Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
578 
Orte recht illusorisch ist das Verbot der Zu- 
lassung säumiger Abgabenpflichtiger und aus 
Armenmitteln Unterstützter. Nichtöffentliche T. 
bedürfen der Erlaubnis nur in nicht tanzberechtig- 
ten Wirtschaften und können, wenn sie zufällig 
veranstaltet werden, noch nach Beginn eingetragen 
werden. 
3. Württemberg: Zuständigkeit in Kgl V 
v. 27. 12. 72/22. 5. 95: für gewöhnliche Werktage 
der Ortsvorsteher, für gewöhnliche Sonn= und 
Festtage und Werktage der Advents- und Fasten- 
zeit das Oberamt, Karwoche, Sonntage der Ad- 
vents= und Fastenzeit, hohe Feiertage und Buß- 
tage Min Inn; mit Genehmigung des Oberamts 
für gewöhnliche Sonntage auch Ortspolizei unter 
Zustimmung des Gemeinderats. 
4. Baden: Zuständigkeit V Min Inn v. 29. 11. 
65. Bezirksamt in Städten mit örtlicher Staats- 
polizei unmittelbar, sonst durch Vermittlung des 
Bürgermeisteramts. T. geschlossener Gesellschaften 
muß der Wirt anzeigen und dabei, wenn nötig, 
Verlängerung der PolStunde erbitten. Poli- 
zeilich recht zweckmäßig ist die Bestimmung, daß 
Wirten, die bei T. in ihren Wirtschaften Unord- 
nungen dulden oder den Vorschriften über öffent- 
liche T. zuwiderhandeln, die Erlaubnis auch in 
den Fällen, in denen sie regelmäßig zu gewähren 
ist, versagt werden kann. 
5. Hessen: Zuständigkeit Min A Nr. 49 von 
1833, Nr. 1 und 14 von 1872: Lokalpolizeiamt 
unter Bericht an das Kreisamt, für improvisierte 
Tänze auf Privatgesellschaften Lokalpolizeiamt, 
in Städten der Bürgermeister (MA v. 1. 2. 82). 
Geschlossenen Gesellschaften kann an gewissen 
Tagen, an denen sonst die Erlaubnis zu versagen 
ist (Vorabend Advent, Advent= und Fastenzeit), 
diese erteilt werden (Min A. Nr. 56 von 1886). 
Wenn bei T. Polizeiwidrigkeiten vorkommen, soll 
der betr. Wirtschaft, eventuell allen Wirtschaften 
des Orts zeitweise keine Erlaubnis mehr erteilt 
werden (Landtagsabschied v. 25. 6. 1827 F 33, 
Min E v. 11. 7. 1827). 
6. Elsaß-Lothringen: Für Oberelsaß Prä- 
fektural V v. 20. 7. 49, für Unterelsaß Präfektural- 
Vv. 21. 1. 1812 und v. 29. 8. 55. Für Lothringen 
besteht eine allgemeine Verordnung über T. nicht, 
doch sind durchgängig in den einzelnen Gemeinden 
Ortspolizeiverordnungen erlassen, die die öffent- 
lichen T. regeln und ihre Abhaltung von besonderer 
ortspolizeilichen Erlaubnis abhängig machen. 
5 4. Ueber Lustbarkeitsstenern # Bd. II, 801. 
Wolzendorsf'. 
Tarifvertrag 
& 1. Begriff und Bedeutung des Tarifvertrags. 1 2. Ge- 
schichtliches. 5 3. Inhalt (Verbandszwang). Dauer. 1 4. 
Vertragsparteien. 1 5. Form und Zustandekommen des 
Vertrages. # 6. Rechtswirkung des Bertrages. 
#s# 1. Begriff und Bedeutung. Durch einen T. 
vereinbaren ein Arbeitgeber oder eine organisierte 
oder auch unorganisierte Mehrheit von Arbeit- 
gebern einerseits und auf der anderen Seite ein- 
  
Tanzlustbarkeiten — Tarifvertrag 
zelne Arbeiter oder eine organisierte oder auch un- 
organisierte Gruppe von Arbeitern die Festsetzung 
künftiger Arbeitsbedingungen zur Vermeidung von 
Ausständen und Aussperrungen. Nach der Bezeich- 
nung „Tarifvertrag" („Arbeitstarifvertrag") scheint 
es als ob Lohnbestimmungen wesentlich seien. Dies 
ist nicht richtig, da es T. gibt, die über Löhne 
nichts enthalten. Freilich behandelte der größte 
Teil der T. von jeher und anfangs wohl aus- 
schließlich Lohnfragen. Diesen Umständen ver- 
dankt der Vertrag seinen Namen, der (von Lotmar 
festgehalten) sich eingebürgert hat und in den Ver- 
öffentlichungen des Reichsstatistischen Amts wie 
im Hausarbeitsgesetz angenommen ist. Der „Tarif- 
vertrag" wird sich deswegen kaum von der durch 
Sinzheimer gewählten richtigeren Benennung 
„Arbeitsnormenvertrag" verdrängen lassen. 
Die T. sind nicht Arbeitsverträge (kollektive 
Arbeitsverträge) oder Vorverträge zu solchen. 
Vielfache Konstruktionen sind versucht worden. 
Man hat sie zu Gesellschaftsverträgen oder gar zu 
Koalitionen, erklärt. Sie sollen Vergleiche, Ar- 
beitsordnungen, Verträge zugunsten Dritter, zu 
Lasten Dritter sein. Keine dieser Konstruktionen 
hat durchschlagende Anerkennung gefunden. Der 
T. ist ein Vertrag eigener Art, der sich unter die 
bestehenden Rechtsformen nicht bringen läßt. 
Wir finden die T. hauptsächlich verbreitet unter 
den gewerblichen Arbeitgebern und Arbeitern. Sie 
sind überall entstanden als Folgen des von Arbeit- 
gebern ausgeübten Druckes, namentlich beim Ab- 
schluß der Arbeitsverträge und der hierdurch verur- 
sachten organisierten Selbsthilfe der Arbeiter. Tie 
Ausnutzung der Ohnmacht des einzelnen Arbeiters 
vermögen T. und dahinterstehende starke Arbeiter- 
organisationen zu verhindern. Sie verschaffen den 
Arbeitern gleichmäßigere und höhere Löhne. Mit 
Ausnahme einiger „lokalorganisierter“ Berufs- 
vereine der Arbeiter dürften die Gewerkschaften 
aller Schattierungen zu Freunden der T. zählen. 
Bei den Arbeitgebern, die durch den Ansturm 
der Arbeiterorganisationen veranlaßt, sich, ähnlich 
wie diese, allmählich zu kraftvollen und mächtigen 
Verbänden vereinigten, besitzen die T. eine ziem- 
lich starke Anhängerschaft im Handwerk und in 
der Industrie. Die Großindustrie ist in Deutsch- 
land bisher verhältnismäßig wenig von der Tarif- 
bewegung erobert worden, während in England 
die kollektive Vertragsschließung gerade ihren 
Schwerpunkt in der Großindustrie hat. 
Der Zentralverband deutscher Industrieller — 
Führer der Gegner der T. — hat verschiedentlich 
als seine Ansicht bekundet, daß der Abschluß von 
T. zwischen den Arbeitgeberorganisationen und 
den Organisationen der Arbeiter der deutschen In- 
dustrie und ihrer gedeihlichen Fortentwicklung ge- 
fährlich sei. (Vgl. dazu Köppe, Der Arbeitstarif= 
vertrag als Gesetzgebungsproblem, S 233, 243, 
244, 255, 287, und Ettinger IV. Bd. der Ver- 
handlungen des 29. Deutschen Juristentages, 
176 und 177). Einzelne Arbeitgeberverbände, 
welche früher Feinde der T. waren, sind inzwischen. 
zu Anhängern der von ihnen ehemals bekämpften 
Verträge geworden. 
Bei dem Abschluß der T. spielen die wechselnden 
Machtverhältnisse der Parteien eine Rolle und 
drücken den Bestimmungen des Vertrages — 
je nach dem Uebergewicht der Arbeitgeber oder 
Arbeiter — ihren Stempel auf. Hierdurch ver- 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.