Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
  
Sachsen 81 
  
licher Vorschriften enthalten. Endlich steht den 
Stadtverordneten die Wahl der Ratsmitglieder 
zu, des Bürgermeisters bezw. ersten Bürgermei- 
sters („Oberbürgermeisters“) mit der Einschrän- 
kung, daß sie hierzu mit dem Stadtrat zu einem 
einzigen Wahlkörper vereinigt werden, und daß 
die Wahl der Bestätigung des Kreishauptmanns 
bedarf; letztere ist außerdem für die Wahl des 
„Stellvertreters“ des Bürgermeisters, d. h. des im 
voraus für Behinderungsfälle des Bürgermeisters 
zu seinem Vertreter bestimmten Ratsmitgliedes 
notwendig; Versagung der Bestätigung setzt Ge- 
hör des Kreisausschusses (§s 10) voraus und kann 
vom Wahlkörper innerhalb 14 Tagen beim Min Inn 
angesochten werden; nach zweimal aufeinander- 
folgender Verwerfung der Wahl Befugnis des 
Min Inn, die erledigte Stelle auf Kosten der Ge- 
meinde provisorisch verwalten zu lassen. Die 
Wahl der Ratsmitglieder erfolgt mit absoluter 
Stimmenmehrheit; nach zweimaliger erfolgloser 
Abstimmung Stichwahl zwischen den Meistge- 
wählten; ev. Entscheidung durch das Los. 
Ortsstatutarisch können die Zuständigkeiten der 
Stadtverordneten wegen besonderer örtlicher Ver- 
hältnisse beschränkt oder erweitert werden. Tat- 
sächlich versichert sich der Stadtrat ihrer Zustim- 
mung häufig auch in solchen Fällen, die weder im 
Gesetz noch im Ortsstatut vorgesehen sind. Exeku- 
tive kommt den Stadtverordneten nicht zu. Soweit 
ihre Beschlüsse einer Ausführung bedürfen, steht 
diese beim Stadtrat, der sie ablehnen kann, wenn 
die Beschlüsse ungesetzlich sind oder über die Be- 
fugnisse der Stadtverordneten hinausgehen. Kann 
in den Angelegenheiten, die der Zustimmung der 
Stadtverordneten bedürfen, eine Einigung nicht 
erzielt werden, so hat ihre Ausführung regel- 
mäßig zu unterbleiben. Ausnahmsweise ent- 
scheidet das Min Inn oder die Aufsichtsbehörde. 
RSto 1 39—82, 91, 92, 112, 113. 
# 4. Der Stadtrat. 
a) Zusammensetzung. Mindestzakl der 
Mitglieder ist 2 (in Dresden 38, Leipzig 32, im 
übrigen 3—29). Jedes Mitglied hat vor Amts- 
antritt das Bürgerrecht mit voller Stimmberech- 
tigung zu erwerben, wobei (um die Berufung 
Auswärtiger zu ermöglichen) von dem Erforder- 
nis 2jährigen Wohnsitzes abgesehen wird. Soweit 
die Mitglieder Berufsbeamte sind (in Dresden 16, 
in Leipzig 15), dürfen sie ohne Genehmigung bei- 
der städtischer Kollegien und der Aufsichtsbehörde 
(* 10) keinen Nebenerwerb haben. Der Bürger- 
meister ist immer Berufsbeamter. Die Fest- 
setzung der Gehälter erfolgt statutarisch; für Be- 
willigung persönlicher Zulagen genügt überein- 
stimmender Beschluß beider Kollegien und Mit- 
teilung an die Ausfsichtsbehörde. Mindestens 1 
Ratsmitglied (nicht notwendig der Bürgermeister) 
muß die Befähigung zum Richteramte oder höhe- 
ren Verwaltungsdienst besitzen. Ob für andere 
Mitglieder eine besondere Befähigung verlangt 
wird, regelt das Ortsstatut. Dieses bestimmt auch, 
hinsichtlich welcher freiwerdenden Stellen ein Auf- 
rücken nur durch Wahl der Stadtverordneten 
stattfinden kann, ob mehrere Bürgermeister anzu- 
stellen sind, und ob etwa dem 1. der Titel Ober- 
bürgermeister beizulegen ist. Die Annahme der 
Wahl zum besoldeten Rotsmitglied steht im Be- 
lieben des Gewählten; für Annahme und Ab- 
lehnung der Wahl zum unbesoldeten Ratsmitglied 
  
  
gilt das Gleiche wie für die Wahl zum Satdtver- 
ordneten (oben K Za). Die Besoldeten werden ent- 
weder (nach RStO # 86 „in der Regel“, tatsäch- 
lich nur sehr selten) sofort auf Lebenszeit oder auf 
Grund Ortsstatuts zunächst auf 6 bezw. 12 Jahre 
angestellt. Letzteren Falles gilt Wiederwahl als 
Wahlauf Lebenszeit. Wird der Besoldete nicht wie- 
der gewählt, so erhält er die Hälfte seines letzten 
Diensteinkommens als Pension, die jedoch bei 
anderweiter Anstellung in Staats--, Gemeinde- 
oder Privatdienste insoweit ruht, als sie zusam- 
men mit dem neuen Einkommen das frühere 
Diensteinkommen übersteigen würde. Unbesol- 
dete Ratsmitglieder werden auf 6 Jahre mit 
zweijähriger Drittelerneuerung gewählt. Sind 
nur zwei Unbesoldete vorhanden, so dreijähriger 
Wechsel. Sofortige Wiederwahl ist zulässig. Au- 
ßerordentlich erledigte Stellen werden nur für 
den Rest der Amtsdauer der Ausgeschiedenen be- 
setzt. Sämtliche Ratsmitglieder werden bei ihrem 
Amtsantritt und nach Wiederwahl durch den 
Bürgermeister, letzterer durch die Aufsichtsbehörde 
in einer Sitzung des Stadtrats unter Zuziehung 
von Stadtverordneten förmlich verpflichtet. Be- 
urlaubungen der Mitglieder bewilligt der Ge- 
samtrat, die des Bürgermeisters und des Vor- 
standes eines etwa vorhandenen selbständigen 
städtischen Polizeiamtes (Leipzig, Chemnit, 
Plauen, Zwickau) sind bei länger als Stägiger 
Dauer der Ausfsichtsbehörde anzuzeigen. Auszu- 
scheiden aus dem Kollegium haben solche Mitglie- 
der, die die Wählbarkeit verlieren. Unbesoldete 
können ihr Amt auch niederlegen bei Eintritt eines 
Ablehnungsgrundes, nicht jedoch wegen erfüllten 
60. Lebensjahrs. Im übrigen gelten hinsichtlich 
der Disziplinaraufsicht, der Entlassung und Ent- 
setzung der Mitglieder sowie in bezug auf frei- 
willigen Abgang Besoldeter die gesetzlichen Be- 
stimmungen für Zivilstaatsdiener (Gv. 7. 3. 35 
(GV Bl35 S 169 fl, 3. ö. 76/Gl S239 () verb. 
mit dem G v. 23. 8. 78 GVBl 78 S214 fl, betr. 
das Disziplinarverfahren gegen städtische Beamte. 
Nach ersteren ist auch den Besoldeten und ihren 
Hinterlassenen aus der Stadtkasse Pension oder 
Unterstützung zu gewähren, soweit nicht im Orts- 
statut günstigere Bestimmungen enthalten sind. 
Hinterlassene eines nicht mehr im Amte befind- 
lichen, nicht wiedergewählten Ratsmitgliedes ha- 
ben keinen Anspruch. Ueber Zweifel hinsichtlich 
der Statthaftigkeit des freiwilligen Abganges 
entscheidet die Aufsichtsbehörde, bei Differenzen 
über die Pensionsberechtigung sowie in Fällen 
der Suspension, Entlassung oder Entsetzung von 
Ratsmitgliedern das Min Inn nach Gehör der 
Aufsichtsbehörde. Das Min Inn ist überhaupt 
als oberste Dienstbehörde der Ratsmitglieder zu 
betrachten und übt beim Verfahren zum Zwecke 
der unfreiwilligen Dienstentlassung die Befug- 
nisse aus, die nach dem Zivilstaatsdienergesetz der 
Anstellungsbehörde zugewiesen sind. 
b) Geschäftsführung. Die Beschluß- 
fassung erfolgt teils kollegial (d. h. durch den Ge- 
samtrat), wobei einfache Stimmenmehrheit und 
bei Gleichheit die Stimme des Vorsitzenden ent- 
scheidet, teils durch das einzelne Ratsmitglied 
(auf Grund des ihm für einen bestimmten Ge- 
schäftskreis im allgemeinen erteilten Aufstrages 
des Gesamtrates). Kollegialer Beschlußfassung 
bedürfen die Angelegenheiten, die der Mitwirkung 
  
v. Stengel-Flelschmann, Wörterbuch 2. Aufl. II. 6
	        
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