Kaisergeburtstagsfeier in Berlin. 287
Kaisers. Carlowitz, der ihn das letztemal dahin begleitete,
schreibt darüber: „Wenn ich an die ersten Besuche zurück-
denke, welche der König nach 1866 in Berlin machte, wobei
ich ihn oft als Stabschef begleitete, und vergleiche die Stim-
mung von damals, wo dem Kronprinzen beim Wegfahren ein
„Gott sei Dank“ entfuhr, mit der gegenwärtigen, so möchte
man das „Gott sei Dank“ in anderer Bedeutung (rufen. Der
junge Kaiser hat für den König eine fast kindliche Zuneigung,
und man empfindet aus Allem, was man hört und sieht, daß
des Königs Erscheinen am Hofe zu Berlin wohlthätig empfun-
den wird und zwischen den bestehenden Gegensätzen ver-
mittelnd wirkt. Der König ist das unterhaltende Element in
dem fürstlichen Kreise, seine Matürlichkeit und das Fernhalten
alles Phrasenscheines bilden einen angenehmen Gegensatz zu
der phrasenreichen Hofwelt in Berlin.“ Auch Bismarck wurde
wiederum empfangen. Wie Carlowitz erzählt, soll die Unter-
haltung sehr lebhaft gewesen sein, er hätte aber nicht erfahren
können, ob schon damals Andeutungen auf Bismarcks Kon-
flikt mit dem Kaiser gefallen seien. Möglich erscheint es mir.
Denn Bismarck hat früher schon einmal die Vermittlung des
Königs angerufen. Ob es damals oder bald darauf noch ein-
mal geschehen ist, entzieht sich natürlich meiner Beurteilung.
Briefe, die darüber Auskunft geben könnten, gibt es nicht.
Die drei Männer, die es mündlich tun könnten, der König,
Bismarck und Hohenthal, leben nicht mehr. Immerhin halte
ich es nicht für ausgeschlossen, daß der König eine Vermitt-
lung wenigstens beabsichtigt hatte. Er muß aber bald ein-
gesehen haben, daß der Konflikt nicht mehr zu heilen war.
Für einiges weitere verweise ich auf die Berichte des Grafen
Lerchenfeld, die Karl Alexander von Müller im Dezemberheft
1921 der Süddeutschen Monatshefte veröffentlicht hat, ebenso
auf die von H. Aichter veröffentlichten Berichte Hohenthals
in der Deutschen Rundschau. Auf die von Sachsen geplante
und vorbereitete Arbeiterschutzgesetzgebung will ich hier nicht
näher eingehen, da sie, wenn auch vom König angeregt, mehr