Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Württemberg 
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stimmungen bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben 
mitzuwirken. Hier kommt seine Tätigkeit als 
Gem Gericht, Schätzungsbehörde, Inventurbehör- 
de, Waisenrat, Hinterlegungsstelle beispielsweise 
in Betracht. Die überwachende Tätigkeit des 
Bürgerausschusses besteht hauptsächlich in der 
Ueberwachung des Gempaushalts nach dem 
Voranschlag, und der Durchsicht der Jahresrech= 
nungen, in dem Recht der Beschwerdeführung 
über Gem Rat und Gem Beamte, die Mitverwal- 
tung zeigt sich bei Beschlüssen über die Verände- 
rung des Gem Bezirkes, die Regelung der öffent- 
lichen Abgaben und Gebühren, über Schuldauf- 
nahmen, Grundstocksangriffe, Waldausstockungen, 
Erwerbung von Grundeigentum, wenn der Wert 
eine gewisse Höhe (3000, 2000, 1000 Mk.) über- 
steigt, Uebernahme bleibender Haftverbindlich- 
keiten, Errichtung neuer Gem Aemter, Regelung 
der Beamtengehalte, Nachlässe und Freigebig- 
keitsleistungen: außerdem hat der Bürgerausschuß 
ein allgemeines Recht der Initiative. Eine be- 
sondere Stellung als Organ der Gem nimmt der 
Ortsvorsteher ein. Er ist nicht bloß Vor- 
sitzender des Gem Rats, der als solcher dessen Ge- 
schäftsleitung hat und ihn nach außen hin vertritt, 
sondern auch Leiter der gesamten Gem Verwal- 
tung, der alle eine kollegiale Beschlußfassung, ins- 
besondere eine sachliche Entschließung nicht er- 
fordernden Geschäfte erledigt, die den Gem ge- 
setzlich überlassene Ortspolizei in eigener Zu- 
ständigkeit regelmäßig ohne Mitwirkung des 
Gemats verwaltet und weiterhin das subsidiäre 
unterste Staatsorgan, das alle örtlichen Ge- 
schäfte der allgemeinen Staatsverwaltung voll- 
zieht, soweit hierfür nicht besondere Behörden. 
bestimmt sind. In letzterer Eigenschaft ist der 
Ortsvorsteher namentlich Standesbeamter, Voll- 
streckungsbeamter, Hilfsbeamter der Staatsan- 
waltschaft, Sühnebeamter, Beamter für die Ein- 
kommensteuer, örtlicher Beamter für die Arbeiter- 
versicherung; auf die Mitwirkung des Ortsvor- 
stehers in staatlichen Angelegenheiten besteht 
teilweise ein Anspruch der Gem, die Mitwirkung 
ist eine Pflicht des Ortsvorstehers und erfolgt 
ohne Entgelt aus der Staatskasse, ist somit eng 
verbunden mit der Gen Verwaltung. 
  
schläge können so verbunden werden, daß sie ge- 
genüber andern als ein Vorschlag erscheinen), 
der freien Listen (der Wähler kann die zu 
Wählenden aus verschiedenen Vorschlägen ent- 
nehmen, „panachieren“ und sog. Wilde wählen), 
der beschränkten Stimmenhäufung 
(bis zu 3 Stimmen). Die Verteilung der Stellen 
erfolgt nach dem belgischen Verfahren; die Ge- 
samtzahl der auf einen Wahlvorschlag gefallenen 
Stimmen wird der Reihe nach durch 1, 2, 3 usw. 
geteilt, von den dabei gefundenen Zahlen werden 
so viele Höchstzahlen ausgesondert und der Größe 
nach geordnet, als Mitglieder zu wählen sind, 
jedem Wahlvorschlag werden so viele Stellen 
zugewiesen, als Höchstzahlen auf ihn fallen. Die 
Verteilung der Stellen auf die einzelnen Wahl- 
vorschläge erfolgt nach Maßgabe der Stimmenzahl. 
Die Mitglieder des Gemats beziehen als 
solche keinen Gehalt, sie haben jedoch als Ent- 
schädigung für Zeitversäumnis, wenn dies in 
Gem erster Klasse nicht durch Gem Satzung aus- 
geschlossen und in kleineren Gem durch Satzung 
bestimmt wird, Taggelder im Höchstbetrag von 
5 Mk., 10 Mk. (mittlere Städte), 15 Mk. (große 
Städte). Der Gem Rat kann sich nur auf Beru- 
sung des Vorsitzenden versammeln und verhandelt 
regelmäßig in öffentlicher Sitzung. 
—— 
  
#53. Organisation im einzelnen. Nach diesem 
allgemeinen Zuständigkeitskreis gliedern sich die 
Organe der Gem in 
a) Gemeinderat, bestehend aus dem 
Ortsvorsteher als Vorsitzendem und 4 bis 42 wei- 
teren Mitgliedern je nach der Größe der Gem. 
Die Mitglieder werden von den wahlberechtigten 
Bürgern aus ihrer Mitte auf 6 Jahre regelmäßig 
im Dezember durch unmittelbarc geheime Stimm- 
abgabe in der Art gewählt, daß je nach 2 Jahren 
ein Dritteil ausscheidet und durch neue Wahl er- 
setzt wird. Bei der Wahl entscheidet die verhält- 
nismäßige Stimmenmehrheit und bei Stimmen- 
gleichheit das Los. In großen und mittleren 
Städten erfolgt die Wahl nach dem Grundsatz 
der verhältnismäßigen Vertretung der Wähler 
(Proportionalwahl). 
Das Abstimmungsverfahren erfolgt hierbei 
nach dem System der konkurrierenden 
Listen (die Abstimmung geschieht nicht nur für 
eine bestimmte Person, sondern gleichzeitig für 
den Wahlvorschlag einer Wählervereinigung), 
der Listenkoppelung (mehrere Wahlvor- 
  
b) Bürgerausschufß. Die Zahl der Mit- 
glieder ist so groß, wie diejenige des Gem Rats 
einschließlich des Ortsvorstehers. Die Wahl er- 
folgt in gleicher Weise wie beim GemRat, jedoch 
nur auf die Dauer von 4 Jahren. Die Mitglieder 
des Gemats sind vom Eintritt in den Bürger- 
ausschuß ausgeschlossen und erhalten als solche 
keinen Gehalt. Bezüglich der Taggelder sind sie 
den Gemzatsmitgliedern gleichgestellt. Der Bür- 
gerausschuß wählt aus seiner Mitte einen Ob- 
mann. Diejenigen Gegenstände, bei denen die 
Beschlüsse des Gem Rats der Zustimmung des 
Bürgerausschusses bedürfen, sind in der Regel 
zunächst in gemeinsamer Sitzung beider Kollegien 
zu beraten, die Beschlußfassung erfolgt in abge- 
sonderter Abstimmung. Besteht eine Meinungs- 
verschiedenheit zwischen den beiden Kollegien, so 
ist, wenn der Gem-Rat es beschließt, eine Ab- 
stimmung des vereinigten Kollegiums ohne Un- 
terscheidung der jedem Kollegium zugehörigen 
Stimmen (Durchzählung) herbeizuführen. Bei 
dieser Abstimmung steht sowohl dem Ortsvorsteher 
als dem Obmann des Bürgerausschusses eine 
Stimme zu, bei Stimmengleichheit ist der Be- 
schluß als nicht zustande gekommen zu betrachten. 
c) Ortsvorsteher. Die Besonderheit in 
Württemberg besteht darin, daß der Ortsvor- 
steher von den wahlberechtigten Gem Bürgern 
unmittelbar in geheimer Wahl gewählt wird, die 
frühere lebenslängliche Amtsdauer ist nach wechsel- 
vollen Verhandlungen in der Gem Ordnung für 
die vor der Verkündigung des Gesetzes gewählten 
Ortsvorsteher erhalten geblieben, für die nachher 
gewählten Ortsvorsteher auf einen Zeitraum 
von 10 Jahren eingeschränkt worden. Wählbar 
ist jeder Deutsche nach Zurücklegung des 25. 
Lebensjahres, sofern nicht die auch den Ausschluß 
von sonstigen Gem Wahlen herbeiführenden 
Gründe zutreffen, von dem Alterserfordernis ist 
eine Entbindungsmöglichkeit vorgesehen. Die 
Wahl bedarf der Bestätigung durch die Kreisregie- 
rung, in großen Städten durch den König; die
	        
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