938
Nachtrag (Gemeinde in Hessen)
Nachtrag
Als vorläufige Ergänzung bei Abschluß des 2. Bandes (Mai 1913)
Gemeinde (Hessen) S 938. — Hausarbeit S 939. — Kirchliche Bermögensverwaltung (Barern) S p41. —
Kriegsunterstützungen (Beteranenfürsorge) S945. — Kleinere Ergänzungen E 946.
Gemeinde (Hessen)
A. Organisation (vgl. 5 8 S 96).
I. Die neue Städteordnung v. 8. 7. 11
(Reg Bl Nr. 24) weist u. a. folgende Unterschiede
gegenüber dem alten Rechte auf:
1. Sie gilt für eine Bevölkerung von 15.000
Seelen aufwärts gerechnet.
2. Zur Ausübung des Gemeindewahl-
rechts genügt dreijähriges Wohnen in der
Gem. Die seitherigen Ausnahmevorschriften über
das Wahlrecht der Ortsbürger, der Geistlichen und
Volksschullehrer, der Beamten der Staatsanwalt-
schaft und staatlicher PolBeamten sind gestrichen.
Die Ausübung des Wahlrechts ist bei vorüber-
gehenden Armenunterstützungen und Steuerbe-
freiungen gesichert. Die Formen der neuen Wahl-
vorschriften sind im Anschluß an das Reichstags-
wahlrecht gefaßt.
3. Eine Vereinfachung des Ver-
fahrens und Stärkung der Selbstverwal-
tung ist in dem Verhältnisse zur Staatsaufsicht
erreicht. Dasselbe gilt von dem Gebiete des
städtischen Voranschlags und der Rechnungsstellung.
4. Die Vorschriften über die Ausschüsse,
Deputationen und Kommissionen sind neu gefaßt
und enthalten eine wichtige Neuerung darin, daß
im Interesse der Dezentralisation den
Deputationen bestimmte, an sich zur Zu-
ständigkeit der Stadtverordneten-Versammlung
gehörige, Angelegenheiten zur Erledigung über-
wiesen werden können.
5. Die Vorschriften über die Rechtsverhältnisse
der städtischen Beamten, über die Ruhe-
gehaltsansprüche der Bürgermeister und Beige-
ordneten und über die Disziplinarverhältnisse der
städtischen Beamten wurden neu gefaßt und im
Anschluß an die für den Staat geltenden Grund-
sätze ergänzt. Disziplinarsachen von höherer Be-
deutung werden in Zukunft nur von den Verwal-
tungsgerichten behandelt.
6. Von größter Wichtigkeit sind die neuen Vor-
schriften über die Finanzen, die Regelung,
welche die besonderen Ausschläge, Gebühren und
Abgaben in Titel 7 des Gesetzes erfahren haben.
Die Gebühren und Ausschläge für die Benutzung
gemeinheitlicher Einrichtungen wurden im An-
schluß an die preußische und neuere süddeutsche
Gesetzgebung neu geregelt.
Auch hat das Verhältnis der Städteordnung
zur Allgemeinen Bauordnung eine neue Abgren-
zung erfahren. Die sogenannten, auf der Allge-
meinen Bauordnung beruhenden Anliegerbeiträge
für die Herstellung von Ortsstraßen und Kanälen
wurden erweitert. In bezug auf die Einführung
und Abänderung der Gebühren gibt das neue
Recht eine angemessene Bewegungsfreiheit, indem
die staatliche Ermächtigung hierzu allgemein er-
teilt werden kann. Es trifft endlich Vorschriften
über die Erhebung von Verbrauchsabgaben und
andere Gemeindeabgaben, die nicht durch spezielle
Gesetze geregelt norden sind.
. Die agistratsverfassun at i
der neuen Städteordnung eine Aelruen he en
fahren. Der Magistrat ist nicht nur kollegiales Voll-
zugsorgan für den Bürgermeister innerhalb der
ihm zugewiesenen Angelegenheiten, er hat auch
die städtischen Beamten zu ernennen und anzu-
E und allen Laeishlise der Stadtverordneten-
ersammlung zuzustimmen, deren Ausfü
den- Wus ablez " führung
Die Vorschriften der bisherigen Gesetzgeb
über die Slaatsauf sichto“ nagel E26 S-
teresse der Selbstverwaltung gewisse Einschrän-
kungen erfahren.
II. Die Landgemeindeordnung v.
8. 7. 11 (Reg Bl Nr. 25). Das neue Recht bringt
ahnlich wie bei der Städteordnung, neue Voraus=
setzungen für die Gemeinderats= und Bürger-
meisterwahlen. Es ist möglich, in Land Gem über
3000 Einwohner einen besoldeten Berufsbürger-
meister zu wählen. Die Formen des Wahlrechts
sind dem RIWahlrecht angepaßt. Die Vorschriften
|über die dienstliche Stellung und die Geschäfte des
Bürgermeisters sowie über dessen Bezüge, über
die Dienst= und Gehaltsverhältnisse der Gem-
Beamten wurden neu formuliert im Sinne einer
Sicherstellung der Gem Organe und der Gem Be-
amten. Die Bestimmungen über die besonderen
Ausschläge und Gebühren haben analog den-
jenigen der Städteordnung eine vollständige Um-
arbeitung erfahren. Für Zweckverbände zum wirt-
schaftlichen Betriebe größerer wirtschaftlicher Un-
ternehmungen (Wasser-, Gas= und Elektrizitäts-
werke) wurden besondere Vorschriften gegeben
welche die Mängel der derzeitigen Rechtslage im
Interesse dieser Unternehmungen beseitigen. Die
Stellung der Selbstverwaltung hat durch Verein-
fachung des Instanzenzugs und durch die Stär-