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bestimmten Zeit verkündet worden, so läuft die
Berufungsfrist vom Tage der Verkündung, in
den übrigen Fällen vom Tage der Zustellung
des Urtheils an.
Art. 89.
Eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens
gegen Endurtheile ist in Uebertretungsfällen nicht
zulässig.
2. Strafverfolgung wegen Beleidi-
gungen.
Art. 90.
Für die nach §. 185 des Strafgesetzbuches
für das Deutsche Reich zu beurtheilenden Be-
leidigungen gelten, soferne es sich nicht um einen
der in den S§. 196 und 197 des gedachten Ge-
setzbuches erwähnten Fälle handelt, die in den
nachfolgenden Artikeln 91 bis 98 enthaltenen
besonderen Bestimmungen über das Verfahren.
Art. 91.
Eine gerichtliche Einschreitung findet nur
dann statt, wenn bei dem Strafgerichte Klage
erhoben wird und der Kläger die erforderlichen
Beweismittel beibringt, beziehungsweise anzeigt.
Die Legitimation zur Erhebung der Klage
ist nach den einschlägigen Bestimmungen des
Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich über
das Recht zur Stellung des Antrages auf Straf-
verfolgung zu beurtheilen.
Art. 92.
In den Landestheilen rechts des Rheins
hat das Gericht die vom Kläger oder vom Be-
klagten benanuten Zeugen vorladen zu lassen,
wenn die betreffende Partei dies verlangt und
die Kosten sowohl für die Vorladung als auch
für die Entschädigung der Zeugen baar erlegt.
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Art. 93.
Ist der Kläger kein Deutscher und besitzt
derselbe auch keine liegenden Güter innerhalb
des Deutschen Reichs, so kann auf Antrag des
Staatsanwalts oder des Beklagten die gericht-
liche Einschreitung so lange ausgesetzt werden,
bis der Kläger für die ihn allenfalls treffenden
Kosten eine entsprechende Caution, deren Betrag
vom Richter festzusetzen ist, geleistet hat.
Art. 94.
Der Kläger und der Beklagte können sich
vor Gericht durch einen Bevollmächtigten ver-
treten oder auch durch einen Rechtskundigen ver-
beistanden lassen.
Die Urtheilsfällung erfolgt nach Anhörung
des Staatsanwaltes.
Eine Berufung steht dem letzteren nicht
zu, wohl aber dem Kläger und dem Beklagten.
Hat nur der Beklagte Bernfung eingelegt, so
kann das Urtheil nicht zu seinem Nachtheile ab-
geändert werden.
Art. 95.
Wird der Beklagte verurtheilt, so ist dieser,
wird er freigesprochen, so ist der Kläger in alle
Kosten zu verurtheilen. Wurden Rechtsmittel
ergriffen, so fallen die hiedurch entstandenen
Kosten, wenn der hiebei unterliegende Theil selbst
das Rechtsmittel ergriffen hat, diesem, anderen
Falles dem in der Hauptsache Unterliegenden
zur Last und sie können nur in dem Falle, daß
beide Theile Rechtsmittel ergriffen haben und
unterlegen sind, verglichen werden.
In die Kosten sind auch diejenigen, welche
dadurch, daß sich die Parteien oder eine der-
selben durch einen Bevollmächtigten vertreten oder
durch einen Rechtskundigen verbeistanden ließen,