234 Regierungsantritt und erste Königsjahre (1873—78).
das die Hauptzeit, wo wir Onkel und Tante zu sehen bekamen.
Die sonntäglichen Familiendiners waren auch immer bei der
Königin-Mutter.
Am 19. August kam der Feldmarschall Moltke, der auf einer
Generalstabsreise in Sachsen weilte, nach Pillnitz. Wie ich
schon öfter bemerkt habe, hielt Moltke sehr große Stücke auf
den König. Dieser bezeichnet ihn wiederholt als seinen alten
Gönner. Um so mehr wird es ihn gefreut haben, ihn einmal
in Pillnitz als seinen Gast begrüßen zu können. Den Tag
darauf fuhr das Königspaar zu den Rennen bei Mötha. Da
die Brücke in Riesa natürlich noch nicht fahrbar war, so mußten
sie über Chemnitz fahren, bis wohin sie Moltke begleitete.
Am Ende des Monats und in den ersten Tagen des Sep-
tember wohnte der König den Divisionsmanövern des säch-
sischen Korps bei.
Darauf folgten die Kaisermanöver, die ersten, die in
Sachsen stattfanden, und zwar bei Leipzig. Sie dauerten vom
5.—8. September. Auch die Königin war bei denselben an-
wesend. Der Kaiser kam am 5. in Leipzig an und wurde vom
König auf das feierlichste empfangen. Am 6. war die Parade
lbei Belgern, die glänzend verlief. Das Paradediner wurde im
Schützenhause gehalten. Bei seiner Rede betonte der König
besonders die Erinnerungen an den glorreichen Feldzug
1870/71 und gemahnte daran, daß der Kaiser das Korps zum
letztenmal am 7. März 1871 bei Villiers in Parade gesehen
habe. Seitdem seien fünf arbeitsreiche Fahre vergangen, und
der Kaiser könne sich überzeugen, daß das Korps jederzeit auf
seinen Ruf bereit sei, für die Ehre und Sicherheit des Reiches
einzutreten. Er dankte für das Erscheinen und trank auf das
Wohl des Kaisers. Der Kaiser dankte und sprach seine volle
Befriedigung aus für das, was er an dem Tage gesehen habe.
Er sagte: „Wenn daher mein Dank sich an Alle richtet, die
dabei tätig gewesen sind, so gebührt er doch vor Allen Eurer
Majestät, der Sie den Grund gelegt haben, und dann vor
Allen Ihrem Herrn Bruder, der das Werk fortgeführt hat.“