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wäre. Es handelt sich ja gar nicht um irgend eine Verfügungs-
competenz der Stände. Ihr Recht hinsichtlich der Beschwerden
Einzelner ist ein selbständiges, in seiner Art ganz allgemeines
Recht, das neben allen übrigen Zuständigkeiten der Stände hergeht.
§ 23 der Landtagsordn. anerkennt übrigens auch ein Recht
der Einzelnen, sich mit Petitionen an die Stände zu wenden,
was auch der Verfassung entsprechen dürfte (Vll. § 36 „Wünsche“);
ebenso ist es gewiß richtig, wenn § 23 dieses Recht dem Einzelnen
nur ertheilt in eigenen Angelegenheiten. Von diesen Bitten gilt
dann dasselbe, was von den Beschwerden. Die Scheidung zwischen
beiden ist in der That schwer, weil eine Beschwerde nicht blos
die beschwerende Handlung rechtlich angreift, sondern Hilfe fordert,
was in das Gebiet der staatlichen Freiheit hinüberführen kann.
Beschwerden und Petitionen Einzelner können von den Ständen
nur in Uebereinstimmung beider Kammern weiter gebracht werden.
Dies ergiebt sich nicht blos aus der „Discussion in beiden Kam-
mern“ in § 111, sondern schon daraus, daß in §§ 36 und 111
nur von den Ständen die Rede ist, und aus der allgemeinen
Regel oben S. 153 4.
(1 In dem Beschwerderecht der Stände vollzieht sich zu
einem Theil die Verantwortlichkeit der Minister gegenüber den
Ständen nach § 41 der Vu. Also nicht die Stände sind das
Organ, dem die Minister hinsichtlich der Verantwortlichkeit unter-
worfen sind, sondern der König. Die Stände haben aber das
selbständige Recht, die Geltendmachung dieser Verantwortlichkeit
anzuregen und zu fordern. Es gehört dies zu ihrer Kontroll-
sunction, die nur, anders als die Aufsichtsfunction der Staats-
organe, kein Unterordnungsverhältniß in sich schließt.
Es muß aber den Ständen auch die Möglichkeit gegeben
sein, sich über die Wirksamkeit der Regierung zu unterrichten
s. o. S. 158 und weiter Landtagsordn. §§ 28, 29, 30. In dieser
Richtung liegt auch das in § 31 der Landtagsordn. den einzelnen
Kammermitgliedern ertheilte Recht zu Interpellationen (Anfragen
in der Kammersitzung an die Staatsregierung) in Betracht.
5. Die Ständische Beschwerde kann zur Verfassungsbeschwerde
und dadurch zur Verfassungsgarantie werden Vll. 8§ 140. Vor-
aussetzung ist „Verletzung der Verfassung“ d. h. es muß von den