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Orte recht illusorisch ist das Verbot der Zu-
lassung säumiger Abgabenpflichtiger und aus
Armenmitteln Unterstützter. Nichtöffentliche T.
bedürfen der Erlaubnis nur in nicht tanzberechtig-
ten Wirtschaften und können, wenn sie zufällig
veranstaltet werden, noch nach Beginn eingetragen
werden.
3. Württemberg: Zuständigkeit in Kgl V
v. 27. 12. 72/22. 5. 95: für gewöhnliche Werktage
der Ortsvorsteher, für gewöhnliche Sonn= und
Festtage und Werktage der Advents- und Fasten-
zeit das Oberamt, Karwoche, Sonntage der Ad-
vents= und Fastenzeit, hohe Feiertage und Buß-
tage Min Inn; mit Genehmigung des Oberamts
für gewöhnliche Sonntage auch Ortspolizei unter
Zustimmung des Gemeinderats.
4. Baden: Zuständigkeit V Min Inn v. 29. 11.
65. Bezirksamt in Städten mit örtlicher Staats-
polizei unmittelbar, sonst durch Vermittlung des
Bürgermeisteramts. T. geschlossener Gesellschaften
muß der Wirt anzeigen und dabei, wenn nötig,
Verlängerung der PolStunde erbitten. Poli-
zeilich recht zweckmäßig ist die Bestimmung, daß
Wirten, die bei T. in ihren Wirtschaften Unord-
nungen dulden oder den Vorschriften über öffent-
liche T. zuwiderhandeln, die Erlaubnis auch in
den Fällen, in denen sie regelmäßig zu gewähren
ist, versagt werden kann.
5. Hessen: Zuständigkeit Min A Nr. 49 von
1833, Nr. 1 und 14 von 1872: Lokalpolizeiamt
unter Bericht an das Kreisamt, für improvisierte
Tänze auf Privatgesellschaften Lokalpolizeiamt,
in Städten der Bürgermeister (MA v. 1. 2. 82).
Geschlossenen Gesellschaften kann an gewissen
Tagen, an denen sonst die Erlaubnis zu versagen
ist (Vorabend Advent, Advent= und Fastenzeit),
diese erteilt werden (Min A. Nr. 56 von 1886).
Wenn bei T. Polizeiwidrigkeiten vorkommen, soll
der betr. Wirtschaft, eventuell allen Wirtschaften
des Orts zeitweise keine Erlaubnis mehr erteilt
werden (Landtagsabschied v. 25. 6. 1827 F 33,
Min E v. 11. 7. 1827).
6. Elsaß-Lothringen: Für Oberelsaß Prä-
fektural V v. 20. 7. 49, für Unterelsaß Präfektural-
Vv. 21. 1. 1812 und v. 29. 8. 55. Für Lothringen
besteht eine allgemeine Verordnung über T. nicht,
doch sind durchgängig in den einzelnen Gemeinden
Ortspolizeiverordnungen erlassen, die die öffent-
lichen T. regeln und ihre Abhaltung von besonderer
ortspolizeilichen Erlaubnis abhängig machen.
5 4. Ueber Lustbarkeitsstenern # Bd. II, 801.
Wolzendorsf'.
Tarifvertrag
& 1. Begriff und Bedeutung des Tarifvertrags. 1 2. Ge-
schichtliches. 5 3. Inhalt (Verbandszwang). Dauer. 1 4.
Vertragsparteien. 1 5. Form und Zustandekommen des
Vertrages. # 6. Rechtswirkung des Bertrages.
#s# 1. Begriff und Bedeutung. Durch einen T.
vereinbaren ein Arbeitgeber oder eine organisierte
oder auch unorganisierte Mehrheit von Arbeit-
gebern einerseits und auf der anderen Seite ein-
Tanzlustbarkeiten — Tarifvertrag
zelne Arbeiter oder eine organisierte oder auch un-
organisierte Gruppe von Arbeitern die Festsetzung
künftiger Arbeitsbedingungen zur Vermeidung von
Ausständen und Aussperrungen. Nach der Bezeich-
nung „Tarifvertrag" („Arbeitstarifvertrag") scheint
es als ob Lohnbestimmungen wesentlich seien. Dies
ist nicht richtig, da es T. gibt, die über Löhne
nichts enthalten. Freilich behandelte der größte
Teil der T. von jeher und anfangs wohl aus-
schließlich Lohnfragen. Diesen Umständen ver-
dankt der Vertrag seinen Namen, der (von Lotmar
festgehalten) sich eingebürgert hat und in den Ver-
öffentlichungen des Reichsstatistischen Amts wie
im Hausarbeitsgesetz angenommen ist. Der „Tarif-
vertrag" wird sich deswegen kaum von der durch
Sinzheimer gewählten richtigeren Benennung
„Arbeitsnormenvertrag" verdrängen lassen.
Die T. sind nicht Arbeitsverträge (kollektive
Arbeitsverträge) oder Vorverträge zu solchen.
Vielfache Konstruktionen sind versucht worden.
Man hat sie zu Gesellschaftsverträgen oder gar zu
Koalitionen, erklärt. Sie sollen Vergleiche, Ar-
beitsordnungen, Verträge zugunsten Dritter, zu
Lasten Dritter sein. Keine dieser Konstruktionen
hat durchschlagende Anerkennung gefunden. Der
T. ist ein Vertrag eigener Art, der sich unter die
bestehenden Rechtsformen nicht bringen läßt.
Wir finden die T. hauptsächlich verbreitet unter
den gewerblichen Arbeitgebern und Arbeitern. Sie
sind überall entstanden als Folgen des von Arbeit-
gebern ausgeübten Druckes, namentlich beim Ab-
schluß der Arbeitsverträge und der hierdurch verur-
sachten organisierten Selbsthilfe der Arbeiter. Tie
Ausnutzung der Ohnmacht des einzelnen Arbeiters
vermögen T. und dahinterstehende starke Arbeiter-
organisationen zu verhindern. Sie verschaffen den
Arbeitern gleichmäßigere und höhere Löhne. Mit
Ausnahme einiger „lokalorganisierter“ Berufs-
vereine der Arbeiter dürften die Gewerkschaften
aller Schattierungen zu Freunden der T. zählen.
Bei den Arbeitgebern, die durch den Ansturm
der Arbeiterorganisationen veranlaßt, sich, ähnlich
wie diese, allmählich zu kraftvollen und mächtigen
Verbänden vereinigten, besitzen die T. eine ziem-
lich starke Anhängerschaft im Handwerk und in
der Industrie. Die Großindustrie ist in Deutsch-
land bisher verhältnismäßig wenig von der Tarif-
bewegung erobert worden, während in England
die kollektive Vertragsschließung gerade ihren
Schwerpunkt in der Großindustrie hat.
Der Zentralverband deutscher Industrieller —
Führer der Gegner der T. — hat verschiedentlich
als seine Ansicht bekundet, daß der Abschluß von
T. zwischen den Arbeitgeberorganisationen und
den Organisationen der Arbeiter der deutschen In-
dustrie und ihrer gedeihlichen Fortentwicklung ge-
fährlich sei. (Vgl. dazu Köppe, Der Arbeitstarif=
vertrag als Gesetzgebungsproblem, S 233, 243,
244, 255, 287, und Ettinger IV. Bd. der Ver-
handlungen des 29. Deutschen Juristentages,
176 und 177). Einzelne Arbeitgeberverbände,
welche früher Feinde der T. waren, sind inzwischen.
zu Anhängern der von ihnen ehemals bekämpften
Verträge geworden.
Bei dem Abschluß der T. spielen die wechselnden
Machtverhältnisse der Parteien eine Rolle und
drücken den Bestimmungen des Vertrages —
je nach dem Uebergewicht der Arbeitgeber oder
Arbeiter — ihren Stempel auf. Hierdurch ver-