336 Letzte Jahre, Krankheit und Tod (1894—1902).
meine Frau und ich hin und hatten sehr trübe Eindrücke.
Der König konnte kaum mehr gehen. Meistens fuhr er in
einem Nollstuhl. Prell war gleichzeitig mit uns dort. Er hat
damals das Aquarell gemalt „König Albert im Kreis der
Damen beim Thee“. Er sitzt da sehr müde. Die Eindrücke
des Künstlers gebe ich hier mit seinen Worten wieder: „S. M.
ist erfreut, daß wir Prof. Bracht als Lehrer für die Akade-
mie gewonnen haben. Er erzählt mir vom Umbau des
WMeißner Doms, und wir debattirten über den Ausbau
des Heidelberger Schlosses, den S. M. als poetische Nuine
erhalten wünscht, während für mich ein verstümmeltes Kunst-
werk kein „Kunstwerk“ mehr ist. Beim Musiciren gestern kam
Frl. v. Abeken auf Verdi und die italienische Musik, die
S. M. bei aller Vorliebe für unsere Classiker und Roman-
tiker doch gern hat: „Man hört wenigstens klare Form und
behält sie im Ohr — es ist keine „Arbeit“ sie zu hören, wie
bei Wagner, bei dem der musikalische Gedanke in den
übermäßigen Einkleidungen erstickt.“ Das schien mir sehr
geistreich! Kommt dann eine Melodie von Schumann,
dann nickt Er mir heimlich zu. Aber das moderne Theater
klagt er auch: FFrüher ging ich in mein Hoftheater um zu
bewundern oder zu lachen — jedenfalls aber um aus-
zuruhen und zu genießen — jetzt habe Ich keinen großen
Akteur, Charakterspieler oder richtigen Komiker mehr! Man
soll sogenannte Probleme“ von Leuten lösen helfen, die Einem
doch ganz einerlei sein können!' Das war fast dasselbe,
was ich von einer Malerei verlange: „Keine Gedankenconstruc-
tion, nur Schönes lebendig vor mir sehen.“ Auch hierauf
ging S. M. überraschend ein — ich war ganz von Einklang
und Ehrfurcht erfüllt; aber mitten im Gespräch nickt der
hohe Leidende oft still ein.
Das Jagen ist jetzt ganz verboten — aber wenn wir zur
abendlichen Ausfahrt in den großen Victoria, statt in den
Jagdwagen, steigen, zwinkert der König mit den Augen:
„Der Kaul hat die Büchse auf dem Bock.“ Und neulich hat