Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Sachsen 79 
  
unmöglich erscheinen ließen. Man habe deshalb 
an der gesonderten Behandlung der Stadt= und 
Land Gem festgehalten, und es sei weiter zweck- 
mäßig erschienen, außer der RSt, die zunächst 
die größeren Städte ins Auge fasse, auch noch 
eine Kl StO aufzustellen, da sich die kleineren 
Städte durch die Opfer, die mit der Verwaltung 
nach den Normen der Röt0 verbunden seien 
(vgl. z. B. RStO #s 84, wonach wenigstens ein 
Ratsmitglied die Befähigung zur Annahme eines 
selbständigen Richteramtes haben muß), unnötig 
beschwert, andrerseits aber durch die nackte An- 
wendung der RLG0O in ihrem Selbstgefühl und 
ihren Interessen benachteiligt fühlen dürften. 
Die 3 Gesetzentwürfe wurden durch ständische 
Schrift v. 26. 2. 73 verabschiedet, am 24. 4. 73 
vom König vollzogen und im GVBl 1873 S295 # g 
veröffentlicht. Als Zeitpunkt ihres Inkrafttretens 
wurde durch V v. 20. 8. 74 (GVBl 113) der 15. 
10. 74 bestimmt. 
Inzwischen ist die RSt O durch die Gv. 23. 
3. 80, 21. 3. 02, 25. 2. O4, 29. 4. 06, 24. 12. 08 
und 18. 2. 10, die Kl StO durch das G v. 30. 4. 06, 
die RL durch die G v. 24. 4. 86, 22. 4. 98, 
21. 3. 02, 30. 4. 06, 24. 12. 08 und 18. 2. 10 
ergänzt und unwesentlich geändert worden. 
#+#2. Arten der Gemeinden. 
I. Durch die GemO v. 24. 4. 73 sind 3 Arten 
von Gem geschaffen worden: Städte der RStO 
(RSt), Städte der KlSt O (Kl St) und Land Gem. 
Hierzu kommen die sogen. selbständigen Guts- 
bezirke [JI. RSt sind a) die Städte mit weniger 
als 6000 Einwohnern (nach dem Ergebnis der 
letzten Volkszählung vor dem 24. 4. 73), deren 
gesetzliche Vertreter bis zum 1. 10. 73 der Regie- 
rung gegenüber erklärt haben, daß sie sich unter 
die RSt stellen, b) die Städte mit 6000 und 
mehr Einwohnern, deren gesetzliche Vertreter bis 
dahin nicht ausdrücklich erklärt haben, daß sie ihre 
Verfassung nach der Kl StOregeln wollen, und 
e) die Städte, deren gesetzliche Vertreter nach 
dem 1. 10. 73 mit Genehmigung des Min Inn 
die Annahme der RSt beschlossen haben. Unter 
die Kl St O fallen alle übrigen Städte sowie die- 
jenigen von den vorgenannten, die nachträglich 
mit Genehmigung des Min Inn die KlSt an- 
nehmen. Die RLGO gilt für alle nicht ausdrück- 
lich als Städte anerkannten Ortschaften. 
Als „Städte“ sind anerkannt 143 Ortschaften, 
von denen bis zum Jahre 1911 81 die RStd, 
62 die KlStO angenommen haben. Die Zahl 
der Städte ist keine geschlossene. Die Erhebung 
einer Land Gem zur Stadt setzt einen Antrag der 
Gem Vertretung voraus und erfolgt durch Be- 
schluuß des Min Inn mit landesherrlicher Geneh- 
migung (Beisp.: V, die Erhebung der Land Gem 
Limbach zur Stadt betr., v. 31. 12.82; GVBl 83, 2). 
II. Ihre besonderen örtlichen Verfassungsver- 
hältnisse regeln die Gem durch Ortsstatute, die 
in R St und KlSt der Genchmigung des Min Inn, 
in Land Gem der Genehmigung der Aussichts- 
behörde (&10) bedürfen. Sie dürfen keine Bestim- 
mungen enthalten, die mit den GemO oder 
anderen Landesgesetzen, mit Reichsgesetzen oder 
allgemeinen Rechtsbegriffen im Widerspruch 
stehen; insoweit unterliegen sie in Streitfällen 
der Nachprüfung durch das O##, das sie gegebe- 
nenfalls für rechtsungültig erklären kann (O#V## 
14. 10. 01, Jahrb. 1, 240). 
  
  
III. Gemeindeverfassung. Die Gem 
sind mit juristischer Persönlichkeit ausgestattete 
Selbstverwaltungskörper mit staatsähnlicher Ver- 
fassung. Zwei Organe, von denen das eine be- 
schließt und ausführt (Regierung), das andere 
kontrolliert und in wichtigen Angelegenheiten mit- 
beschließt (Volksvertretung). Deutlich ist dieser 
Dualismus ausgebildet in den Städten, die der 
Rötp, weniger in den Städten, die der KlStO 
unterstehen, und in den Land Gem, wo beide 
Organe gerade für die wichtigste ihrer Aufgaben, 
die Beschlußfassung in Gem Angelegenheiten, in 
Eins verschmolzen sind 
RötO 111—4, 37; Kl St Oal:; RLGO 111—3, 29. 
  
I. Städte mit revidierter Städte- 
ordnung 
Ihre Organe sind der Stadtrat und die Stadt- 
verordneten. Beide sind kollegial verfaßt und 
bestehen regelmäßig selbständig nebeneinander 
(vgl. aber §& 6). Die Mitglieder des Stadtrats 
sind teils Berufs-, teils Ehrenbeamte, die Tätig- 
keit der Stadtverordneten ist immer unentgelt- 
lich. Zahl und Zusammensetzung beider Organe 
bestimmt das Ortsstatut, doch stellt die RStO 
Mindestforderungen. 
g 3. Die Stadtverordneten. a) Zusam- 
mensetzung und Wahl. Mindestzahl ist 9 
(ortsstatutarisch 9, 12, 15, 18, 21 usw.; in Leipzig 
72, in Dresden 84); dazu eine angemessene An- 
zahl Ersatzmänner, sofern das Ortsstatut nichts 
anderes bestimmt. Wenigstens die Hälfte der 
Mitglieder (ortsstatutarisch ½, ½, 11/163, % 29, 
3¾ usw.) müssen mit Wohnhäusern ansässig sein; 
andererseits dürfen Unansässige nicht sehlenf 
Jährlich oder alle 2 Jahre Drittelerneuerung. 
Direkte Wahl durch die Bürgerschaft. Stimm- 
berechtigt sind alle männlichen Bürger mit Aus- 
nahme derjenigen, die zurzeit der Wahl die für 
den Erwerb des Bürgerrechtes festgesetzten Be- 
dingungen ( Gemeindemitglieder) nicht erfül- 
len, die seit länger als 2 Jahren mit der Entrich- 
tung der Staats= und Gem Abgaben (einschließl. der 
Abgaben zu Schul= und Armenkassen) ganz oder 
teilweise rückständig sind, und die wegen ungerecht- 
sertigter Weigerung zur Uebernahme oder Weiter- 
verwaltung des Stadtverordnetenamtes auf An- 
trag der Stadtverordneten vom Stadtrat in Strafe 
genommen worden sind, sofern sie sich zurzeit der 
Wahl noch im Amte befinden würden; Zweifel 
über Stimmberechtigung entschcidet in I. Instanz 
der Stadtrat. Wählbar sind alle im Stadtbezirke 
wohnhaften, stimmberechtigten Bürger. Ableh- 
nung der Wahl ist nur aus bestimmten Gründen 
(erfülltes 60. Lebensjahr, dauernde gesundheitliche 
Behinderung, Notwendigkeit längerer Abwesen- 
heit, wesentliche Beeinträchtigung der Erwerbstä- 
tigkeit bei Uebernahme des Amtes, gegenwärtige 
Verwaltung eines anderen Gem Amtes oder frü- 
here Bekleidung eines unentgeltlichen Gem Amtes, 
sofern diese entweder 12 Jahre gedauert hat oder 
bei mindestens 6jähriger Dauer erst innerhalb 
der letzten 6 Jahre abgelaufen ist) zulässig; ob ein 
Ablehnungsgrund vorliegt, entscheiden die Stadt- 
verordneten, in II. Instanz die Aufsichtsbehörde 
(5 10). Bei ungerechtfertigter Ablehnung auf An- 
trag der Stadtverordneten Geldstrafe von 15 bis 
300 Mk., die vom Stadtrat festgesetzt und voll-
	        
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