sind die Stellen des
Forstdienstes. (Verzeichnis 8 Bl 1911, S. 297.)
Ueber die vorbehaltenen Stellen werden Verzeich-
nisse geführt und es dürfen, sofern MilAnwärter
vorhanden, diese Stellen nicht durch andere Per-
sonen besetzt werden. Die MilAnwärter haben sich,
sofern sie noch aktive Militärpersonen sind, bei
den „Anstellungsbehörden“ durch Vermittlung
der vorgesetzten Mil Behörde, Dienstbehörde oder
Landwehr-Bezirkskommandos zu melden. Die
Anstellungsbehörde kann Nachweis der kör-
perlichen Tüchtigkeit, sowie Vorprüfungen oder
informatorische Beschäftigung verlangen. Die
„qualifiziert" befundenen Bewerber werden
„Stellenanwärter“. Auch über diese werden
Verzeichnisse geführt. Sofern Stellenanwärter
für freie Stellen nicht notiert sind, werden „Va-
kanzenlisten" durch das zuständige Kriegs Min
herausgegeben. Zur Kontrolle darüber, daß bei
Besetzung der den MilAnwärtern im Kriegsdienst
vorbehaltenen Stellen den durch den Bundesrats-
beschluß festgesetzten Grundsätzen gemäß verfahren
werde, ist außer den Ressortchefs der Rechnungshof
verpflichtet. Die Grundsätze selbst sind dem Nor zur
Kenntnisnahme vorzulegen. Uebrigens kann auch
Unteroffizieren und Gemeinen, die nicht Kapi-
tulanten sind, neben der Rente ein „Anstellungs-
schein für den Unterbeamtendienst gewährt
werden.