Ich halte diese Idee eines europäischen Menschen
für grundsätzlich verkehrt. Der ganze Gedanke ist,
scheint mir, falsch gedacht, wie folgende Erwägungen
erkennen lassen.
Die Konstruktion eines „europäischen Menschen“
als dem ziele unserer Entwicklung geht wie alle ganzen
oder teilweisen „Menschheitsideale", die in deutschen
Seelen lebendig werden (soweit sie nicht in christlichen
nschauungen verankert sind), auf die humanitäts-
ideen unserer „Meimarer“ zurück. Unter diesen ist
es ja vor allem herder gewesen, der diese Idee ent-
faltet hatte: daß es die höchste Aufgabe jedes Menschen
auf Erden sei, seinem „idealistischen Menschen“, das
heißt seiner eigenen, gottähnlichen Idee sich anzu-
nähern. Das — und nicht etwas ganz Slaches, wie
dann unter dem Einfluß der Westeuropäer daraus ge-
macht wurde — ist der Sinn des Begriffes humanität
bei jenen edlen Geistern. „Ich wünschte“, heißt es bei
berder, „daß ich in das Wort humanität alles fassen
könnte, was ich bisher über des Menschen edle Bildung
zur Dernunft und Sreiheit, zu feineren Sinnen und
Grieben, zur zartesten und stärksten Gesundheit, zur
Erfüllung und Beherrschung der Erde gesagt habe;
denn der Mensch hat kein edleres Wort für seine Be-
stimmung, als er selbst ist, in dem das Bild des Schöp-
fers unserer Erde, wie es hier sichtbar werden konnte,
abgedrückt lebt.“
Uun hatten aber schon die Männer jener Tage
einsehen müssen, daß die Sugehörigkeit des Menschen
zu den verschiedenen Dölkern völlig voneinander ab-
weichende Geister und Charaktere erzeugte. Wir er-
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