nahme. Auch im übrigen kann durch ein militär-
gerichtliches Verfahren die Verjährung von
Duüebertretungen unterbrochen werden.
5. Die Vollstreckung von Dötrafen hat
sich regelmäßig an deren Verhängung anzuschließen.
Verhängt ist die Strafe durch die dienstliche Er-
öffnung an den Bestraften (Ausnahme bei einigen
Arten des Verweises). Danach kann vom strafen-
den Vorgesetzten die Strafe nicht mehr zurückge-
nommen werden, einerlei, ob sie, was für alle
Strafen vorgeschrieben ist, in die Strafbücher
schon eingetragen worden ist oder nicht. Ihre
Beseitigung ist nur möglich durch Beschwerde oder
im Wege der Dienstaussicht oder durch Allerhöchste
Gnade (Ziff. 6 und §# 7).
6. Die Dienstaufsicht in Diszi-
plinarstrafsachen wird von den höheren
DVorgesetzten ausgeübt. Sie haben auf gerechte
und zweckentsprechende Anwendung der den nie-
deren Vorgesetzten zustehenden Strafbefugnisse
und auf die vorschriftsmäßige Strafvollstreckung
sorgfältig zu achten und zu diesem Zwecke in be-
stimmten Zeiträumen die überall nach bestimmten
Mustern zu führenden Strafbücher genau nachzu-
prüfen. Sie müssen auch ohne Beschwerdeführung
Strafen aufheben, die ihrer Art und ihrer Dauer
nach unzulässig waren, oder wenn der Strafende
zu ihrer Verhängung unzuständig war. Soweit der
strafende D Vorgesetzte innerhalb seiner Zuständig-
keit gehandelt hat, kann die Strafe nicht deswegen
beanstandet oder gar aufgehoben werden, weil
der nachprüfende Vorgesetzte anderer Ansicht ist.
Sachwidrige D Strafen werden im Beschwerde-
verfahren oder durch Allerhöchste Gnade beseitigt.
Hierüber Kab O v. 16. 11. 99, abgedruckt bei Dietz,
DStO 275 und in neueren Erläuterungen.
§ 7. Beschwerde über verhängte Disziplinar-
strasen ist erlaubt, aber der Regel nach erst nach
Verbüßung der Strafe zulässig. Auch Vorgesetzte
des Bestraften, die Untergebene dessen sind, der
gestraft hat, haben im Heere (nicht in der Marine)
das Recht, sich zugunsten eines Bestraften, ohne
daß sie die Verbüßung abzuwarten hätten, zu
beschweren. Mit der Beschwerde kann die Sach-
widrigkeit der Strafe, die formelle Unzulässigkeit,
unter Umständen auch die Höhe der Strafe, ferner
die Art der Vollstreckung angefochten werden.
Näheres hierüber in den militärischen Beschwerde-
ordnungen (Heer: BO I f. Offiziere usw.,
Beamte v. 30. 3. 95, AV l 95; Bayern v. 1. 6. 96;
BO II f. Mannsch. v. Feldw. abw. v. 14. 6. 94,
AVBl 189; Bayern v. 31. 7. 94. Marine:
BOlv. 30. 12.95, MVBl 377; Schutztr.: v. 1. 8.
96, vgl. § 15 Schutztr. Oj BO II v. 23. 10. 94,
MVBlgh4, 247;96, 81;97, 29; Schutztr. v. 1. 8. 96;
Kommentar v. Dietz 1911). Erfolgreiche Be-
schwerde führt zur Aufhebung oder Abänderung
der Strafe und Löschung oder zu entsprechenden
Einträgen im Strafbuche.
* 8. Kriminalstatistisches. Die seit 1001 bestehende
Kriminalstatistik für das deutsche Heer und die Kaiserliche
Marine gestattet es, Rückschlüsse auf die Dis-
ziplin in der bewaffneten deutschen Macht zu ziehen.
Die Kriminalstatistik weist einen nicht unerheblichen
Rückgang der Kriminalitätszissern auf und vor allem
der ernsteren Straftaten. Seit 1901 ist bis zum Jahre 1910
die Kriminalität im Heere um 80., und bei Berechnung nur
nach Verbrechen und Vergehen um 70, zurückgegangen,
ohne daß dabei die Zunahme der Kopfzahl berücksichtigt
Militärdisziplin
— ÛÒ òeÛ —
wäre. Wenn man von 1903 als dem Höhepunkt der Krimi-
nalität ausgeht, ergibt sich beim Ausschlag auf Verbrechen
und Vergehen ein Rückgang um 14500. Auch die Marine,
die kriminell vermöge ihrer besonderen Verhältnisse höher
belastet ist, zeigt ähnliche Zahlen. Dabei find gerade die
ernsteren Straftaten, durch die die Manneszucht entscheidend
beleuchtet wird, zurückgegangen.
Es entfallen auf 10 000 Angehörige des Heeres und
der Marine:
Unterord-
Jahres= nungshand. Aufruhr Tätlicher Wider-
durchschnitt lungen Angriff setzung
Überhaupt
Ma- Ma-) Ma- Ma-
deer rine deer rine deer rine Deer rine
1901/05 50,4 78,7 0,072 0, 16 1,6 4,7 1,4 4,3
1906/00 47,7 70,5 0,032 0,38 1,1 4,6 1,4 2,9
1909 44,9 60,1 0,048 üo,18 0,91 3,0 1,5 2,2
Aufforderung und An-
reizung zu Verletzungen
Jahres-= der Pflichten gegen die Beleidigung, Ungehor-
durch. militärische Unterord. sam, Widersetzung
schnitt nung, Aufwiegelung, gegen Wachen
Erregen von Mißver-
gnügen, Meuterei
Heer Marine Heer Marine
1901705 0,35 0,44 1,4 2,2
1906/00 0.36 0,60 1,0 2,6
1909 0,40 0,37 0,9 1,4
Wenn nach Moltkes Ausspruch (oben Einleitung) die D
Autorität von oben und Gehorsam von unten ist, müssen er-
gänzend auch die Zahlen beachtet werden, die sich auf den
Mißbrauch der Dienstgewalt beziehen: sie betragen 1901—03
noch 999, 1041, 1061 Fälle im Heere; in den letzten 5 Jahren
hielten sie sich unter 700, 1909 waren es 653 Fälle. Die Miß-
handlungen Untergebener sind dabei eingeschlossen. Gerade
biese, 1901—03 noch 770, 777, 772 Fälle im Heere, sind bis
1909 auf 347 gesunken (Marine 1909: 36 Fälley. Während
von Körperverletzungen — in der Hauptsache handelt es
sich um Rameradenmißhandlungen — 1901 auf 10 000 An-
gehörige des Heeres 27, bei der Marine 21 und im Jahres-
durchschnitt 1901/05 25 und entspr. 19 entfallen, sind diese
Zahlen bis 1900 nach und nach auf 20,6 und 15,7 gesunken.
Noch günstigere Ergebnisse bringt 1910.
Der Rückgang aller dieser Zahlen läßt sich für die Annahme
mit verwerten, daß der Geist in Heer und Marine ein guter
und die Disziplin nicht — wie gelegentlich behauptet
wird — schlechter, sondern besser geworden sei.
Literatur: 1. Erläuterungen der Dis-
hiplinarstrafordnung von Keller (1878);
Solms in Strafrecht und Strafprozeß (21892); Fielitz,
Mar. DSt O' (1911); Schlayer in Millitärstrafrecht
2. Bd. von „Heer und Kriegsflotte“ in Hm der Gesetzgebung
(1904); Stritter (1905); Sohl in Elsner von Gronow
und Sohl, Mil. Strafr. (1906); Neuere Kommentare:
Diesz (1909), Schlott (1909); M. E. Mayer, D und
BeschwRecht, System. Darstellung (1910).
2. Einzelne Gebiete: Hecker, Ueber die Ab-
grenzung des Kriminal- und Dstrafrechts bei Pflichwer-
letzungen der Zivilbeamten und Militärversonen, Ger S 31,
481 (1880); Ders., Ueber das Verhältnis des Ziwvilstraf,
rechts zum Militärstrafrecht, 1885, 19 ff; Ders., MD in
diesem Wörterbuchtt Dangelmaier, Militärrechtliche
und militärethische Abhandlungen, 1898 (über „die Grenzen
des Diszivlinarstrafrechts“, „Das Disziplinarstrafrecht und
das Prinzip der Individualisierung“); Derselbe, Litera-