184 Der Feldzug 1870/71. Das Deutsche Reich bis 1873.
Franzosen wünschen ganz ernsthaft, Lehmann 1) möchte sich
zum König von Frankreich machen, aber mit seiner Armee,
um Ordnung zu schaffen, wir hätten ja genug Soldaten von
ihnen drüben, um unsere Garnisonen zu besetzen. Das sollen
Leute wirklich nach Versailles geschrieben haben, wie mir
Francke sagte.“ Ich möchte wissen, ob das nur ein Gerücht
war, oder ob wirklich ernsthafte Leute so abgeschmacktes Zeug
ausgedacht hatten.
Wenn Albert bisher immer gerechnet hatte, der Krieg würde
nicht mehr lange dauern, so kam er doch allmählich auf an-
dere Gedanken, namentlich als ihm Moltke schrieb, es scheine
sich eine Krisis in Paris vorzubereiten. Auf jeden Fall
meinte er nun, würde die Geschichte noch lange dauern.
Im Brief vom 10. November schreibt er Carola, er habe ein
Lazarett besucht, da habe er einmal ihre Nolle gespielt. Am
12, schreibt er: „AUur eine Bitte: Schicke mir doch eine
Photographie von Dir, alle meine sind so fest eingerahmt,
daß ich sie nicht mitnehmen konnte. Ich möchte so gern Dein
liebes Gesicht immer vor mir haben.“ Als am 17. November
mein Bruder Max zur Welt kam, nahm er den innigsten An-
teil. Es war ja sein Patenkind. Wenige Tage darauf, am
21., konnte er für Photographien danken. „Sie sind auch nicht
geschmeichelt und auch zu ernst, so habe ich doch Dein liebes
Bild immer vor mir — welches mit Hilfe der Phantasie mir
die Illusion Deines Naheseins vorzaubert.“ Wieder hatte die
liebende Gattin an sein Herz geklopft und ihn an seine reli-
giösen Pflichten gemahnt, besonders an den Empfang der
Sakramente. Darauf schreibt er: „Deinen Wunsch wegen der
Kommunion konnte ich leider nicht erfüllen, ich hatte selbst
daran gedacht (21.), allein einestheils habe ich hier keinen
deutschen Geistlichen. Dann sind wir immer au qui vive,
namentlich ich, da wir noch immer den großen Auffall er-
1) Prinz Wilhelm von Preußen, der spätere König und Kaiser,
war unter diesem Aamen 1848 nach England geflohen. Derselbe
blieb ihm als Spitzname.