Kulturkampf. Die Malerin Ferichau. 231
Anfang des Jahres 1876 besuchte das deutsche Kronprinzen-
paar den Hof auf einige Tage. Sie weilten vom 15. bis
18. Februar in Dresden. Es fanden größere Festlichkeiten zu
ihren Ehren statt, namentlich ein kostümierter Ball beim
Minister von Fabrice. Wir Kinder wurden ihnen auch im
Schloß vorgestellt. König Albert ernannte seinen Gast zum
Chef des 2. Husarenregiments Ar. 19. Wenige Tage darauf
trat eine große Aberschwemmung der Elbe ein, die manche
Aot und Sorge brachte. Dresden war zu einem Ceil über-
schwemmt, aber lange nicht so wie 1845. In Niesa wurde die
Eisenbahnbrücke fortgerissen. Als wir alle im Mai bei der
Königin-Mutter in Jahnishausen weilten, fuhren wir von da
aus nach NRiesa, um das Sprengen der zerstörten Brücke an-
zusehen.
Als Zeichen, wie sich König Albert für Maler und über-
haupt für Künstler interessierte, möchte ich hier einen Brief
anführen, den er am 23. Juni 1876 an den König Ludwig II.
von Bayern richtete. Er verwandte sich darin für die Malerin
Frau JFerichau um eine Audienz. Diese gehörte in loser Be-
ziehung zu der Düsseldorfer Schule und ist jetzt so gut wie ver-
gessen. In meiner Sammlung habe ich eine Zeichnung von
ihr. Der König schreibt von ihr: „Ich habe früher Gelegen-
heit gehabt, Werke dieser, jetzt schon alten Frau zu sehen, die
mich frappirt haben. ZFetzt zeigte sie mir Entwürfe ihrer
neuesten Werke, von denen eines, den Nitt der Walküre dar-
stellend, sowohl von ihrem Schönheitssinn als von ihrem
tiefen Eingehen in die mythologischen Sagen germanischen
Alterthums zeugt.“ Wie und wo der König diese Malerin
kennengelernt hatte, ist leider nicht angegeben. Seine Be-
merkung paßt zu dem, was ich oben sagte, daß er sich wohl
noch zu den Künstlern älterer Richtungen gezogen fühlte.
Um diese Zeit erschien auch die Aeuauflage der Dante-
übersetzung von Philalethes, die der Bibliothekar Petzoldt im
Auftrag des Königs besorgt hatte. Aber die Sache habe ich
näher in einem Vortrag „König Fohann als Danteforscher“