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sofern sie bis dahin im Königreich Sachsen noch nicht zugelassen
waren, einerlei, ob sie außerhalb Sachsens schon bestanden oder
nicht, und ob das betreffende Glaubensbekenntniß schon anderwärts
aufgestellt war oder nicht. Die staatliche Genehmigung giebt
diesen Religionsgesellschaften das Recht, unter Oberaufsicht des
Staates gottesdienstliche Zusammenkünfte in dazu bestimmten
Räumlichkeiten zu veranstalten, und sowohl hier als in Privat-
wohnungen der Mitglieder die ihren Religionsgrundsätzen ent-
sprechenden Gebräuche auszuüben, auch eigene Prediger und Reli-
gionslehrer anzunehmen. Freie öffentliche Religionsübung haben
sie nicht, dies ist das Vorrecht der recipirten christlichen Kirchen.
V. Die Freiheit des Individuums in religiöser Hinsicht ist
nun gewährt einestheils durch die Gewissensfreiheit, anderntheils
durch die Unabhängigkeit der bürgerlichen und staatsbürgerlichen
Rechte von der Confession. Das Recht des Einzelnen zur Theil-
nahme an der Bildung von Religionsgesellschaften ergiebt sich
gleichfalls von selbst aus den vorstehenden Erörterungen. Nun
fragt sich aber noch weiter, wie es sich mit dem Austritt des
Einzelnen aus einer Religionsgesellschaft, der er bisher angehörte,
sowie mit dem Eintritt in eine schon bestehende Religionsgesell-
schaft, der er bisher noch nicht angehörte, insbesondere mit dem
Uebertritt von einer Religionsgesellschaft zur andern verhält. Und
hierbei handelt es sich einmal von dem selbständigen Recht des
Individuums zum Austritt, Eintritt und Uebertritt, sodann von
der Wirkung der Confession der Eltern für die Kinder, insbeson-
dere bei gemischten Ehen, und von der rechtlichen Kraft des Willens
der Eltern für die Confession der Kinder überhaupt. Ganz von
selbst verbindet sich mit diesen Fragen die Frage nach der recht-
lichen Möglichkeit der Confessionslosigkeit. Eine solche war früher
nicht geduldet Jeder mußte nach strengem Recht einem zugelassenen
Glaubensbekenntniß angehören. Somit war auch nicht Eintritt
oder Austritt für sich allein, sondern nur Uebertritt denkbar.
Auch die Gewissensfreiheit des § 32 der Verfassungsurkunde hat
ohne Zweifel Glaubenslosigkeit nicht anerkennen wollen. Selbst
das Sächs. Gesetz von 5. Dezember 1868 und das Reichsgesetz
vom 3. Juli 1869 schließen nicht jeden Zweifel in dieser Hinsicht
aus. Jedenfalls wurde noch bei der Verabschiedung des oben 1V
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