222 Regierungsantritt und erste Königsjahre (1873—78).
Kamenz, Bautzen und Zittau besucht. An allen Orten fand
begeisterter Empfang statt. In den Garnisonen waren Pa-
raden der Truppenteile. So hatte Albert schon in wenigen
Monaten die größten und wichtigsten Städte seines Landes
besucht und dadurch seine schon an und für sich große Popu-
larität noch wesentlich erhöht. Vom 22. Juli bis 17. August
nahm er Aufenthalt in Ostende, um dort die Seebäder
zu gebrauchen. Vielleicht tat er das wieder einmal gegen das
Heufieber, das ihn bis zu seinem 50. Jahr mehr oder minder
stark verfolgte. Ende August und Anfang September wohnte
er dann den Manöbern unseres Korps bei, um sich von
dessen Schlagfertigkeit zu überzeugen. Das hat er durch
lange Jahre beibehalten, bis ihn die Krankheit zwang, davon
zu seinem großen Leidwesen abzusehen. Auch österreichischen
Manövern wohnte er bei Brandeis in Böhmen bei. In
seinem Verhältnis zur österreichischen Armee war insofern
eine Anderung eingetreten, als er nach seiner Thronbesteigung
nicht mehr Oberst-Inhaber des 11. Infanterieregiments blieb,
sondern des 3. Dragonerregiments wurde, das in der ganzen
k. u. k. Armee nur als Sachsendragoner bezeichnet wurde.
Trotz aller dieser Tätigkeit und militärischen Besichtigungen
liefen die Geschäfte mit den Ministern immer fort. Es war
hergebracht, daß er stets am Montag und Freitag zu den
Vorträgen derselben ins Schloß nach Dresden kam. Ich weiß
selbst aus Erfahrung, da ich in den ersten Monaten des
Jahres 1911 meinen königlichen Bruder während seiner
Sudanreise vertreten mußte, was alles bei solchen Vorträgen
vorkommt. Vieles sind ja scheinbar Kleinigkeiten, aber sie
müssen doch erledigt werden. Manches ist sehr wichtig und
verlangt genaue Uberlegung. Dazu kommen noch die täglichen
Mappen aus den Ministerien, die zu erledigen sind. König
Albert hat mit vielen seiner Minister in Briefwechsel ge-
standen. Seine Briefe haben mir, soweit sie erhalten sind,
vorgelegen. Ich werde noch manches Mal auf sie zurück-
kommen. Die Anrede lautet gewöhnlich: Liebster Freund.