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soeur“ und verschiedener anderer Romane. Sie kam aus Neapel
und blieb mit ihrem Gatten längere Zeit Gast der Herzogin.
Die Kronprinzeß freute sich der interessanten Begegnung. Die
Heimreise erfolgte über Düsseldorf, um dort die Fürstlich Hohen-
zollernsche Familie zu sehen.
Sachsen blühte unter den herrschenden friedlichen Verhält-
nissen. Seine Bevölkerung stieg auf 2⅛ Millionen Einwohner,
die Gartenstadt Dresden zählte deren 1869 über 150,000. Die
Hauptstadt erlitt einen schmerzlichen Verlust dadurch, daß am
21. September 1869 das von Semper 1837 bis 1847
erbaute schöne Hoftheater abbrannte. An seine Stelle trat als
Interimstheater ein provisorischer Rundbau in den Zwinger-
anlagen.
Die erste Hälfte des großen Jahres 1870 verfloß in fried-
licher Ruhe. Die Kronprinzeß besuchte Marienbad und reiste im
Anfang des Juli mit dem Kronprinzen zu den Passionsspielen
in Ober-Ammergau. In dem lieblichen Alpendorfe fanden die
aller zehn Jahre wiederholten Aufführungen der Leidensgeschichte
Christi statt. Auf der Volks= und Festbühne des Dorfes, in-
mitten der Alpennatur, wirkten über 500 Darsteller, alle der
Gemeinde angehörig; die schlichte Kraft der Hauptgestalten,
die wirksame Vorführung von Aufzügen und Volksscenen,
namentlich beim Einzuge Jesu, bei der Kreuztragung und der
Kreuzigung machten einen bedeutenden Eindruck auf die Kron-
prinzeß.