Fürstenbesuche. Landesreisen. 221
kehrte. Sie traf immer zu Tisch ein, wenn der Hoftrompeter
dazu blies. Anfang Juni reiste Albert nach Bad Ems, um
dort den Kaiser Alexander II. von Rußland zu besuchen, ver—
mutlich, um ihm für die Ernennung zum russischen General-
feldmarschall mündlich zu danken.
Am 7. Juli machte Alexander ll. seinen Gegenbesuch in
Pillnitz, der seinerzeit viel besprochen worden ist. Er gehört
zu meinen frühesten gewonnenen Erinnerungen. Der Emp-
fang hatte in Aieder-Sedlitz am Bahnhof stattgefunden.
Von da fuhr der Wagen mit Kaiser und König unter Eskorte
von Gardereitern nach Pillnitz. Da das zahlreiche Gefolge
zum Teil nicht mit auf der Fähre überfahren konnte, wurde
es in Gondeln übergesetzt und direkt nach dem Schloß gebracht.
Dieses ist, was ich als Kind mit angesehen habe. Miich
entzückten die reichen Uniformen. Die berfahrt der WMaje-
stäten sah ich nur von weitem. Sie fuhren dann nach dem
Schloßhof. Durch einen unglücklichen Zufall fiel die Eskorte
in Galopp. Die Pferde des Wagens gingen durch. Der
Kaiser sprang aus dem Wagen, während der König sitzen
blieb. So raste der Wagen an der Stelle vorbei, wo die drei
Königinnen zum Empfang standen. Bald beruhigten sich die
Pferde. Die Sache verlief infolgedessen ganz harmlos. Aber
der Kaiser war so entsetzt, daß er, als meine Mutter ihm
vorgestellt wurde, noch leichenblaß und nicht imstande war,
ein Wort zu sagen. NAachher bat er sogar selbst für die Rück-
fahrt um andere Pferde, was doch selbstverständlich war.
Aus der ganzen Sache wurde ein Attentat gemacht, der
Kutscher sei ein Pole usw. Die Abfahrt in geschlossenem
Galawagen sahen wir Kinder dann von unserem Grundstück
in Hosterwitz.
Vorher und nachher unternahmen die Maojestäten Aeisen
im Land. Das war eine schöne Sitte, die schon mein Groß-
vater eingeführt hatte. Dadurch bekamen viele Leute im
Lande draußen ihren König zu sehen. Im ersten Sommer
wurden Freiberg, Chemnitz, Zwickau, Plauen, Schneeberg,