230 Regierungsantritt und erste Königsjahre (187378).
mit Stolz und Befriedigung die militärischen Neubauten in
Dresden. Sicher hat der österreichische Feldmarschall dieselben
mit großem Interesse angesehen.
Am 12. Oktober war der Landtag wieder zusammengetreten.
Leider ließ sich die Regierung, oder richtiger Minister Gerber
verleiten, etwas doch den preußischen Kulturkampf mitzu-
machen. Es wurde ein Gesetz eingebracht, die Ausübung des
staatlichen Oberaufsichtsrechtes über die katholische Kirche im
Königreich Sachsen "betreffend, das am 23. August 1876
Rechtskraft erhielt. Wie sich König Albert persönlich zu dieser
Frage stellte, hat er nirgends schriftlich ausgesprochen. Daß er
als guter Katholik nicht dafür sein konnte, ist klar. Aber da
seine ganze Regierung dafür eintrat, konnte er als kon-
stitutioneller Monarch schwerlich anders als zustimmen. Mein
Vater hat damals gegen die Regierungsvorlage gestimmt,
wozu ein großer Mut gehörte, da er ja der Thronerbe war.
Seine kurze Nede, worin er seine Abstimmung motivierte,
hat damals in katholischen Kreisen große Begeisterung erregt.
Sollte König Albert nicht mit der Abstimmung seines Bruders
einverstanden gewesen sein, so hat er es ihm jedenfalls nie-
mals entgolten. Minister von Friesen sagt in seinen Erinne-
rungen: „Durch dieses Gesetz wurden die Rechte und Inter-
essen des Staates der katholischen Kirche gegenüber in vollem
Umfange gewahrt und sichergestellt.“ Mir scheint, daß dieses
Gesetz gar nicht notwendig war und man lieber Württem-
berg hätte folgen sollen, wo man sich den Kulturkampf vom
Leibe hielt. Bald nach Beendigung der Landtagssession nahm
MWinister von Friesen seinen Abschied. Er lebte noch bis
1881, hauptsächlich beschäftigt mit dem Miederschreiben seiner
Lebenserinnerungen, von denen zwei Bände bei seinen Leb-
zeiten erschienen, der dritte erst 1910. Das Finanzministerium
übernahm Freiherr von Koenneritz, der Schwiegersohn des
Ministers Grafen Beust, das Ministerium des Außern von
Vostitz-Wallwitz und die Generaldirektion der Sammlungen
Gerber.